1 week ago

Das Ende der Allmende



Je intensiver das Allgemeingut genutzt wird, desto weniger bleibt davon übrig. Und je weniger es davon gibt, desto mehr streiten sich die Menschen um das, was noch da ist.

Als ich im Oktober in Canada und den USA gewesen bin, war das Erste, was mir aufgefallen ist, dass die dort lebenden Menschen die Erde massiv überstrapazieren. Endliche Ressourcen werden gnadenlos für den eigenen Profit ausgebeutet, ganz unabhängig von der Parteizugehörigkeit. So soll selbst im demokratisch geführten Washington, D.C. der Zugang zu natürlichen Gasreserven weiterhin sichergestellt und sogar vereinfacht werden, entgegen vorangegangenen Bemühungen, eine nachhaltige Energieversorgung zu stärken.

Diesem Verhalten liegt ein grundlegend anderes Verständnis von Allgemeingut, welches auch als Allmende bezeichnet wird, zugrunde. Eine Freundin meinte passend zum Thema dazu, dass wir uns in Europa bereits mit einem schlechten Gewissen plagen, wenn wir ein Auto fahren, das nicht den neuesten Umweltstandards entspricht. Auch in unserer Community finden sich viele Menschen mit einem ausgeprägten Umweltbewusstsein, die etwa ein Balkonkraftwerk in Eigenregie mit Freier Software betreiben.

Das Dilemma im Umgang mit Allgemeingut wurde bereits 1833 von William Forster Lloyd erkannt und unter dem Titel Die Tragik der Allemende (tragedy of the commons) ausführlich dargelegt.

Es verdeutlicht, dass das Bestreben einzelner Personen, ihren persönlichen Nutzen zu maximieren, langfristig der gesamten Gemeinschaft schadet, da dadurch die materiellen Ressourcen erschöpft oder zerstört werden.

Was heute immer noch für Überweidung, Überfischung oder Raubbau gilt, trifft im Software-Umfeld nur bedingt zu, da es sich bei Software grundsätzlich nicht um eine endliche Ressource handelt. Insbesondere Freie Software stellt sicher, dass diese auch in Zukunft noch geteilt, analysiert, verwendet und verbessert werden kann, zumindest dann, wenn eine Copyleft-Lizenz wie die GPL zum Einsatz kommt.

Doch auch hierbei gelten ähnliche Überlegungen, so wie ich es in der Podcast-Folge CIW - Folge 109 vom 23.10.2024 mit dem Titel Krisenstimmung ausführlich dargelegt habe.

Als möglicher Ausweg aus der Tragik wird von Ökonomen gerne die Privatisierung von öffentlichem Eigentum empfohlen. Erwiesenermassen führt dies jedoch zu noch mehr Ausbeutung, sofern finanzielle Interessen im Vordergrund stehen.

Leider fühlen sich selbst einige Demokraten genötigt, ebenfalls ausbeuterisch zu agieren, sobald sich der politische Wind dreht, aus Angst, sonst nicht auch ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Dies bewegt Menschen, von denen man annahm, dass sie freiheitsliebend sind und im Sinne der Allgemeinheit denken und handeln etwa dazu auf menschenverachtende Social-Media-Plattformen wie Twitter/X zurückzukehren, getreu nach dem Motto Je Türenknall, desto wiederkomm.

Glücklicherweise gibt es erwiesenermassen funktionierende Auswege. Eine Rückbesinnung auf freiheitliche und Demokratische Werte ist dazu eine Grundvoraussetzung. Die eigene Freiheit kann nur gewahrt werden, sofern die Freiheit des Anderen respektiert wird.

Über die Nutzung oder auch Nicht-Nutzung von Allgemeingut entscheidet die Gemeinschaft unter der Anwendung etablierter demokratischer Prozesse. In der Schweiz wird dies zusätzlich durch eine Direkte Demokratie gestützt. Auch in einer Repräsentative Demokratie ist dies ohne Weiteres möglich, sofern auch Gegenstimmen gehört und anerkannt werden und nicht wie bei einer liberal geführten Regierung finanzielle Interessen vor dem Allgemeinwohl stehen.

Getragen wird dies durch eine auf Freier Software basierenden Infrastruktur, wie sie auch heute schon zum Beispiel im Fediverse, bei Matrix oder auch mit XMPP zur Verfügung steht.

Doch wie schützen wir uns vor Angriffen von Innen und Aussen und was können wir tun, um nicht selbst dem Habgier-Modus zu verfallen? Auch hier liefert Freie Software gute Ansätze. So stellen Copyleft-Lizenzen sicher, dass Änderungen an einem Programm allen Menschen wieder zur Verfügung gestellt werden müssen. EU-weite Regularien wie der Digital Service Act dienen ebenfalls dazu, ausbeuterische Unternehmen einzuhegen. Dabei sollte jedoch auch bedacht werden, dass Überregulierung, wie sie in Deutschland, Österreich und in der Schweiz üblich sind, ebenfalls kontraproduktiv sind.

Der Schlüssel liegt demnach in der eigenen Denkweise, der Selbstermächtigung im Sinne der Gemeinschaft, gegenseitiger Rücksichtnahme und der Verteidigung sowie dem Vorleben dieser Werte.

Durch eine klare Haltung gegen Ausbeuter, Bullies und menschenfeindliche Opportunisten haben wir es auch weiterhin in der Hand, Alternativen anzubieten und diese aktiv zu leben. In Europa liegt es in unserer Verantwortung, dass es nicht zu ähnlichen Entwicklungen kommt wie beispielsweise in den USA und wir können uns als Leuchtturm für eine besser und nachhaltigere Zukunft positionieren, in der Zusammenhalt vor egoistischen Interessen steht.

In diesem Sinne

Libre Grüsse

Lioh Möller

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