Nach einer Amnestie im Juli lässt der belarussische Diktator Lukaschenko wieder eine Gruppe politischer Häftlinge frei. Mehr als 1400 bleiben aber weiter hinter Gittern. Von den bekanntesten von ihnen fehlt seit mehr als 18 Monaten jedes Lebenszeichen. Angehörige wissen nicht einmal, ob sie noch am Leben sind.
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat 30 politische Gefangene begnadigt, die im Zusammenhang mit pro-demokratischen Massenprotesten vor vier Jahren verurteilt worden waren. Laut einer Erklärung der Präsidentschaft erhielten 14 Frauen und 16 Männer durch Dekret ihre Begnadigung. Namen wurden keine genannt. Derweil bleiben mehrere der prominentesten inhaftierten Oppositionspolitikern weiter vermisst. Von einigen von ihnen fehlt seit mittlerweile anderthalb Jahren jedes Lebenszeichen.
Einige der nun Begnadigten seien "schwer erkrankt", während andere "im Rentenalter" seien, hieß es weiter. Alle hätten "sich zu ihrer Schuld bekannt" und würden ihre Taten "zutiefst" bereuen. Die Begnadigung ermögliche es diesen Personen, "sich vor dem Staat und der Gesellschaft zu rehabilitieren", hieß es weiter.
Der belarussische Diktator Lukaschenko ließ die Proteste gegen die nachweislich gefälschte Wahl im August 2020 gewaltsam unterdrücken, die Opposition wird seitdem massiv verfolgt. Über 30.000 Menschen wurden seit der Wahl festgenommen. Viele davon wurden gefoltert und misshandelt. Mehrere Menschen starben hinter Gittern. Seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine werden auch Kriegsgegner verfolgt. Im Krieg gegen die Ukraine ist Lukaschenko, der Belarus seit mehr als 30 Jahren mit harter Hand regiert, einer von Wladimir Putins wichtigsten Verbündeten.
Lukaschenko "begnadigt" krebskranken Herausforderer
Heute zählt die Menschenrechtsorganisation "Wjasna" mehr als 1400 politische Häftlinge in Belarus, die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher. Zehntausende, vor allem junge und gut gebildete Menschen waren gezwungen, das Land zu verlassen. Einer der politischen Gefangenen ist der "Wjasna"-Gründer und Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki. Er war 2021 festgenommen und im März 2023 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.
Nach Angaben von "Wjasna" wurden bereits am 3. Juli 18 politische Gefangene durch Amnestie oder Begnadigung freigelassen. Unter ihnen befanden sich 4 Frauen und 14 Männer, darunter auch der an Krebs erkrankte Oppositionspolitiker Ryhor Kastusiou, der Lukaschenko bei der Präsidentschaftswahl 2010 herausforderte und bereits danach mehrere Jahre im Gefängnis verbrachte.
Maria Kolesnikowa seit Not-OP in Haft verschwunden
Hunderte politische Gefangene bleiben weiterhin hinter Gittern. Berichten der ehemaligen Häftlinge zufolge werden sie unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten. Politische Gefangene werden geschlagen und gefoltert, zudem werden sie mit gelben Aufnähern markiert, hatte Aktivistin Tatsiana Khomich, die Schwester der inhaftierten Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa, im März im ntv.de-Interview erklärt. "Sie werden häufiger als andere Häftlinge kontrolliert und oft wegen kleinster Verstöße in die Strafzelle geworfen", sagt sie.
Ihre Schwester, Maria Kolesnikowa, war 2020 zunächst Stableiterin des aussichtsreichen Oppositionskandidaten Wiktor Babariko. Nach seiner Inhaftierung bildete sie zusammen mit Swetlana Tichanowskaja und Weronika Tsepkalo ein Trio und forderte Diktator Lukaschenko heraus. Im September 2020 wurde sie vom Geheimdienst KGB verschleppt und später zu elf Jahren Haft verurteilt. Wenige Wochen nach einer Not-OP hinter Gittern verschwand Kolesnikowa im Februar 2023 spurlos. Die Behörden "sagen nicht einmal, wo sie ist und unter welchen Bedingungen sie gefangen gehalten wird. Wir wissen nicht, wie es ihr geht und ob sie überhaupt noch lebt", sagte Khomich im ntv.de-Interview im März.
Auch über andere prominente Oppositionelle wie Wiktor Babariko, Sergej Tichanowski, Mikola Statkewitsch oder Maxim Snak gibt es seit inzwischen mehr als 18 Monaten keine Informationen mehr.