Vor 25 Jahren starb mit Diether Krebs ein extrem wandlungsfähiger Schauspieler und radikaler Wegbereiter der deutschen TV-Comedy.
Während seiner Karriere brillierte der Schauspieler Diether Krebs (1947-2000) in den unterschiedlichsten Metiers, Meilensteine setzte er jedoch als Pionier der deutschen Fernseh-Comedy in schrillen Formaten wie "Ein Herz und eine Seele" und "Sketchup". Als er vor 25 Jahren, in der Nacht vom 4. auf den 5. Januar 2000, im Alter von nur 52 Jahren an Lungenkrebs starb, war die Betroffenheit groß - von diesem wandlungsfähigen Multitalent hätte man auch im soeben angebrochenen neuen Jahrtausend gerne noch mehr gesehen. Denn für sein Publikum gab der Schauspieler immer alles - und stand noch wenige Tage vor seinem Tod beharrlich auf der Bühne.
Sein schauspielerisches Handwerk erlernte der 1947 in Essen geborene Darsteller an der dortigen Folkwang-Hochschule. Sein erstes Engagement erhielt er 1970 am Theater Oberhausen, später feierte er unter dem Star-Regisseur Peter Zadek (1926-2009) in Bochum Erfolge. Doch bereits Anfang der 1970er wandte er sich zunehmend dem Fernsehen zu und wurde ab 1973 durch seine Rolle des lässigen Schwiegersohns Michael Graf in der ersten deutschen Sitcom "Ein Herz und eine Seele" schlagartig einem großen Publikum bekannt.
Zum Publikumsliebling mit "Ein Herz und eine Seele"
In die Sendung geriet er über private Kontakte - seine damalige Freundin Hildegard Krekel (1952-2013) war bereits für die Rolle von Michaels Ehefrau gecastet und schlug ihn den Produzenten vor. Zu den Besonderheiten der Sitcom zählten zotige Gags und ein derber Umgangston. Insbesondere die ideologischen Scharmützel zwischen dem "Sozi"-Schwiegersohn und dem reaktionären Familienoberhaupt Alfred Tetzlaff (Heinz Schubert, 1925-1999) mit Bezügen auf die aktuelle politische Lage stellten im deutschen Fernsehen seinerzeit eine absolute Neuheit dar.
Als Krebs nach nur einem Jahr das erfolgreiche Format gemeinsam mit der "Ekel Alfred"-Gattin Elisabeth Wiedemann (1926-2015) wieder verließ, stellte er erstmals seine künstlerische Kompromisslosigkeit unter Beweis, mit der er in seiner weiteren Karriere noch des Öfteren anecken sollte. Wie unter anderem der "Spiegel" berichtete, stieg der frischgebackene Publikumsliebling aus der Serie aus, als der WDR begann, die Drehbücher auf mutmaßliches Drängen der damals regierenden SPD zu "entschärfen".
Ab 1978 betätigte Dieter Krebs sich für eine Weile im Krimi-Ressort, wo er sein komisches Talent in kleinerer Dosierung bis 1986 als knorriger Kriminalobermeister Dieter Herle in der TV-Serie "SOKO 5113" ausleben konnte. Seine größten Erfolge sollte er jedoch ab Anfang der 1980er-Jahre wieder im Comedy-Bereich feiern.
Zwischen 1981 und 1984 gehörte er mit seiner Kollegin Beatrice Richter (76) zur Stammbesetzung von Rudi Carrells (1934-2006) "Tageschau"-Persiflage "Rudis Tagesshow". Als ihm und Richter 1984 überraschend eine eigene Fernseh-Show angeboten wurde, ließen die beiden diese Chance - sehr zum Leidwesen Carrells - nicht ungenutzt.
"Sketchup" - Pionierarbeit für deutsche TV-Comedy
Das neue Format mit dem Namen "Sketchup" war perfekt auf die beiden komischen Talente zugeschnitten und überzeugte mit einer humoristischen Radikalität, die bis heute im deutschen Fernsehen unerreicht geblieben ist. "Sketchup" präsentierte dem Publikum in jeder Folge ein Feuerwerk gespielter Witze, in denen die Darsteller in grotesk überzeichneter Kostümierung das Leben kleinbürgerlicher Klischee-Figuren persiflierten.
