Die Chefin der Columbia-Universität, Minouche Shafik, legte sich mit Trump-Fans und Palästinenserfreunden an und trat nun zurück. Absurd, sagt unser Autor – gerade sie!
Heute früh war ich mit dem Deutschlandfunk im Ohr joggen, als gemeldet wurde: Die Präsidentin der US-Eliteuniversität Columbia, Minouche Shafik, ist nach monatelangen Querelen um propalästinensische Proteste auf dem Campus zurückgetreten. Das stimmt natürlich. Ist aber nicht mal die halbe Geschichte.
Zwischen der Nachricht im Radio und meiner Ankunft an der eigenen Haustür habe ich nicht über Israels Krieg in Gaza nachgedacht, auch nicht über die antisemitische Hetze von inzwischen gefeuerten Columbia-Professoren und auch nicht darüber, ob es richtig ist – wie Shafik es getan hat –, die Polizei zu rufen, wenn es Ärger an der Uni gibt.
Sondern darüber, was es bedeutet, wenn Menschen wie Minouche Shafik gedemütigt und missbraucht, verletzt und vertrieben werden. Dann nämlich muss man sich wirklich Sorgen machen um die offene Gesellschaft.
Minouch Shafik stand zwischen den Fronten
Ich habe Shafik genau ein Mal in meinem Leben zu einem Interview getroffen. Es war in einem Münchner Luxushotel, in dem sich die damalige Chefin der London School of Economics so bewegte, dass jeder erkennen konnte, dies ist ihr Territorium. Mehr Eleganz und Souveränität waren kaum vorstellbar. Die in Alexandria in Ägypten geborene Wirtschaftswissenschaftlerin hat eine atemberaubende Karriere bei der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und der Bank of England hinter sich. Als Baroness Shafik gehörte sie dem britischen Oberhaus an. Sie sprach darüber, was Gesellschaften zusammenhält und wie dieser Zusammenhalt gestärkt werden könne. Radikal war an ihr nur der Glaube an Austausch, Verständigung und Vernunft.
Anti-Israel-Proteste an US Unis 18:09
Das nächste Mal gesehen habe ich Shafik im April im Fernsehen. Es waren Bilder ihrer Anhörung vor einem Ausschuss des US-Kongresses, die mehr eine Vernehmung war. Sie musste sich gegen den durchaus nachvollziehbaren Vorwurf verteidigen, dass Columbia zu einer Brutstätte des Antisemitismus geworden sei. Sie wurde aggressiv dazu befragt, ob sie Slogans wie "Form the river to the sea" für antisemitisch halte. "Ich verstehe sie so, andere nicht", hielt sie, sichtlich verunsichert, ihren Befragern entgegen. Sie wirkte klein, verletzlich, stotterte fast.
Was sie sagte, war mir zu zögerlich und zu unentschieden. Aber unerträglich war, wie sie befragt wurde. Nämlich voller Hass und mit der Absicht, sie zu Fall zu bringen. Es ging nicht darum, eine Debatte zu führen, sondern sie von der Teilnahme an dieser Debatte auszuschließen.
Die Scharfmacher auf beiden Seiten feiern
Als Shafik nun ihren Rücktritt erklärte, feierten propalästinensiche Studenten an ihrer Universität – und drohten Shafiks Nachfolgern vorsichtshalber schon mal für den Fall, falls die Universität nicht alle Beziehungen nach Israel kappen sollte. Gleichzeitig bejubelte die republikanische Kongressabgeordnete und Trump-Anhängerin Elise Stefanik, die Shafik in Washington so zugesetzt hatte, ihren Jagderfolg. "So many to go", schrieb sie mit Blick auf all die anderen Andersdenkenden, die sie noch zu Fall bringen will.
Was bleibt, ist ein wirklich übles Gefühl. Nämlich, dass diejenigen, die in einer Demokratie streiten sollten, sich an die Gurgel gehen. Und so gemeinsam das Geschäft derer betreiben, die mit dieser Demokratie nichts zu schaffen haben wollen. Gleich bei ihrem Rücktritt hat Shafik übrigens bekanntgegeben, dass sie nun eine Kommission des britischen Außenministeriums leiten werde, ins Oberhaus zurückkehre und ihren Kampf gegen Armut und für Entwicklung fortsetze. Sie ist nicht weg. Sie ist auch niemand, der Mitleid braucht oder verdient. Aber vielleicht ist sie ein Grund kurz innezuhalten.