Die Verluste Russlands in der Ukraine steigen. Der Kreml braucht ständig neue Soldaten. Dazu werden nun immer mehr ausländische Rekruten in den Kampf geschickt. Nach tausenden Nordkoreanern sollen einem Bericht zufolge auch rund 200 Männer aus dem Jemen rekrutiert worden sein, jedoch nicht alle freiwillig.
Russlands Streitkräfte haben Hunderte Jemeniten rekrutiert, um in der Ukraine zu kämpfen. Dahinter soll eine undurchsichtige Schleuseraktion stecken, die die wachsenden Verbindungen zwischen Moskau und der Huthi-Miliz deutlich macht. Das berichtet die "Financial Times". Jemenitische Männer, die nach Russland reisten, sagten der Zeitung, dass ihnen hohe Gehälter und sogar die russische Staatsbürgerschaft versprochen wurden. Als sie mithilfe einer mit der Huthi-Miliz verbundenen Firma ankamen, seien sie "zwangsweise in die russische Armee aufgenommen und an die Front in der Ukraine geschickt" worden.
Der US-Sondergesandte für den Jemen, Tim Lenderking, bestätigte der Zeitung, dass Russland aktiv Kontakte zu den Huthis unterhält und Waffentransfers erörtert, wollte sich jedoch nicht näher dazu äußern. "Wir wissen, dass sich russisches Personal in Sanaa befindet, das dabei hilft, diesen Dialog zu vertiefen", sagte er. "Die Arten von Waffen, die diskutiert werden, sind sehr beunruhigend und würden es den Huthis ermöglichen, Schiffe im Roten Meer und möglicherweise darüber hinaus besser anzugreifen."
Auch Maged Almadhaji, Leiter des Sana'a Center for Strategic Studies, einer auf den Jemen ausgerichteten Denkfabrik, sagte der Zeitung zufolge, Russland habe Interesse "an jeder Gruppe im Roten Meer oder im Nahen Osten, die den USA feindlich gesinnt ist". Er sagte, die Söldner würden von den Huthis organisiert, um Verbindungen zu Russland aufzubauen.
Laut Farea al Muslimi, einem Experten für die Golfregion bei Chatham House, haben nur wenige der jemenitischen Söldner eine Ausbildung und viele wollen gar nicht dort sein. "Eine Sache, die Russland braucht, sind Soldaten, und es ist klar, dass die Huthis (für sie) rekrutieren", sagte Muslimi. "Der Jemen ist ein ziemlich leichtes Pflaster für Rekruten. Es ist ein sehr armes Land."
Ohne militärische Ausbildung rekrutiert
In den von den Jemeniten unterzeichneten Verträgen, die der "Financial Times" vorliegen, ist ein von Abdulwali Abdo Hassan al-Jabri, einem prominenten Huthi-Politiker, gegründetes Unternehmen aufgeführt. Das in Salalah (Oman) eingetragene Unternehmen Al Jabri ist den Registrierungsunterlagen zufolge ein Reiseveranstalter und Einzelhandelslieferant für medizinische Geräte und Arzneimittel.
Die Rekrutierung von jemenitischen Soldaten scheint bereits im Juli begonnen zu haben. Ein Rekrutierungsvertrag sei auf den 3. Juli datiert und wurde vom Leiter eines Auswahlzentrums für Vertragssoldaten in der Stadt Nischni Nowgorod gegengezeichnet. Ein Rekrut, die "Financial Times" nennt ihn Nabil, habe mit der Zeitung Textnachrichten ausgetauscht. Er habe geschätzt, dass er zu einer Gruppe von rund 200 Jemeniten gehörte, die im September nach ihrer Ankunft in Moskau in die russische Armee einberufen wurden.
Während einige von ihnen erfahrene Kämpfer seien, sollen viele keine militärische Ausbildung gehabt haben. Sie seien mit einem Trick dazu gebracht worden, nach Russland zu reisen und unterschrieben Einberufungsverträge, die sie nicht lesen konnten, sagte er.
Nabil habe die Zeitung darum gebeten, dass sein richtiger Name nicht genannt werde. Er habe gesagt, er sei mit Versprechungen lukrativer Arbeit in Bereichen wie "Sicherheit" und "Ingenieurwesen" gelockt worden, in der Hoffnung, genug zu verdienen, um sein Studium abzuschließen. Einige Wochen später versteckte er sich mit vier anderen kürzlich angekommenen Jemeniten in einem Wald in der Ukraine, gekleidet in Militäruniformen mit russischen Abzeichen, die Gesichter mit Tüchern verhüllt.
"Es war alles eine Lüge"
Abdullah, ein weiterer Jemenit, der darum bat, dass sein richtiger Name nicht veröffentlicht wird, sagte, dass ihm ein Bonus von 10.000 Dollar und 2.000 Dollar pro Monat sowie die russische Staatsbürgerschaft versprochen worden seien. Er habe angenommen, in Russland bei der Herstellung von Drohnen zu arbeiten. Als er im September in Moskau ankam, sei seine Gruppe gewaltsam vom Flughafen zu einer Einrichtung in einem Ort fünf Stunden von Moskau entfernt gebracht worden.
Dort seien sich gezwungen worden, ein in russischer Sprache abgefassten Anwerbungsvertrag zu unterzeichnen. "Ich habe ihn unterschrieben, weil ich Angst hatte", sagte er.
Sie wurden dann in Busse in die Ukraine verfrachtet, erhielten eine rudimentäre militärische Ausbildung und wurden auf einen Militärstützpunkt in der Nähe von Rostow, nahe der ukrainischen Grenze, geschickt. Viele der ursprünglichen Ankömmlinge starben in der Ukraine, so Abdullah, und wurden von "Betrügern, die mit Menschen handeln" in den Krieg gebracht. "Es war alles eine Lüge."