3 months ago

BKA-Gesetz: Anwaltverein sieht „Verfassungsbeschwerde garantiert“



Die Bundesregierung will KI-Systeme und biometrische Internetsuche für die Polizei. Für den Deutschen Anwaltverein geht das weit über das hinaus, was in der „analogen Welt“ zulässig wäre. Die Juristen erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetz die rote Karte zeigt.

Innenministerin Nancy Faeser und BKA-Präsident Holger Münch.Innenministerin Nancy Faeser und BKA-Präsident Holger Münch. – Alle Rechte vorbehalten Henning Schacht, BMI

Die Autor:innen sind Rechtsanwält:innen und Mitglieder im Deutschen Anwaltverein. Prof. Niko Härting ist Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Ausschusses Informationsrecht. Lea Voigt ist Vorsitzende des Ausschusses Gefahrenabwehrrecht. Dr. David Albrecht ist Mitglied des Ausschusses Gefahrenabwehrrecht.

Der von netzpolitik.org veröffentliche Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel „sowohl im Bereich der Datenerhebung als auch -weiterverarbeitung punktuelle Anpassungen vorzunehmen.“

Wer nun meint, es ginge um Kleinigkeiten („punktuell“, „Anpassungen“), der irrt. Das sprachliche Understatement der Verfasser*innen des Entwurfs soll wohl davon ablenken, wie sehr er es in sich hat.

Würde der Entwurf Gesetz, ginge in Erfüllung, was Polizei-Lobbyist*innen vor kurzem noch nicht zu träumen wagten.

Im Zentrum des Vorschlags stehen drei neue Instrumente, die das BKA und teilweise auch die Bundespolizei und die Landespolizeien an die Hand bekommen sollen: das Recht, heimlich Wohnungen zu betreten und zu durchsuchen; die Zusammenführung polizeilicher Datenbestände samt deren automatisierter Analyse und Auswertung und eine Art biometrische Rasterfahndung im öffentlichen Internet.

Die Begründung für die massive Erweiterung der Befugnisse fällt schmallippig aus. Kein Wort oder gar Statistiken dazu, warum das BKA und die weiteren Polizeibehörden mit ihren bisherigen, in den letzten Jahren bereits mehrfach aufgerüsteten Mitteln nicht mehr auskommen.

Stattdessen immer wieder das Mantra „Straftäter hinterlassen in der analogen wie auch digitalen Welt Spuren: Polizeibehörden müssen in beiden Situationen über die erforderlichen Ermittlungsinstrumente verfügen.“

Auch mit Anwendungsbeispielen und Angaben zur konkreten technischen Umsetzung hält sich der Entwurf zurück und übt sich stattdessen in Abstraktion. Man will offenbar nicht, dass Abgeordnete oder gar Bürger*innen sich vorstellen können, worauf die Regelungen hinauslaufen.

Unlesbares Gesetz

Das BKA-Gesetz ist bereits jetzt unübersichtlich, voller Verweise und Weiterverweise und selbst für Expert*innen eine Zumutung. Dies trägt dazu bei, dass man sich über jede Alltagsfrage trefflich streiten und das Gesetz meist genau so verstehen kann, wie man möchte. Ist dies Absicht? Man weiß es nicht.

Durch die geplante Reform würde das Gesetz noch unlesbarer als bisher.

Nur ein Beispiel: In einem § 22 Abs. 4 BKAG soll es unter der denkbar nichtssagenden Überschrift „Weiterverarbeitung von Daten zu weiteren Zwecken“ heißen, „Die nach § 9 Absatz 7 erhobenen personenbezogenen Daten“ dürften „nur zum Zwecke der Bewertung der Geeignetheit der erprobten Einsatztechnik und technischen Einsatzmittel weiterverarbeitet werden.“

Was soll das heißen? Man schaut in § 9 Abs. 7 des Entwurfs nach. Dort heißt es, das BKA dürfe, „soweit dies zur Erprobung von technischen Einsatzmitteln nach § 2 Absatz 5 Nummer 2 Satz 1 erforderlich ist, personenbezogene Daten erheben.“

Weiter geht es also in § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 BKAG. Dort geht es um „Kompetenzzentren für informationstechnische Systeme und Infrastrukturen sowie Einsatztechnik, technische Einsatzmittel und kriminaltechnische Untersuchungsmethoden im kriminalpolizeilichen Bereich“, die das BKA aufbauen und unterhalten darf.

