Seit Samstag ist Elon Musks Kurznachrichtendienst X in Brasilien gesperrt. Musk rüstet derweil verbal auf. Darunter leiden ausgerechnet seine Kunden.
Es war eine Standard-Anfrage, die den Stein ins Rollen brachte: Der Kurznachrichtendienst X solle doch bitte die Konten von knapp 140 Extremisten sperren, bat die Regierung von Brasilien. Und biss sich an Elon Musk die Zähne aus. Denn der verweigerte selbst nach Millionenstrafen. Nun droht der Konflikt die nächste seiner Firmen hineinzuziehen. Am Ende könnte er vielen brasilianischen Kunden den kompletten Zugang zum Internet kosten.
Dabei ist die letzte Eskalationsstufe gerade erst ein paar Tage her. Am Samstag machte Brasilien mit seinen Drohungen ernst – und ließ den Zugang seiner Bevölkerung zum einst als Twitter bekannten X sperren. Die Entscheidung kam nicht aus dem Nichts. Der Streit zwischen Musk und dem südamerikanischen Staat schwelt seit Monaten. Und droht nun erst so richtig aufzuflammen.
Elon Musk gegen Brasilien
Beiden Seiten geht es ums Prinzip: Die brasilianische Regierung versucht, geltendes Recht gegen einen internationalen Konzern durchzusetzen. Die zu sperrenden Accounts hatten unter anderem Verschwörungstheorien und Falschmeldungen verbreitet. Elon Musk dagegen geriert sich als Kämpfer der Meinungsfreiheit – die er im Notfall auch gegen die Gesetze einzelner Länder durchzuboxen versucht. Er wehre sich gegen einen "Diktator", einen "falschen Richter", wetterte er in den letzten Tagen immer wieder in Richtung des durchaus auch in Brasilien umstrittenen verantwortlichen Richters Alexandre de Moraes.
Ein Teil des Konflikts dürfte auch die politische Komponente sein. Bei den zu sperrenden Accounts handelte es sich zum größten Teil um Rechtsextreme. Die aktuelle Regierung um Lula da Silva ist klar im linken Teil des politischen Spektrum zu verorten, de Moraes hatte durch die Regierung deutlich mehr Befugnisse gegenüber Internet-Konzernen erhalten.
Musk dagegen rutschte in den letzten Jahren immer weiter nach rechts, unterhielt auch gute Kontakte zur vorherigen rechtspopulistischen Regierung von Jair Bolsonaro. Und schimpft entsprechend gegen die vermeintliche Diktatur, "die den Mantel der freien Demokratie trägt, während sie ihre Leute unter dem Stiefel zermalmt." Ganz so einseitig wie er das darstellt, ist die Sicht in Brasilien allerdings nicht: Am Montag stellte sich selbst der brasilianische oberste Gerichtshof hinter die Sperre.
Elon Musk weigert sich
Die hätte Musk gleich mehrfach verhindern können. Nachdem X die Sperrung der Accounts verweigert hatte, wurde zunächst eine Geldstrafe verhängt, die X allerdings nicht zahlte. Im August schloss der Konzern dann sogar sein Büro in Brasilien – laut Musk, weil er eine Verhaftung seiner Mitarbeiter befürchtete. Damit verstieß X dann aber endgültig gegen brasilianische Gesetze: Das Land verpflichtet jedes dort operierende internationale Großunternehmen, lokale rechtliche Vertretungen zu betreiben. Erst wenn die wieder eingerichtet sowie die über drei Millionen Dollar Strafe gezahlt werden, soll X wieder der Betrieb erlaubt werden.
Wie ernst es de Moraes ist, zeigt die Strafe für Umgehungen der Sperre. Nutzt man die in repressiven Regimen beliebten VPN-Dienste, um die Blockade auszutricksen, drohen 8000 Euro Bußgeld – am Tag. Das hält Musk nicht davon ab, Werbung für die Dienste zu machen. Eine weitere Möglichkeit bietet Musk gleich selbst an: Sein Unternehmen Starlink weigert sich, den Zugang zu X über sein Satelliten-Internet für brasilianische Kunden zu sperren. Trotz gerichtlicher Anordnung, das bestätigte das Unternehmen gegenüber "Reuters".
Die Kunden leiden
Das könnte nun die nächste Eskalations-Stufe auslösen. Brasilien prüft Maßnahmen gegen den Satelliten-Anbieter, erklärte der für die Telekommunikationsbehörde arbeitende Artur Coimbra nun im Gespräch mit CNN Brasil. Neben Strafgeldern sei auch denkbar, dem Unternehmen den Betrieb in Brasilien ganz zu untersagen. Das könnte dramatische Folgen haben. In den gigantischen Urwäldern des Landes ist der Anbieter oft die einzige Möglichkeit, an eine Internet-Verbindung zu kommen. Auf die oft abgelegen lebenden Stämme hatte die Veränderung teils überraschende Auswirkungen (mehr erfahren Sie hier). Sollte Starlink die Lizenz verlieren, würde dieser Teil der Bevölkerung also jeden Zugang zum Internet verlieren.
Überhaupt leiden in erster Linie Musks Kunden unter seiner Sturheit. Immerhin gibt er vor, das Recht zur Meinungsäußerung der 140 zu sperrenden Accounts zu schützen – nimmt dafür aber in Kauf, dass die auf bis zu 20 Millionen geschätzten brasilianischen X-Nutzer allesamt den Zugang zu seinem Kurznachrichtendienst verlieren. Sollte Starlink hineingezogen werden, wären die betroffenen Kunden noch härter getroffen.
Zeichen der Einsicht zeigt Musk bislang trotzdem nicht. Neben allgemeinen Attacken gegen die Sperre und die brasilianische Regierung hat er es vor allem auf Richter de Moraes abgesehen. Dabei schreckt er auch nicht vor billigen Beleidigungen des Aussehens zurück. Musks neuer Lieblings-Angriff: Der Richter sehe aus wie Lord Voldemort aus "Harry Potter". Noch glaubt er an einen nahen Sieg. Zu einem Bild des Richters schreibt Musk bei X: "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser Kriminelle hinter Gitter kommt." Warum und von wem er verhaftet werden sollte, verrät er nicht.