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10 Jahre im Folter-Gefängnis: Ex-Saidnaja-Häftling: "Ich habe Menschen sterben sehen"



In den 1990er Jahren geht Riyad Avlar zum Studieren nach Syrien. Dort wird er verhaftet. Die nächsten 20 Jahre verbringt er in Gefängnissen, darunter in der berüchtigten Anstalt Saidnaja. Jetzt berichtet er von den traumatischen Erlebnissen dort und verrät, wie es ihm gelang, wieder ins Leben zurückzufinden.

Riyad Avlar war 20 Jahre in syrischen Gefängnissen eingesperrt, zehn davon in der berüchtigten Folter-Anstalt Saidnaja. Die unmenschliche Haft prägt bis heute Avlars Leben. Geblieben sind Albträume und Narben, aber auch der brennende Wunsch nach Gerechtigkeit und Heilung. "Ich bin mir sicher, dass wir Baschar al-Assad eines Tages vor Gericht sehen werden", sagt er. Avlar stammt aus der Türkei. In den 1990er Jahren ging er zum Studieren nach Damaskus. Dort geriet er in die Fänge des Machtapparats: 1996 wurde er verhaftet, weil er Verwandten in einem Brief über die Misshandlungen in syrischen Gefängnissen berichtet hatte. Von da an erlitt er sie am eigenen Leib.

Noch heute schreckt Avlar nachts manchmal auf und glaubt, er sei immer noch in der stockfinsteren Zelle, in der er zwei Monate festgehalten wurde. "Ich habe Menschen sterben sehen, viele davon sind verhungert", erzählt der Mann mit der schwarzen Brille und dem grauen Bart. Oft hätten die Wachen Essensreste vor den Augen der hungernden Häftlinge in die Toilette geworfen. "Die Gefangenen haben sie gegessen, um zu überleben." Am linken Handgelenk hat Avlar eine Narbe - eine der Spuren der Folter vor 25 Jahren. 2017 kam er schließlich frei. Wenige Monate später gründete er gemeinsam mit anderen die Vereinigung der Gefangenen und Vermissten des Saidnaja-Gefängnisses (ADMSP). "Wir wollen keine Rache, wir wollen Gerechtigkeit", sagt Avlar am Sitz der Vereinigung in Gaziantep im Südosten der Türkei. Dort sammeln er und andere ehemalige Häftlinge Zeugenaussagen und Dokumente über die Gräueltaten in Saidnaja.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnet das Gefängnis nördlich von Damaskus als "Schlachthaus für Menschen". Als die Rebellen am Sonntag die Hauptstadt eroberten, befreiten sie tausende Gefangene, von denen manche seit den 1980er Jahren in Saidnaja inhaftiert waren. Die Bilder von abgemagerten Häftlingen gingen um die Welt und wurden zum Symbol für den Sturz von Langzeitherrscher Assad. Manche waren so schwach, dass Mitgefangene sie aus ihren Zellen tragen mussten. "Es hat mich so glücklich gemacht, sie frei zu sehen", sagt Avlar. "Aber als ich die Mauern und Zellen sah, hat mich das wieder an diesen Ort zurückversetzt. Ich bin immer noch traumatisiert." Theaterspielen und das Erlernen der Saz, einer in der Türkei beliebten Langhalslaute, halfen Avlar dabei, wieder ins Leben zurückzufinden. Auch das Engagement in der Vereinigung der Saidnaja-Häftlinge gab ihm Kraft.

Tausende Häftlinge noch vermisst

Vielen Familien konnte der Aktivist mit seinen Recherchen helfen, indem er herausfand, dass ihre Angehörigen in Saidnaja noch am Leben sind. Die Organisation erhielt von Gefängnisangestellten heimlich Dokumente, sagt Avlar, ohne Details zu nennen. Nachdem die Rebellen die Türen geöffnet hatten, strömten Scharen von Menschen nach Saidnaja, in der Hoffnung, ihre Väter, Männer und Söhne dort wiederzufinden. Jetzt steht das Foltergefängnis leer. ADMSP zufolge kamen etwa 4000 Häftlinge frei, tausende weitere werden aber noch vermisst. Die Vereinigung schätzt, dass zwischen 2011 und 2018 mehr als 30.000 Gefangene in Saidnaja hingerichtet wurden oder durch Folter, mangelnde medizinische Versorgung oder an Unterernährung starben.

Da es nicht genügend Kühlräume gab, richtete das Gefängnis Kammern mit Salz als behelfsmäßige Leichenhallen ein, um die vielen Toten aufzubewahren. Auch wenn Assads Gewaltherrschaft nun zu Ende ist, will Avlar nicht nach Damaskus zurückkehren, die Erinnerung an das Grauen dort ist zu präsent. Aber er wünscht sich, dass "Saidnaja eines Tages zu einem Ort der Erinnerung wird". "Ich bin so froh, dass es dort keinen einzigen Gefangenen mehr gibt", sagt Avlar. "Und ich hoffe, dass es nie wieder einen geben wird."

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