Vor solchen Fachbegriffen und Verweisungsketten wimmelt das Gesetz, mit dem selbst gestandene Kenner*innen der Materie schon jetzt Mühe genug haben.

Bei der Übersichtlichkeit von Gesetzestexten und bei Verweisungsketten geht es nicht um Geschmacks- oder Stilfragen. Es geht um Eingriffsnormen, die rechtsstaatlichen Anforderungen (nicht) genügen.

Oder mit den Worten des BVerfG: „Unübersichtliche Verweisungskaskaden sind mit den grundrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar.“

Vorstoß 1: Heimliche Wohnungsdurchsuchung

Keine „Verweisungskaskade“, wohl aber eine Verweisungskette gibt es bei den Normen, die dem BKA eine heimliche Wohnungsdurchsuchung ermöglichen sollen.

Das heimliche Betreten der Wohnung wird in der Gesetzesbegründung explizit „als Begleitmaßnahme für die Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ bezeichnet sowie als Maßnahme „zur verdeckten Durchsuchung von Wohnungen“.

Die Befugnis zum heimlichen Betreten und Durchsuchen von Wohnungen soll in § 61 BKAG eingefügt werden. Dort findet sich indes schon jetzt ein Verweis – auf § 46 BPolG. Dort ist geregelt, dass der Wohnungsinhaber oder, „wenn möglich“, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen sind.

„Wenn möglich“ heißt also nicht zwingend. Im Gefahrenfall kann das BKA somit bereits nach geltendem Recht schnell handeln, ohne den Wohnungsinhaber oder einen anderen Zeugen hinzuziehen. In welchen Fällen hat sich diese Befugnis als unzureichend erwiesen? Die Gesetzesbegründung schweigt hierzu.

Die Antwort findet sich dann jedoch in geplanten Ergänzungen des § 49 und des § 51 BKAG. Dem BKA soll danach der „physische Zugriff“ auf Endgeräte ermöglicht werden – auf Smartphones, Laptops, Tablets, PCs -, um dort Spionagesoftware zu installieren. Dies gelingt laut der Gesetzesbegründung „bei der klassischen Durchführung via Fernzugriff“ (also per „Staatstrojaner“) nicht immer.

Denkbar vage heißt es weiter: „Die Mitwirkung kann nicht in allen Szenarien erreicht werden, insbesondere wenn die betroffenen Geräte nur zu bestimmten Funktionen und nicht dem alltäglichen Gebrauch verwendet werden.“

Der „physische Zugriff“ als besserer „Trojaner“. Einen solchen Zugriff per heimlichem Einbruch in Wohnungen zu ermöglichen, ergibt in der Überwachungslogik des neuen Gesetzentwurfs einen gewissen Sinn.

Aber weshalb muss man sich diesen Zweck heimlicher Einbrüche erst durch sorgfältige Lektüre der §§ 61, 49 und 51 BKAG und des § 46 BPolG samt Gesetzesbegründung erschließen? Und welche Erfahrungen des BKA haben zu diesen Plänen Anlass gegeben?

Man weiß es nicht, solange das BKA Informationen über die eingesetzte Spionage-Software (mutmaßlich Pegasus) wie ein Staatsgeheimnis hütet.

Solange jedoch nichts darüber bekannt ist, wie die (umstrittenen) jetzigen Befugnisse zur Online-Durchsuchung und zur Quellen-TKÜ funktionieren und welche Schwachstellen es gibt, kann niemand außerhalb des BKA seriös die Erforderlichkeit der geplanten neuen Überwachungsbefugnisse beurteilen.

Und blindes Vertrauen in die Arbeit von Polizeibehörden verbietet sich in einem demokratischen Rechtsstaat, der die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger wahrt.