In ihrer Show bewiesen Diether Krebs und Beatrice Richter, die ab 1985 von Iris Berben (74) abgelöst wurde, einen geradezu spektakulären Mut zur Hässlichkeit. Für jeden noch so kurzen Sketch wurden sie in der Maske so lange mit Gebissen, künstlichen Nasen, Perücken und dickwandigen Brillen ausgestattet, bis schon der erste Anblick unweigerlich zu Lachern führen musste - eine Tradition, die später vor allem von Hape Kerkeling (60) eindrucksvoll fortgeführt werden sollte.
Überkommene Rollenbilder der Lächerlichkeit preisgegeben
Die mitunter an absurde Blödelei grenzenden Sketche der Show nahmen mit bissigem Humor immer wieder überkommene männliche Rollenbilder ins Visier. Diether Krebs liebte es, großspurige und anzügliche Ekelpakete zu spielen, die in der Schlusspointe dann gnadenlos der Lächerlichkeit preisgegeben wurden. Auch seine Show-Partnerinnen schlüpften zu diesem Zweck immer wieder in eine männliche Kostümierung.
Die Macher dieser ersten deutschen Sketch-Comedy-Show gingen bis an die Grenzen des guten Geschmacks - und nicht selten darüber hinaus. Am Folgetag der Ausstrahlung waren die schrägsten Auswüchse der jeweiligen Folge seinerzeit fester Bestandteil der Gesprächsthemen des bundesrepublikanischen Fernsehvolkes. Zwischen 1984 und 1986 revolutionierte "Sketchup" die deutsche TV-Landschaft und eröffnete dem späteren Comedy-Boom der 1990er eine breite Schneise neuer Möglichkeiten.
Konsequenter Ausstieg wegen Humor-Zensur
Auf diesem Höhepunkt seines Ruhmes stieg der prinzipientreue Diether Krebs zusammen mit seiner Partnerin Iris Berben überraschend aus dem Erfolgsformat aus. Wie Berben 2022 in der TV-Doku "Diether Krebs - Der Größte" schildert, wurde damals zunehmend von empörten Berufsverbänden und Politikern Druck auf die Produktion ausgeübt, was dazu geführt habe, dass die Auswahl der Sketche plötzlich spürbar "vorzensiert" wurde. Dass sie und Krebs daraufhin prompt ihren Ausstieg verkündeten, habe den produzierenden Bayerischen Rundfunk dann kalt erwischt.
In den folgenden Jahren konnte Diether Krebs nicht mehr an die glanzvollen Höhepunkte seiner bisherigen Comedy-Karriere anknüpfen. Seine neue Sketch-Show "Voll daneben - Gags mit Diether Krebs", mit der er 1990 neu durchstartete, war nur ein mäßiger Erfolg und wurde nach sechs Folgen wieder aus dem Programm genommen. Als größter Fehlschlag seiner Laufbahn erwies sich jedoch das kurzlebige RTL-Format "R.O.S.T. - Die-Diether-Krebs-Show", das 1993 beim Publikum gnadenlos floppte.
Spätes Kino-Comeback mit "Bang Boom Bang"
In der Folge verlegte sich Krebs zunehmend auf humoristische Bühnenprogramme, in der er mitunter bei "Sketchup" etablierte Charaktere weiter fortführte. Zudem trat er in weniger komisch angelegten Rollen in TV-Serien wie "Polizeiruf 110", "Unser Lehrer Doktor Specht" oder dem "Großstadtrevier" in Erscheinung. Einen letzten großen Achtungserfolg landete er, bereits von seinem Lungenkrebsleiden gezeichnet, im Jahr 1999 mit seiner Rolle des zwielichtigen Spediteurs Werner Kampmann in der Ruhrpott-Actionkomödie "Bang Boom Bang".
Wie Krebs' Sohn Moritz (45) der "Westdeutschen Allgemeinen" berichtete, lehnte es sein Vater auch nach der Diagnose auf unheilbaren Lungenkrebs ab, sich von der Krankheit unterkriegen zu lassen. Auch während seiner Chemotherapien stand Diether Krebs, ohne ein einziges Haar am Körper, unbeirrbar mit seinem Solo-Programm auf der Bühne. Seinen letzten Auftritt absolvierte er drei Tage vor seinem Tod. "Er war wirklich ein Dickkopf", so der Sohn. - Ein Dickkopf, der nicht nur von ihm weiterhin schmerzlich vermisst wird.