Zerrieben zwischen Großmächten?: Das droht Europa 2025 mit Trump, Putin und Xi

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Die Europäer müssen mit einer geopolitischen Eskalationsspirale rechnen. Der künftige US-Präsident könnte sie im Stich lassen, während Russlands Präsident Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping mit den Säbeln rasseln. Es könnte aber auch alles ganz anders kommen.

2025 wird ein Schicksalsjahr für Europa. Wladimir Putins imperialistischer Feldzug wird langfristig kaum an den Grenzen der östlichen Ukraine haltmachen, auch im Fall eines zeitweise verhandelten Waffenstillstands. Zu seinen Unterstützern zählt Putin neben Nordkorea und Iran auch China. Dessen Diktator Xi Jinping greift ihm bei der Zerstörung der westlichen Weltordnung bereitwillig unter die Arme. Wirtschaftlich und sicherheitspolitisch ohnehin schon geschwächt, dräut dem alten Kontinent auch von der anderen Seite des Atlantiks her Ungemach. Dort schickt sich Donald Trump nach seinem Einzug ins Weiße Haus an, einen Handelskrieg anzuzetteln und die Europäer bei der Verteidigung ihrer Sicherheit im Stich zu lassen. Man könnte auch sagen: Er nimmt Europa in die Pflicht.

Unterdessen hinterlässt Russlands hybride Kriegsführung in Europa bereits tiefe Spuren - auch in Deutschland. "Er kennt uns gut, Putin weiß, wie er Nadelstiche bei uns setzen muss", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Cyberattacken, Spionage-Aktionen und Angriffe auf die Infrastruktur sollen für Verwirrung und Verunsicherung sorgen. Von Russland gesteuerte Troll-Netzwerke fluten das Internet mit Desinformation, um das Vertrauen in die demokratisch gewählten Regierungen zu untergraben. Mit Erfolg: Prorussische, rechtsextreme Parteien erfahren in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Aufwind, von der PVV des Niederländers Geert Wilders bis hin zum RN von Marine Le Pen in Frankreich. Putin-freundliche Positionen vertritt hierzulande die AfD; es bestehen direkte Verbindungen zwischen der Partei, Russland und der rechtsextremen Szene.

Nach dem Anschlag von Magdeburg forderte der Trump-Vertraute Elon Musk den Rücktritt von Kanzler Olaf Scholz und beschimpfte ihn auf seinem sozialen Netzwerk X als "unfähigen Narren". Dies lässt erahnen, wie sehr die Hetze im Netz noch zunehmen wird. Kurz zuvor hatte sich Musk auf X bereits als AfD-Sympathisant geoutet. Musk ist nicht nur der reichste Mann der Welt - als Berater für Regierungseffizienz soll Musk Trump dabei helfen, die Axt am Staat anzulegen. Den USA droht der Wandel hin zu einer Oligarchie, gesteuert von einer Handvoll Tech-Milliardären und einem Präsidenten, der sie gewähren lässt. Wie bedeutend Musks Rolle in seiner kommenden Amtszeit sein wird, demonstrierte Trump, als er dem Tesla-Chef im Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj den Hörer reichte.

Trump zieht NATO-Austritt "absolut" in Betracht

Trump setzte Selenskyj bereits mit seiner Ankündigung unter Druck, die Ukraine müsse "wahrscheinlich" mit weniger Hilfe aus Washington rechnen. Auch den EU-Mitgliedstaaten will Trump Angst machen mit seiner Drohung, er werde einen Austritt der USA aus der westlichen Militärallianz "absolut" in Betracht ziehen, sollten die NATO-Verbündeten sein Land nicht "fair" behandeln. Ähnlich äußerte er sich bereits in seiner ersten Amtszeit als US-Präsident. So wollte er alle Mitgliedstaaten zwingen, ihre Verteidigungsausgaben auf mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung hochzuschrauben.

