FDP-Urgestein Gerhart Baum geht mit der FDP-Führung hart ins Gericht. Der frühere Innenminister schwärmt von der breiten Aufstellung der Liberalen unter Genscher. Generalsekretär Djir-Sarai fordert Baum auf, zu gehen, wenn ihm die Ampel nicht mehr passe. Dem Rest seiner Partei rät er vom Koalitionsbruch energisch ab.
Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum hat seine Partei gewarnt, aus der Ampel-Koalition auszuscheiden, wie es FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordert. "Die FDP darf auf keinen Fall aus der Ampel-Koalition aussteigen. Das wäre Selbstmord", sagte der FDP-Politiker der Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Wir würden bei Neuwahlen, denen erhebliche verfassungsrechtliche Hürden entgegenstehen, jetzt womöglich nicht mehr in den Bundestag kommen." Außerdem sei jetzt nicht Zeit für einen vorgezogenen Bundestagswahlkampf, der alle Kräfte binden würde, ergänzte der frühere Minister. "Unser Land und die Welt haben jetzt ganz andere Probleme. Ein Ausstieg der FDP aus der Ampel wäre eine Flucht vor der Verantwortung. Wenn Generalsekretär Djir-Sarai gehen will, dann soll er gehen."
Die FDP müsse sich nach den Worten Baums um ein breiteres Politikangebot kümmern. "Die Sorge um die finanzpolitische Stabilität und um das Wirtschaftswachstum ist wichtig. Sie darf aber nicht das Hauptziel der Liberalen sein", sagte er. "Die Facetten des Liberalismus sind viel weitreichender. Wir erleben eine krisenhafte Zuspitzung in der Weltpolitik, die es so in Jahrzehnten nicht gegeben hat. Und wir haben als FDP dazu nicht die nötigen Perspektiven, wie sie Genscher heute hätte, auch zur weltpolitischen Rolle Europas."
Baum forderte auch eine Kurskorrektur in der Wirtschaftspolitik. "Wir müssen alles tun, um Kernbranchen wie die Autoindustrie, die chemische Industrie und den Stahl im Land zu halten. Wir können nicht zulassen, dass durch die Versäumnisse insbesondere der Autoindustrie Massenarbeitslosigkeit entsteht. Da müssen wir notfalls mit staatlichen Hilfen und Beteiligungen - wie im Fall der Meyer-Werft - die Produktion im eigenen Lande halten." Auch beim Umweltschutz forderte der FDP-Politiker Nachbesserungen. "Technische Innovationen müssen weiter unterstützt werden und natürlich Wachstum gefördert werden, ökologisches Wachstum."
Lindner gibt sich Zeit bis zum 21. Dezember
FDP-Generalsekretär Djir-Sarai hatte nach der für die FDP niederschmetternden Landtagswahl in Brandenburg gesagt, eine Koalition sei erfolgreich, wenn sie in der Lage sei, "die Probleme im Land anzupacken und zu lösen". Wenn eine Koalition dazu nicht in der Lage sei, "besteht ein reales Problem", sagte er bei Phoenix. Vize-Parteichef Wolfgang Kubicki spekulierte über ein Koalitions-Aus vor Weihnachten. Der bayerische Landesparteichef Martin Hagen plädierte sogar offen für einen Ampel-Bruch.
FDP-Chef Christian Lindner diagnostizierte, der Ampel stehe ein „Herbst der Entscheidungen“ bevor. Lindner forderte rasche Weichenstellungen in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen und Migration. Das seien die "Fragen, die in diesem Herbst geklärt werden müssen", sagte er. Konkret sprach er von einem Zeitraum bis zum 21. Dezember.