Dies muss besonders gelten, wenn es darum geht, ein Instrument zu etablieren, das im Rechtsstaat aus guten Gründen ein Novum wäre und dessen Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaat fraglich ist: Das heimliche Eindringen des Staates in die Wohnungen seiner Bürger*innen. Letztere könnten nicht mehr darauf vertrauen, dass nicht während ihrer Abwesenheit Beamt*innen sich heimlich Zutritt verschafft haben.

Ist schon die herkömmliche, stets offen erfolgende Hausdurchsuchung ein schwerer Eingriff, den Betroffene oft nur schwer verwinden können, suspendiert die heimliche Durchsuchung nicht nur bis zu ihrer nachträglichen Bekanntgabe den Rechtsweg, sie stellt auch ganz grundlegend die Vertrauensfrage im Verhältnis von Bürger und Staat.

„Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet, und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe“, sagte Winston Churchill. Wenn Innenministerin Nancy Faeser sich durchsetzt, wäre es mit dieser Sicherheit endgültig vorbei.

Vorstoß 2: Automatisierte Datenanalyse

Der Entwurf sieht vor, dass das BKA und die Bundespolizei für Zwecke der Gefahrenabwehr ihre Daten zentral zusammenführen und unter bestimmten Voraussetzungen automatisiert auswerten dürfen.

Das BKA verfügt als bundesweite Zentralstelle der polizeilichen Datenverarbeitung allerdings auch über Daten der Landespolizeien. Es sind enorme Datenmengen, die – zunächst unabhängig vom Vorliegen konkreter Auswertungsvoraussetzungen – in eine zentrale Vorratskammer gelegt werden sollen.

Mittels Änderung der Strafprozessordnung sollen auf diesen Datenvorrat auch die Landespolizeien zur Verfolgung u. a. von Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ und von Straftaten „gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person“ zugreifen und Analysen durchführen können.

Es geht also keineswegs nur um die Abwehr schwerer terroristischer Straftaten, sondern auch um die Verfolgung bereits begangener Taten der Allgemeinkriminalität, z. B. einfacher Körperverletzungsdelikte.

Die Entwurfsbegründung erschöpft sich darin, auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu verweisen, mit der Rechtsgrundlagen zur automatisierten Datenauswertung in zwei Landespolizeigesetzen für verfassungsrechtlich unzureichend erklärt wurden: „Die neue Regelung in § 98d setzt die Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2023 zur automatisierten Datenanalyse für die Strafverfolgung um.“

Der Entwurf stellt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von den Füßen auf den Kopf: Es ging dort um die verfassungsrechtlichen Grenzen automatisierter Datenauswertung.

Auch wenn in diesem Zuge das Bundesverfassungsgericht jene nicht für per se mit der Verfassung unvereinbar erklärt hat, ist der Gesetzgeber nicht von der Pflicht entbunden, zu begründen, warum er seine Behörden mit dieser weitreichenden Eingriffsbefugnis ausstatten möchte.

Dies gilt umso mehr, wenn dies mit einem Federstrich nicht nur zur Gefahrenabwehr, sondern auch zur Strafverfolgung geschehen soll. Der Verweis auf das BVerfG aber ist keine Begründung, sondern – wieder einmal – eine Nebelkerze.

Tatsächlich arbeitet das BKA schon seit Jahren an der Zusammenführung der verschiedenen polizeilichen Datenbestände. Mit dem Programm „Polizei 20/20“ soll das „polizeiliche Informationswesen harmonisiert und neu aufgestellt, sowie die bisher heterogene Datenhaltung durch ein gemeinsames Datenhaus vereinheitlicht werden.“

Man darf vermuten, dass nun beim Bundesinnenministerium die nötigen Ermächtigungsgrundlagen „bestellt“ wurden und dies den Anlass für den vorliegenden Regelungsentwurf bot.

Die Zusammenführung aller zentralen polizeilichen Datenbestände und die automatisierte Auswertung der Daten mit KI-tools für Zwecke der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung – mehr Befugnisse könnte man den Polizeibehörden in diesem Bereich kaum einräumen.

