Sorry, für den Clickbait-Titel. Wenn eine Überschrift mit einem Fragezeichen endet, ist immer Vorsicht geboten!
Die Geschichte der russischen Maintainern, die von der Linux Foundation aufgrund von Sanktionen aus der Liste der Kernel-Entwickler entfernt wurden, habt ihr bestimmt mitbekommen. Linuxnews.de hat am 26. Oktober darüber geschrieben. Dieser Entschluss hat zu vielen Diskussionen geführt; die einen haben es unterstützt, die anderen haben es abgelehnt. Die Tatsache ist, dass es keine Entscheidung der Linux Foundation oder gar von Linus Torvalds war, sondern eine gesetzliche Pflicht im Rahmen der Jurisdiktion, unter der die Foundation steht.
Viele haben sich darüber aufgeregt, dass sich eine weltweite Community derart reglementieren lässt. Doch gibt es keine rechtliche Entität, die "Community" heisst. Der Linux-Kernel gehört der Linux-Kernel-Organization, einer Public Benefit Corporation gemäss 501(c)(3), die in Kalifornien (USA) registriert ist. Die Linux-Kernel-Organisation wird von der Linux Foundation verwaltet, die umfassende technische, finanzielle und personelle Unterstützung für den Betrieb und die Wartung der Infrastruktur für kernel.org bietet. Linux Torvalds ist Angestellter dieser Stiftung.
Manche regten an, dass die Linux Foundation in ein anderes (freieres) Land umziehen solle. Niemand sagte, welches Land das denn sein soll. Fast alle demokratischen Länder unterstützen die Sanktionen gegen Russland. In jedem dieser Staaten wäre die Linux Foundation gesetzlich gezwungen gewesen, Entwickler, die für kritische Firmen in sanktionierten Ländern arbeiten, zu entfernen. Das betrifft auch andere Länder, die den umfangreichen extraterritorialen Sanktionen des US-Finanzministeriums unterliegen (hallo Huawei).
Bereits am 28. Oktober 2024 hat der russische Medien-Kanal rbc.ru berichtet, dass das Ministerium für digitale Entwicklung auf den Vorfall reagiert hat.
Das Ministerium plant, eine eigene Linux-Gemeinschaft zu schaffen, die Entwickler aus den Ländern vereinen wird, die bereit sein werden, mit Russland zusammenzuarbeiten (Anmerkung der Redaktion: BRICS). Diese Aussage war eine Reaktion auf die Entlassung von 11 russischen Mitarbeitern, die an der Entwicklung des Linux-Kernels beteiligt waren.
„Die Entlassung russischer Linux-Mitarbeiter kann als eine weitere Tatsache der Diskriminierung angesehen werden. Die Kernrichtung unserer Meinung nach ist heute die Stärkung der Zusammenarbeit und die Einrichtung eines Dialogs mit den Ländern, die bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten, sagte der Vertreter des Ministeriums für digitale Entwicklung. Es ist notwendig, mit ihnen zu verhandeln und eine eigene alternative Struktur aufzubauen.“
Der Vertreter des Ministeriums fügte hinzu, dass es wichtig sei, Bedingungen für die Zusammenarbeit zu schaffen, die dazu beitragen können, ein einzigartiges Produkt zu schaffen. Ob die Schaffung einer solchen alternativen Gemeinschaft mit einigen Ländern bereits diskutiert wurde, gab er nicht an.
In diesem Kontext ist auch folgende Meldung des CERN bedeutsam, die bereits im Dezember 2023 erschien:
CERN-Rat beschließt, die Zusammenarbeit mit Russland und Weißrussland im Jahr 2024 abzuschließen. Die Zusammenarbeit wird am 27. Juni 2024 für die Republik Belarus und am 30. November 2024 für die Russische Föderation enden. Alle Beziehungen zwischen dem CERN und russischen und belarussischen Einrichtungen werden zu diesen Terminen eingestellt. Die Beziehungen zu Wissenschaftlern mit russischer oder belarussischer Staatsangehörigkeit, die anderweitig mit dem CERN verbunden sind, werden fortgesetzt.
Es ist zu befürchten, dass die geopolitische Spaltung fortschreitet. Eine Spaltung der FOSS-Gemeinschaft könnte dabei eine Randnotiz sein.
Titelbild: ChatGPT "Linux Tux Make Russia great again"
Quellen:
https://www.kernel.org/category/about.html
https://www.linuxfoundation.org/
https://www.rbc.ru/technology_and_media/28/10/2024/671e424c9a7947704249be2c
https://home.cern/news/news/cern/cern-council-decides-conclude-cooperation-russia-and-belarus-2024
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