3 months ago

Bruch mit Moskau vorgetäuscht?: Telegram-Chef Durow war seit 2014 mehr als 60-mal in Russland



2014 bricht Pawel Durow mit seiner Heimat. Der Telegram-Gründer geht nach Konflikten mit der russischen Führung ins Exil und erklärt öffentlich, warum er nie wieder zurückkehren wird. Nur wenige Monate später bricht er Wort - und wird in den Jahren darauf Dauergast in seinem Heimatland.

Offiziell pflegt Telegram-Gründer Pawel Durow keine Beziehungen mehr zu Russland. Als Zeichen seiner Unabhängigkeit nahm er vor Jahren die Staatsbürgerschaften von Frankreich und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) an, den Firmensitz seiner Nachrichtenplattform verlegte er von St. Petersburg nach Dubai. Doch seit seiner Festnahme in Frankreich erwecken Berichte ukrainischer und auch unabhängiger russischer Medien den Eindruck: Durow ist in Russland nicht der ausgestoßene Unternehmer, als der er sich seit 2014 gerne präsentiert.

Bereits vor Telegram hatte Durow 2006 mit seinem Bruder das soziale Netzwerk VKontake gegründet. Doch für die russische Führung wurde das "russische Facebook" schnell zum Problem: In der Ukraine nutzten es proeuropäische Kräfte, um die Proteste gegen ihren prorussischen Präsidenten auf dem Maidan zu organisieren. In Russland ergriffen Oppositionsbewegungen die Möglichkeit, große Demonstrationen zu verabreden. Russische Sicherheitskräfte verlangten daher von Durow, Seiten von Regierungsgegnern wie Alexej Nawalny auf VKontakte zu sperren und die persönlichen Daten von Demonstranten in der Ukraine und Russland herauszugeben.

Durows Manifest

Eigenen Angaben zufolge weigerte sich Durow: Im Verlauf des Jahres 2014 wurde er demnach gezwungen, seine Anteile an VKontakte zu verkaufen. In Interviews gab er an, bewaffnete Sicherheitskräfte hätten sein Haus durchsucht. Zum Schutz ging er wenig später ins Exil und veröffentlichte das Manifest "Sieben Gründe, nicht nach Russland zurückzukehren", in dem er auch das russische Regierungssystem kritisierte.

Doch bereits im Mai 2015 soll Durow Wort gebrochen haben und bis einschließlich 2021 insgesamt mehr als 50-mal aus dem Exil in seine Heimat zurückgereist sein, wie das unabhängige russische Nachrichtenportal "Important Stories" berichtet. Laut der ukrainischen Plattform "Ukrajinska Prawda" handelt es sich sogar um mehr als 60 Besuche. Beide Plattformen berufen sich auf dieselbe Quelle: Die Angaben stammen demnach aus einem großen Datenleck des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, in dem die Grenzkontrolldaten aufgelistet sind.

Eine größere Besuchs-Lücke gibt es demnach nur zwischen den Jahren 2017 und 2020. Wahrscheinlicher Grund sind die Versuche des Kremls, Telegram in dieser Zeit erfolglos zu übernehmen oder zu sperren. Nachdem diese Versuche im Juni 2020 eingestellt wurden, soll Durow erneut Dauergast in Russland geworden sein.

Ein geringer Preis - oder gar keiner?

In seinem eigenen Telegram-Kanal erklärte Durow 2017 zu diesen Bemühungen, es sei ihm egal, wenn bestimmte Länder Druck auf Telegram ausüben, weil er die Privatsphäre der Nutzer verteidigen wolle. "Wir sind immer bereit, alle persönlichen und geschäftlichen Verbindungen zu solchen Orten zu kappen", schrieb der Unternehmer. Schade sei nur, dass seine Eltern nach wie vor in Russland lebten und er sie nicht mehr besuchen könne. "Aber das ist ein geringer Preis, wenn man bedenkt, was auf dem Spiel steht."

Doch diesen Preis musste Durow allem Anschein nach nie zahlen: Neben "Important Stories" berichtet auch die "Ukrajinska Prawda" von zahlreichen, öffentlichen Reisen nach Russland: Durow solle demnach mit der russischen Fluggesellschaft Aeroflot zwischen St. Petersburg und europäischen Städten verkehrt sein. Alternativ flog er in die finnische Hauptstadt Helsinki und legte die kurze Strecke von dort nach St. Petersburg mit Auto oder Eisenbahn zurück.

Büro legt auf

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Was Durow bei seinen Reisen nach Russland machte, ist unklar. "Important Stories" berichtet unter anderem von Besuchen bei seiner mutmaßlichen Lebensgefährtin und drei Kindern, deren Vaterschaft er anerkannt habe. Ob es auch Treffen mit der russischen Führung oder Sicherheitskräften gab, ist nicht bekannt: Durows Büro habe nicht auf Nachfragen geantwortet, heißt es in dem Bericht. Bei einem Anruf habe es das Gespräch verweigert und aufgelegt.

Klar scheint nur: Obwohl der russische FSB Durow 2014 zwang, VKontakte zu verkaufen und versuchte, ihm auch Telegram abzunehmen, war seine Beziehung zu den russischen Sicherheitskräften offenbar so gut, dass er bei seinen zahlreichen Reisen keine Festnahme fürchten musste.

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