Und dabei werden alle Gretchen-Fragen offengelassen: Mit welchen Programmen soll die Auswertung geschehen? Wie werden diese Programme kontrolliert? Wie soll sichergestellt werden, dass es durch den Algorithmus nicht zu Diskriminierung kommt?

Wenn nur die Polizei, nicht aber die Staatsanwaltschaft, Gerichte und Anwält*innen Zugriff auf den Datenbestand und die Auswertungsinstrumente haben, wie kann dann die automatisierte Verdachtsschöpfung kontrolliert werden?

Was geschieht mit sog. Zufallsfunden, nach denen nicht hätte gezielt gesucht werden dürfen? Und wer kann überhaupt kontrollieren, ob nicht doch gezielt gesucht wurde?

Es stünde dem Gesetzgeber gut zu Gesicht, wenn er nicht nur Bestellungen ausliefern, sondern – wie es das Grundgesetz vorsieht – normativ Standards setzen würde. Dafür müssten aber die vorstehenden Fragen und noch viele weitere zunächst einer ergebnisoffenen Diskussion zugeführt werden.

Vorstoß 3: Biometrische Internetsuche

Vermeintlich unscheinbar kommt auch die geplante neue Befugnis zur KI-gestützten biometrischen Bildersuche im Internet daher. Die sowohl im Gefahrenabwehrrecht als auch im Strafrecht vorgesehenen Neuregelungen sollen den polizeilichen Einsatz von Technologien, wie man sie z.B. von Programmen wie Clearview AI oder PimEyes kennt, legitimieren.

Damit soll es dem BKA ermöglicht werden, in polizeilichen Datenbanken vorhandenes Bildmaterial mit im Internet öffentlich verfügbaren Bild- und Videoaufnahmen, insbesondere solchen aus sozialen Medien, automatisiert abzugleichen. Die Maßnahme soll dabei nicht auf Verdächtige beschränkt sein, sondern kann auch alle anderen Personen erfassen, z.B. Opfer, Zeugen oder „Kontaktpersonen“.

Die Forderung ist offenbar angetrieben durch die Causa „Daniela Klette“, zu der berichtet wurde, dass Journalist*innen die gesuchte frühere RAF-Terroristin bereits Monate vor den Ermittlungsbehörden mittels einer solchen Software identifiziert hätten.

Der Gesetzentwurf begründet die Neuregelung damit, dass eine „moderne Aufgabenwahrnehmung“ durch das BKA „auch Informationen aus dem Internet“ umfassen müsse und das BKA Täterspuren in der digitalen Welt ebenso verfolgen können müsse wie in der analogen Welt. Dieses Bedürfnis wird man nicht ernsthaft bestreiten können.

Betrachtet man die geplante Neuregelung allerdings näher, wird deutlich, dass es keineswegs nur um den geforderten Gleichlauf von Ermittlungsbefugnissen geht, sondern der Entwurf weit über das hinausgeht, was in der „analogen Welt“ als zulässig angesehen würde.

Im Zeitalter von Smartphones und Social-Media-Plattformen wie TikTok, Snapchat und Instagram gehören Foto- und Videoaufnahmen im öffentlichen wie im privaten Raum und deren anschließender Upload in sozialen Medien zur Normalität. Dadurch findet bereits jetzt eine weitreichende bildliche Dokumentation unseres Alltags im Internet statt – Tendenz steigend.

Nun kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass jede*r Nutzer*in selbst darüber entscheiden könne, welche Aufnahmen sie oder er in der Öffentlichkeit – und damit auch gegenüber den Polizeibehörden – preisgibt. Damit würde man jedoch zum einen übersehen, dass entsprechende Plattformen auch und insbesondere von Kindern und Jugendlichen genutzt werden.