Zwischen all den Drohgebärden in Richtung der Europäer kokettiert der künftige US-Präsident außerdem mit seiner angeblich guten Beziehung zu Putin. Der frohlockte erst vor wenigen Tagen, er sei "jederzeit" zu einem Treffen mit Trump bereit. Indem Trump Zweifel an seiner Loyalität gegenüber den Europäern befeuert, sorgt er ganz im Sinne Putins für mehr Verunsicherung und bereitet sowohl dem Anti-Amerikanismus als auch der Kriegsangst, die europäische Populisten schüren, einen Nährboden. Schließlich ist Desinformation auch für Trump ein beliebtes Machtinstrument - im Wahlkampf nutzte er abstruse Falschbehauptungen für Stimmenfang.

Besonders viel Unruhe stiftete Trump in Europa mit seiner Behauptung, er wolle den Krieg in der Ukraine binnen 24 Stunden beenden; noch vor seinem Amtsantritt im Januar. Die Befürchtung ist groß, Trump könnte mit einem übereilt erzwungenen Waffenstillstand Putins Diktatfrieden durchsetzen. Das würde heißen: Verzicht der Ukraine auf einen künftigen NATO-Betritt sowie die Einverleibung der teilweise besetzten vier ostukrainischen Gebiete. Es wäre ein klarer Triumph für Putin.

Von Schulden finanzierter EU-Verteidigungsfonds gefordert

Militärexperten trauen Putin zu, einen solchen Teilsieg als Verschnaufpause zu nutzen, um Russland vorzubereiten auf einen groß angelegten Angriff in Richtung Europa, bei dem auch ein Land an der NATO-Ostflanke ins Visier geraten könnte. "Spätestens Ende dieses Jahrzehnts dürften russische Streitkräfte in der Lage sein, einen Angriff auf die NATO durchzuführen", sagte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl.

Angesichts dieser Bedrohung stellt sich die Frage, wie die Europäer ihre eigene Verteidigung ausbauen, während sie zugleich die Finanzhilfen an die Ukraine aufrechterhalten und den Waffenstillstand dort militärisch absichern können - vor allem, falls auf die USA als NATO-Schutzmacht weniger Verlass ist. In der Europäischen Union werden deshalb jetzt Forderungen nach einem mehrere Hundert Milliarden Euro schweren Verteidigungsfonds laut, der aus gemeinsamen Schulden gespeist werden soll.

Zudem kursieren seit Wochen Berichte über Gespräche zwischen den Regierungen in der EU über eine gemeinsame Friedenstruppe auf ukrainischem Boden nach Ende des Kriegs. Selenskyj forderte die Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel dazu auf, sich den französischen Plänen für eine internationale Truppenpräsenz in der Ukraine anzuschließen. Pistorius hält in diesem Zusammenhang auch die Stationierung von Bundeswehr-Soldaten nach Kriegsende für möglich. Allerdings hoffen alle Beteiligten noch darauf, dass Trump die Ukraine nicht fallen lässt. Sollte er die Unterstützung doch einstellen, malte Selenskyj bereits ein düsteres Bild: "Es ist sehr schwierig, die Ukraine ohne die Hilfe der USA zu unterstützen, und genau das werden wir mit Präsident Trump besprechen, wenn er im Weißen Haus ist."

Gescheiterte Friedensgespräche wären Niederlage für Trump

Bislang sieht Trumps Plan vor, die Kriegsgegner regelrecht an den Verhandlungstisch zu zwingen. Der frühere General Keith Kellogg, der in der künftigen US-Regierung für die Ukraine zuständig sein soll, legte Trump bereits ein Konzept vor. Demnach soll die Ukraine einem Waffenstillstand zustimmen, weil ihr ansonsten die weitere Unterstützung gestrichen wird. Der Kreml soll einwilligen, weil bei Weigerung die USA die Militärhilfe für Kiew drastisch aufstocken würden.

