1 month ago

Zum Wochenende: Freie Zwei-Klassen-Projekte



In der Welt der Freien Software Projekte heißt es immer: Beiträge aller Art sind willkommen. Doch ist das wirklich so? Hat eine große Community auch Nachteile?

Hinweis: Dies ist ein Meinungsartikel. Ich stelle bewusst eine These auf, ohne diese zu belegen. Das ganze soll lediglich zum Nachdenken anregen. Auch werde ich keine Beispielprojekte nennen, um niemanden an den Pranger zu stellen.

In Software-Projekten gibt es die verschiedensten Arbeiten zu erledigen. Sei es Code zu produzieren, Dokumentation oder Übersetzungen anzufertigen oder Arbeit an Themen wie Design, UI, UX oder auch Marketing. Die Aufgaben sind so vielfältig, dass unwahrscheinlich ist, dass eine einzelne Person sich in allen Bereichen gut auskennt.

In der "heilen" Welt der Freien Software wird diese unterschiedliche Arbeit von unterschiedlichen Freiwilligen übernommen. Jede/r ist willkommen, mit anzupacken und das Projekt voranzubringen. Selbst wenn die Arbeit nur darin besteht, Ideen, Anregungen oder Verbesserungsvorschläge einzureichen, ohne selbst Hand anzulegen, sind die Projekte dankbar für jeglichen Input. Als beitragende Person fühlt man sich willkommen und erfährt Wertschätzung.

Nun, ich kenne viele Projekte, in denen das genau so läuft. Darunter würde ich auch meine eigenen zählen. Diese Projekte werden meist von einzelnen Personen oder kleinen Teams weiterentwickelt und haben eine überschaubare Nutzerzahl bzw. Community. Natürlich gibt es hier auch Ausnahmen. Seien es verwaiste Projekte oder Einzelkämpfer:innen, die sich absolut nicht in ihr Projekt "reinreden" lassen wollen. Aber das sind, wie gesagt, zumindest in meiner Wahrnehmung, eher die Ausnahmen.

Aber dann gibt es halt noch diese andere Klasse von Projekten. In meinen Augen sind dies meist größere Projekt, hinter denen eine größere Community steht und die in der Regel von mehreren Personen maßgeblich vorangetrieben wird. Häufig auch getrieben durch eine oder mehrere Organisationen, die Zeit und Geld investieren. Dort stößt man meist eben nicht mehr auf diese Willkommens-Kultur. Eingebrachte Vorschläge oder auch abgegebene Arbeit wird nicht wirklich Wert geschätzt. Als (neue) beitragende Person geht man als kleiner Fisch im Teich unter oder bekommt sogar Gegenwind. Punkte werden ewig diskutiert oder ohne (gute) Begründung einfach abgelehnt. Auch finden sich häufig Arroganz und/oder Überheblichkeit im Unterton oder auch ganz direkt in den Antworten wieder. Ob begründet oder nicht, es werden freiwilligen Helfern einfach Steine in den Weg gelegt. Das ist nicht nur frustrierend, sondern kann dem Projekt schaden, wenn dadurch engagierte und fähige Personen abgeschreckt werden. Im Endeffekt schadet es sogar der ganzen Szene rund um Freie Software, wenn solch ein Verhalten seine Schatten wirft und dadurch den Projekten, die auf freiwillige Mitarbeit angewiesen sind, die Unterstützung ausbleibt.

Mir ist durchaus bewusst, dass es bei größeren Projekten mehrere Faktoren gibt, die schlussendlich zu diesem Ergebnis führen. Ab einer gewissen Größe kann ich absolut nachvollziehen, dass es sinnvoll ist, eine fokussierte Roadmap zu haben und auch die Organisation im Projekt hierarchisch zu gestalten. Bei einer großen Nutzerzahl wird es wohl auch nötig, einige Qualitätsanforderungen und andere Regeln festzulegen. Das alles sind Dinge, die den Einstieg in ein Projekt erschweren. Muss dies aber zwangsläufig zu einer elitären Kultur führen? Lässt sich nicht trotzdem auf Augenhöhe miteinander kommunizieren? Selbst wenn ein Vorschlag mal nicht ins Konzept oder zu festgelegten Regeln passt, so lässt sich dies doch in einem anständigen Ton erläutern. Ich bin der Meinung, dass dies das Minimum an Respekt ist, was dem/der Freiwilligen entgegengebracht werden muss. Ein nettes Wort zum Dank würde das Ganze dann noch abrunden. Da ist die Energie doch besser aufgehoben als in endlosen Diskussionen über Details. Dies gilt sicherlich auch für andere Projektarten im Freien Kontext, nicht nur für Software.

Es gibt natürlich nicht nur Ausnahmen bei den kleinen Projekten. GNU/Linux.ch würde ich zum Beispiel als sehr einladendes Projekt sehen, wo Mitarbeit hochgeschätzt wird, obwohl hier eine größere Community dahintersteht und auch schon organisatorische Maßnahmen (CORE-Team, ...) und Regeln definiert wurden. In der Historie finden wir aber auch Projekte, die viele Gemeinsamkeiten mit GNU/Linux.ch haben oder hatten, bei denen aber genau der oben beschriebene Effekt eingetreten ist.

Mich würde interessieren, wie ihr das seht. Habt ihr einen ähnlichen Eindruck und ähnliche Erfahrungen gemacht? Bin ich da bisher nur an die falschen Projekte geraten und die Realität sieht ganz anders aus? Habt ihr Ratschläge für freiwillige Helfer oder wachsende Projekte? Schreibt es gerne in die Kommentare.

Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/sonnenaufgang-bergsteigen-gletscher-840201/


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