Zum anderen kann niemand sicher darüber bestimmen, welche Aufnahmen der eigenen Person im Internet veröffentlicht werden: Nahezu jedes Filmen in der Öffentlichkeit erfasst Passant*innen. Aufnahmen, die man nur einzelnen Personen zusendet, können von diesen ohne weiteres auf öffentlichen Plattformen hochgeladen werden. Bilder, die jemand vor Jahren einmal ins Internet gestellt hat, bleiben für Suchmaschinen weiterhin auffindbar.

Während über den Einsatz stationärer biometrischer Videoüberwachung im öffentlichen Raum – zurecht – kontrovers diskutiert wird, hätten die neuen geplanten Befugnissen zur Folge, dass letztlich jedes Smartphone zu einer potentiellen staatlichen Videoüberwachungsanlage würde. Und das ohne kontrollieren zu können, ob die Aufnahmen rechtmäßig zustande gekommen und veröffentlicht worden sind oder aber Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzen.

An dieser Stelle zeigt sich auch ein grundlegender Widerspruch des Gesetzesvorhabens: Einerseits schließen es die geplanten Regelungen unter Hinweis auf die hohe Eingriffsintensität der Maßnahmen aus, dass Daten, die durch einen verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen oder verdeckten Eingriff in informationstechnische Systeme erlangt wurden, in den Abgleich einbezogen werden.

Andererseits soll ein Abgleich mit sämtlichem im Internet öffentlich verfügbaren Bildmaterial ermöglicht werden, und damit auch mit solchen Aufnahmen, die der Privat- oder Intimsphäre der betroffenen Person zuzuordnen und damit von Verfassungs wegen nicht oder nur unter engen Voraussetzungen von der Polizei genutzt werden dürfen.

Bei allen Rufen nach einer „Modernisierung“ der Polizei durch den Einsatz von KI darf zudem ein grundlegendes Problem von KI-gestützten Ermittlungs-Tools nicht übersehen werden: Die Arbeitsschritte einer KI sind ab einem gewissen Grad der Eigenständigkeit des Systems für den Menschen nicht mehr nachvollzieh- und kontrollierbar.

Werden die Pläne des BMI Gesetz, wird es zukünftig Realität sein, dass eine KI beispielsweise im Rahmen der automatisierten Datenanalyse (s. dazu oben) darüber entscheidet, welche Personen zu Beschuldigten, Zeugen, Objekten, Vorgängen etc. in Verbindung zu setzen sind.

Eine KI soll sodann im Internet nach Bildaufnahmen dieser Personen suchen und das auf diese Weise gefundene Bildmaterial dann wiederum in polizeiliche Datenbanken einspeisen und so für künftige Datenanalysen und Abgleiche der KI zur Verfügung stellen.

Die KI ernährt sich auf diese Weise selbst und erzeugt ein immer weiter wachsendes Meer an Daten, in dem sich auf Dauer nur noch eine KI zurechtfinden wird. KI-gestützte Tools mögen die polizeiliche Arbeit in gewisser Weise erleichtern, dies allerdings auf Kosten von Transparenz und Nachprüfbarkeit und damit elementaren Grundsätzen unseres Rechtsstaats.

Aus den Diskussionen um Clearview und dem umstrittenen Pilotprojekt am Berliner Südkreuz vor einigen Jahren wissen wir zudem, wie unzulänglich Gesichtserkennungs-KI funktioniert. Die Software ist nicht treffsicher und meldet „False Positives“ am laufenden Band.

Unbescholtene Bürgerinnen und Bürger müssen daher befürchten, von „der KI“ „erkannt“ zu werden und in den Verdacht schwerer Straftaten zu geraten. Auch dies darf man in einem Rechtsstaat nicht durch neue Gesetze fördern.

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat den Plänen seiner Kabinettskollegin zunächst eine klare Absage erteilt und von einem „Tabubruch“ gesprochen. Nach den jüngsten Kabinettsbeschlüssen im Schatten von Solingen scheint sich jedoch die Innenministerin weitgehend durchzusetzen.

So wird es ein weiteres Mal geschehen, dass das Bundesverfassungsgericht einer BKA-Reform die rote Karte zeigt. Verfassungsbeschwerde garantiert.


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