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Zollstreit: Kanadas Zulieferer sind für US-Autos unverzichtbar



Stand: 04.02.2025 11:29 Uhr

In letzter Minute wurden US-Zölle auf Waren aus Kanada vorerst ausgesetzt. Die Folgen wären drastisch gewesen, zeigt das Beispiel der Autoindustrie. Druck auf Trump wäre vor allem aus den USA gekommen.

Martin Ganslmeier

Anders als zunächst angedroht, wird US-Präsident Donald Trump vorerst doch keine neuen Zölle auf Waren aus Kanada und Mexiko erheben. Nachdem Mexiko die Stationierung von 10.000 Soldaten an der Grenze zu den USA versprochen hatte, gaben Trump und Kanadas Premierminister Trudeau am späten Abend bekannt, dass auch sie sich auf eine engere Zusammenarbeit an der Grenze geeinigt haben. Doch eine wichtige Rolle bei der Entschärfung des Zollstreits spielte auch die nordamerikanische Autoindustrie.

Kanadische Zulieferer wissen um ihren Wert

Flavio Volpe ist Präsident der Vereinigung der kanadischen Automobil-Zulieferer. Die Unternehmen, dessen Interessen Volpe vertritt, wären am heftigsten betroffen. Dennoch sieht Volpe den nun vorerst für 30 Tage entschärften Handelskonflikt erstaunlich gelassen. Schon in Trumps erster Amtszeit hat er mit dessen Ministern verhandelt.

Kanadas Wirtschaftskraft ist zwar deutlich kleiner als die des großen Bruders im Süden. Aber Volpe sagt selbstbewusst: Die amerikanische Autoindustrie ist auf die kanadischen Zulieferbetriebe angewiesen. "Kanadische Zulieferer betreiben 156 Produktionsstandorte in 19 US-Bundesstaaten, etwa die Hälfte davon in Michigan", erklärt er. Einzelne Autoteile würden vor der Endmontage die Grenze zwischen den USA und Kanada "bis zu sieben oder acht Mal" überqueren.

Zölle würden Autos deutlich verteuern

Die Automobilindustrie in ganz Nordamerika funktioniert seit Jahrzehnten grenzüberschreitend und just-in-time, also ohne große Lagerbestände. Die Teile werden erst geliefert, wenn sie gebraucht werden.

Sowohl die US-Autohersteller als auch die kanadischen Zulieferbetriebe arbeiten mit einstelligen Profitmargen. Zölle in Höhe von 25 Prozent hätten zur Folge, dass Autoteile auf beiden Seiten der Grenze nur noch mit erheblichen Verlusten hergestellt werden können. Ein durchschnittliches Auto würde um 3.000 Dollar, ein SUV sogar um 7.000 Dollar teurer werden, rechnet Volpe vor.

"Die nordamerikanische Autoindustrie käme innerhalb einer Woche zum Erliegen", sagt er, "und es käme zu Klagen gegen die Strafzölle."

US-Industrie würde rebellieren

Nicht die kanadischen Zulieferbetriebe würden als erste klagen, betont Volpe. Sondern die großen US-Autohersteller General Motors, Ford und Chrysler. Und dabei stünden die Chancen nicht schlecht: Denn Trump kann die Zölle nur mit der Begründung einführen, die nationale Sicherheit Amerikas sei in Gefahr. Ein Argument, das vor Gericht kaum Bestand haben dürfte.

Volpe legt den Finger in die Wunde: "Wie kann ernsthaft ein in Toronto gefertigter Pick-up-Truck von General Motors ein nationales Sicherheitsrisiko für Michigan sein, wenn die Hälfte der Autoteile und 55 Prozent der Materialien in diesem GM aus Michigan kommen?"

Was will Trump eigentlich?

Der Präsident der Vereinigung der kanadischen Automobil-Zulieferer glaubt nicht, dass Trump eine solche Blamage riskieren will. Auch deshalb suche Trump nun nach einem gesichtswahrenden Ausweg.

Trumps eigentliches Ziel - da ist sich Volpe sicher - sind vorzeitige Neuverhandlungen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens USMCA. Das Abkommen hatte Trump 2018 selbst ausgehandelt und damals als das beste Handelsabkommen der Welt gefeiert. Eine Neuverhandlung ist eigentlich erst für Juli 2026 vorgesehen.

Trump will aber sofortige Nachverhandlungen. Mit dem Ziel, den US-Anteil an der nordamerikanischen Autoproduktion von derzeit 75 Prozent auf dann 85 Prozent zu erhöhen. Im Klartext: Trump will mehr Jobs in der Autoindustrie zurück in die USA holen.

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