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Wie ein chinesisches Start-up die KI-Welt in Atem hält



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Stand: 27.01.2025 18:41 Uhr

Das Start-up DeepSeek verblüfft und verunsichert die Tech-Welt. Denn das neueste KI-Modell des chinesischen Unternehmens soll deutlich effizienter sein als die Konkurrenz aus den USA.

Lilli Hiltscher

Zunächst waren es nur vereinzelte Meldungen in Fachzeitschriften, die das chinesische Start-up DeepSeek und seine KI-Modelle priesen. Mittlerweile erschüttern die Nachrichten darüber aber sogar die Wall Street. Denn das chinesisches Start-up verblüfft gerade die Technologiewelt - und verunsichert die Platzhirsche aus den USA.

Das zeigt sich am Montag besonders deutlich an den Börsen: So steht für den technologielastigen US-Index Nasdaq 100 zum Börsenstart ein Minus von mehr als drei Prozent. Und auch Aktien, die zuvor vom KI-Hype profitierten, mussten deutliche Verluste verkraften: Die Titel von Nvidia, Microsoft, Infineon und SAP verloren zwischen 1,5 und elf Prozent. "Es herrscht die Ansicht, dass das KI-Modell von DeepSeek das beste der Welt werden könnte", sagte Yeap Jun Rong vom Broker IG.

Am Wochenende schlug der Erfolg des KI-Modells durch - die App des KI-Assistenten ist inzwischen in den USA auf Platz eins der Downloads in Apples Plattform App Store. Den Rivalen ChatGPT des US-Anbieters OpenAI verwies sie damit auf Rang zwei. Doch warum führt das zu diesem plötzlichen Beben in der KI-Branche?

Unternehmen erst 2023 gegründet

DeepSeek ist ein vergleichsweise junges Unternehmen, das erst 2023 von Liang Wenfeng gegründet wurde. Schon während seines Studiums nutzte Wenfeng maschinelles Lernen für quantitativen Handel an den Finanzmärkten - ein Ansatz, bei dem mathematische Modelle und Algorithmen angewendet werden, um Handelsentscheidungen zu treffen.

2016 gründete Wenfeng dann auf Basis seiner bis dahin gesammelten Erfahrungen den Hedgefonds High-Flyer. High-Flyer nutzt maschinelles Lernen, um Finanzmarktdaten zu analysieren und so Handelsentscheidungen zu automatisieren - dadurch können große Datenmengen in kürzester Zeit analysiert werden und schnell Entscheidungen getroffen werden. Bis 2021 stieg der Hedgefonds vollständig auf KI-gestützte Handelsstrategien um.

Parallel dazu soll Wenfeng laut Informationen der Financial Times bereits Tausende Graphik-Chips des weltweit führenden Herstellers Nvidia gekauft haben - noch bevor er DeepSeek mit der Absicht gründete, KI auf menschlichem Niveau entwickeln zu wollen. Mittlerweile ist der Export leistungsfähiger H800- und A800-Chips von Nvidia, die weltweit eine Schlüsselrolle beim Anlernen von Systemen mit Künstlicher Intelligenz spielen, nach China zwar verboten. Im Oktober 2023 belegte die US-Regierung unter dem damaligen Präsidenten Joe Biden die Chips mit einem Exportverbot.

Billiger und trotzdem genauso effizient

Trotzdem gelang es DeepSeek in der vergangenen Woche, das KI-Modell R1 vorzustellen, ein sogenanntes Large Language Model (LLM). Ein LLM ist ein KI-Sprachmodell, das darauf ausgelegt ist, natürliche Sprache zu verstehen, zu verarbeiten und zu generieren. Das Besondere an R1: Es kommt mit einem Bruchteil der Ressourcen aus, die US-Unternehmen wie Open AI oder Google in die Entwicklung von KI investieren und kann trotzdem mit der Leistung etablierter Modelle mithalten.

Damit hat die DeepSeek nun ein Beben im internationalen Tech-Sektor ausgelöst. Denn gerade einmal rund sechs Millionen Euro soll DeepSeek in R1 investiert haben. Zum Vergleich: Training und Entwicklung der vergleichbaren Software Chat-GPT-4 vom US-Unternehmen Open AI soll mehr als das Zehnfache gekostet haben.

Hinzu kommt, dass DeepSeek offenbar deutlich weniger Graphik-Chips von Nvidia nutzte als die US-Großkonzerne, die vergleichbare Software auf dem Markt haben. Und diese Chips sollen auch noch veraltet gewesen sein, da sie offenbar vor dem Exportverbot, dass im Oktober 2023 erlassen wurde, gekauft wurden.

"Entwicklung in China sehr, sehr ernst nehmen"

Das Modell R1 wird als ernstzunehmende Konkurrenz zu den bislang etablierten KI-Modellen großer US-Unternehmen gesehen. Denn es erreicht laut den gängigen Bewertungsmaßstäben ähnliche Leistungen wie die aktuelle Modelle von Tech-Riesen wie Google und OpenAI und ist diesen in einigen Punkten sogar überlegen.

Microsoft-CEO Satya Nadella sagte darum auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos: "Das neue Modell von DeepSeek ist unglaublich beeindruckend - in Bezug darauf, wie effektiv sie ein Open-Source-Modell entwickelt haben, das diese Berechnungen in Inferenzzeit durchführt und dabei superrecheneffizient ist. Wir sollten die Entwicklungen in China sehr, sehr ernst nehmen."

Und Marc Andreessen, Trump-Berater und Chef von Andreessen Horowitz, nannte R1 in einem Beitrag auf der Plattform X einen der "erstaunlichsten und beeindruckendsten Durchbrüche, die ich je gesehen habe".

Hohe Investitionen in den USA gerechtfertigt?

Die US-Konkurrenz muss sich nun unangenehme Fragen gefallen lassen: Warum schafft es ein Start-up aus China mit deutlich weniger Ressourcen, eine KI zu entwickeln, die mit denen der US-Giganten mithalten kann? Die hohen Investitionen in den USA könnten nun also auf den Prüfstand gestellt werden. "Wenn es plötzlich ein billiges KI-Modell gibt, stellt das die Gewinne der Konkurrenten in Frage - vor allem wenn man bedenkt, wie viel sie bereits in eine teurere KI-Infrastruktur investiert haben", sagte Fiona Cincotta, Analystin beim Broker City Index.

Und auch auf die US-Regierung könnten unangenehme Fragen zukommen. "Die unbequeme Wahrheit für die politischen Entscheidungsträger in den USA ist, dass strenge Exportkontrollen chinesische Technologieunternehmen gezwungen haben, eigenständiger zu werden, was zu Durchbrüchen geführt hat, die sonst vielleicht nicht erzielt worden wären", schreibt die Professorin Angela Zhang in einem Gastbeitrag für die Financial Times.

Ähnlich äußert sich auch Jeffrey Ding, Professor an der George-Washington-Universität, ebenfalls in der New York Times: Die Restriktionen hätten DeepSeek dazu gezwungen, das eigene Modell "effizienter zu trainieren, damit es trotzdem wettbewerbsfähig ist".

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