Bundeskanzler Olaf Scholz oder doch Verteidigungsminister Boris Pistorius? Wer die SPD in den anstehenden Bundestagswahlkampf führen wird, ist noch keine ausgemachte Sache. Gerhard Schröder stört das. Der Altkanzler warnt.
Die Grünen gehen mit Robert Habeck ins Rennen, die Union wird von Friedrich Merz angeführt, die AfD setzt auf Alice Weidel und die FDP wird wohl ihrem Parteichef Christian Lindner vertrauen, wenn im Februar ein neuer Bundestag gewählt wird. Bei der SPD wollen sie sich indes noch nicht auf einen Spitzenkandidaten für die Neuwahlen einigen, die durch eine verlorene Vertrauensfrage von Kanzler Scholz am 16. Dezember nötig werden sollen.
Das fehlende klare Bekenntnis seiner Partei zu Scholz treibt nun Gerhard Schröder auf die Palme: "Jede Debatte über einen amtierenden Bundeskanzler, den man nicht austauschen kann, schadet allen", sagte der Altkanzler der "Süddeutschen Zeitung". "Die Partei kann doch nicht den eigenen Bundeskanzler demontieren."
Schröder, der einst selbst nach einer verlorenen Vertrauensfrage und anschließenden Neuwahlen aus dem Amt schied, attestiert Scholz, unter schweren Bedingungen einen "guten Job" zu machen. Dennoch werden parteiintern die Stimmen lauter, dass eine Kanzlerkandidatur von Boris Pistorius für die bei deutlich unter 20 Prozent dümpelnden Sozialdemokraten erfolgversprechender sei. Der Verteidigungsminister ist der beliebteste Spitzenpolitiker des Landes.
Nach übereinstimmenden Medienberichten will sich die Parteispitze um die Vorsitzenden Esken und Klingbeil noch am Abend zur parteiinternen K-Frage beraten.
"Scholz ist der Richtige"
Unter anderem Thüringens SPD-Landesvorsitzender Georg Maier ist jüngst von Scholz abgerückt. "In der Bevölkerung wird Scholz aber für das Scheitern der Ampel mitverantwortlich gemacht, ohne dass er das zu verschulden hätte. Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, ob aus Sicht der Partei ein Wechsel bei der Kanzlerkandidatur nicht besser wäre", so Maier. "Das sage ich in größter Hochachtung vor Olaf Scholz. Aber das Wohl der Partei muss immer vorgehen." Am Sonntag hatten sich erstmals zwei Bundestagsabgeordnete aus der SPD-Fraktion für Pistorius als Kanzlerkandidaten ausgesprochen.
Für Scholz sprechen sich allerdings prominente Wegbegleiter aus: Innenministerin Nancy Faeser und Gesundheitsminister Karl Lauterbach positionierten sich sehr deutlich im "Team Scholz", auch die beiden Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil lassen keinen Zweifel daran, mit Scholz ins Rennen gehen zu wollen. Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, die auch stellvertretende Parteivorsitzende ist, sagte dem "Stern": "Die SPD stellt den Kanzler, das ist eine große Chance. Deshalb ist Olaf Scholz der natürliche und richtige Kanzlerkandidat."
"Werde einen Teufel tun"
Während Scholz deutlich machte, die Partei in den kurzen Wahlkampf führen zu wollen, hielt sich Pistorius bisher bedeckt zu eigenen Ambitionen: "Da ich erstens ein zutiefst loyaler Mensch bin, zweitens in meiner Lebensplanung nie drinstand, Verteidigungsminister zu werden oder gar Bundeskanzler, werde ich 'nen Teufel tun und mir jetzt sagen: Ich mache das, ich trete jetzt an. Nein, das werden Sie von mir nicht hören. Ich bin Parteisoldat", sagte Pistorius auf einer Veranstaltung in Passau.
Altkanzler Schröder ist sich sicher: Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius mache seine Sache sehr gut und sei sicher geeignet für das Amt, aber man müsse die Konsequenzen der öffentlichen Kandidatendebatte bedenken. "Es werden beide dadurch beschädigt", sagte Schröder.