Was aber passiert, falls Russland einerseits auf seinen aggressiven Forderungen beharrt und die Ukraine andererseits einen solchen Diktatfrieden weiter ablehnt? Das brächte Trump in eine verzwickte Lage; es würde wie eine Niederlage der USA aussehen. Um dem zu entgehen, ließe Trump sich eventuell sogar von einer "Vergrößerung der Militärhilfe" überzeugen, sagte Wolodymyr Fessenko, einer der renommiertesten Politikexperten der Ukraine, ntv.de.

Eine solche Niederlage hätte auch geopolitische Folgen, argumentierte Kaja Kallas, Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Falls die USA einen Überfall Chinas auf Taiwan fürchteten, sollten sie die EU in ihrem Kampf gegen Russlands Invasion stützen, so Kallas' Überzeugung. Denn China, Nordkorea, der Iran und Russland würden gemeinsam gegen westliche Staaten arbeiten. Gemeinsam zielten sie auf den Sturz der "regelbasierte Ordnung" der Welt.

China beschränkt bereits US-Export Seltener Erden

Und Trump will tatsächlich einen harten Kurs gegenüber China einschlagen. Das verrät ein Blick auf die Ankündigungen für seine Zollpolitik: Auf alle Importe aus der EU plant Trump einen universellen Zollaufschlag von 10 Prozent, die Einfuhren aus China sollen hingegen mit stattlichen 60 Prozent statt bislang 20 Prozent belegt werden.

Auch Kallas sieht in China einen Systemrivalen. Sie bemängelte, das "strukturelle Ungleichgewicht zwischen China und der EU" habe Peking ermutigt, Moskau in seinem Angriffskrieg zu unterstützen. China müsse die Kosten dafür zu spüren bekommen. Diese Argumente kann Kallas im Gespräch mit Trump nutzen, um ihn doch noch auf die Seite der Europäer zu ziehen.

China übt sich bereits in Drohgebärden gegenüber Trump. Zuletzt ließ die Volksrepublik die Muskeln spielen, indem sie die Ausfuhr von Gallium, Germanium, Antimon und Wolfram in die USA beendete. Die Seltenen Erden sind unverzichtbar für die Herstellung von Tech-Produkten. Im Fall einer Einnahme Taiwans könnte Peking Exportstopps für weitere wichtige Rohstoffe verhängen; sowohl gegenüber den USA als auch der EU. Die Folgen wären gravierend: Zurzeit produziert China nach Angaben der Denkfabrik Center for Strategic and International Studies 60 Prozent der Seltenen Erden weltweit, bei ihrer Verarbeitung hat es beinahe ein Monopol mit fast 90 Prozent.

Peking zieht Washington mit Militärmanöver "rote Linie"

Enorme Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hätte eine Einnahme Taiwans auch, weil der Inselstaat eine Schlüsselrolle bei der Produktion von Halbleitern einnimmt. Auf eine Export-Blockade für die Halbleiter würden westliche Staaten ihrerseits mit Sanktionen reagieren. Die Lieferketten wären unterbrochen. Das alles würde das globale Bruttoinlandsprodukt laut Bloomberg in nur einem Jahr um etwa fünf Prozent schrumpfen lassen, was fünf Billionen Dollar Verlust entspricht.

Und die Zeichen für einen Angriff Pekings auf Taipeh verdichten sich: Mitte Dezember hatten taiwanische Behörden die größten chinesischen Militärmanöver um die Insel seit Jahren gemeldet. Rund 90 Kriegsschiffe und Schiffe der Küstenwache waren demnach an den Übungen beteiligt. Einem taiwanischen Sicherheitsvertreter zufolge wollte China mit dem Manöver der neuen Regierung in den USA eine "rote Linie" ziehen.

Eine der drängendsten Fragen im kommenden Jahr wird also lauten: Wird Trump sich überzeugen lassen, Putin und Xi gemeinsam mit den Europäern in die Schranken zu weisen? Oder kommt alles ganz anders? Trumps Antwort entscheidet darüber, ob Europa 2025 verstärkt auf sich allein gestellt sein wird - in einer Welt, die durch geopolitische Spannungen immer unberechenbarer geworden ist.

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