Die Ukraine kann mittlerweile westliche Raketen wie ATACMS und Storm Shadow auf russisches Gebiet einsetzen. Einen weiteren Fortschritt für die Verteidigungsfähigkeit würde es bedeuten, wenn Kiew über ausreichend Waffen mit noch größerer Reichweite verfügt. Nun gibt es neue Informationen zum Raketenprogramm.
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat in seiner abendlichen Videoansprache angedeutet, dass die Ukraine bald Langstreckenwaffen aus eigener Produktion einsetzen könnte. "Die ukrainische Verteidigungsindustrie wächst, und bald wird es mehr von unseren Langstreckenfähigkeiten geben", sagte er.
Stunden zuvor hatte Selenskyj auf Telegram geschrieben, die Ukraine lege ein besonderes Augenmerk auf ihr Raketenprogramm. "Entwicklung, Aufträge und Lieferung standen im Fokus", teilte der Präsident mit. "Es gab Berichte über die Erprobung neuer Raketentypen. Ein Dank gebührt unseren ukrainischen Raketenentwicklern. Wir beschleunigen die Produktion." Im August hatte Selenskyj verkündet, dass die Ukraine zum ersten Mal eine ballistische Rakete aus eigener Produktion erfolgreich getestet habe.
Oleksandr Kamyshin, ein freiberuflicher strategischer Berater von Präsident Selenskyj, sagte dem "Wall Street Journal" im November, dass eines der Hindernisse für das ukrainische Raketenprogramm der Mangel an finanziellen Mitteln sei. Laut Douglas Barry, einem militärischen Luftfahrtexperten, sind ballistische Raketen besonders teuer in der Herstellung, da sie aus Materialien bestehen, die sehr hohen Temperaturen standhalten müssen.
Dem ukrainischen Raketenprogramm kommt eine hohe Bedeutung zu, da die Ausstattung aus dem Westen mit Waffen höherer Reichweite nicht ausreichend ist. Die Ukraine hat mittlerweile die Erlaubnis aus den USA, Frankreich und Großbritannien für Angriffe auf russisches Gebiet mit ATACMS, Storm Shadow und dem französischen Pendant SCALP bekommen, bislang gab es jedoch nur wenige Attacken. Möglicherweise hat Kiew nur einige Exemplare in Besitz und muss diese sehr gezielt einsetzen.
Warten auf den Taurus
Bei den Storm Shadow wird von rund 250 Kilometern Reichweite ausgegangen. Da die Marschflugkörper aus Sicherheitsgründen in der Regel weiter weg von der Front abgefeuert werden müssen, ist die Reichweite in Richtung russisches Gebiet jedoch geringer. Russland soll Luftstreitkräfte in Anbetracht der Gefahr weiter ins Hinterland verlegt haben.
Die Ukraine wünscht sich seit langer Zeit den Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern aus Deutschland, um militärische Ziele noch tiefer in Russland angreifen zu können. Der Taurus hat eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Erst beim kürzlichen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Kiew hatte Selenskyj bekräftigt, die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern könne helfen, mehr militärische Ziele in Russland zu treffen.