Was passiert, wenn... ist eine kleine Rubrik, in der ich Linux-bezogene Dinge nachmache, die man so im Internet findet.
Das klingt erst einmal nicht weiter dramatisch, jedoch gibt es durchaus "Tutorials" oder "Anregungen", die eventuell nicht bis zu Ende gedacht wurden.
Und damit ihr so etwas nicht ausprobieren müsst, mache ich das für euch.
In meinem allerersten Blog-Post, den ich jemals geschrieben habe, ging es darum, dass vor ein paar Jahren das UnSnap-Script Wellen geschlagen hat. Plötzlich war die halbe Linux-Welt in Aufruhr. Man konnte das ungeliebte Snap also einfach deinstallieren, anstatt es einfach nicht zu nutzen. Ich persönlich bin sehr liberal, was Software angeht, aber das hat mich damals nicht davon abgehalten, Snap komplett von der Festplatte zu tilgen.
Für den Blog-Artikel hatte ich ein Ubuntu 22.04 auf echter Hardware installiert. Online gibt es viele Anleitungen, wie man Snap vollständig deinstalliert, aber ich werde hier nicht aufzeigen, wie man das bewerkstelligt.
Halten wir einfach fest, dass es anstandslos funktioniert hat und Ubuntu so gut wie vorher lief. Bevor es weitergeht, möchte ich mich jedoch noch aus meinem Post von vor genau einem Jahr selbst zitieren:
"... Und ob man dann Snap so leicht loswerden kann, wird sich noch zeigen."
2024
Ihr merkt, dieser Artikel hat einen etwas längeren Vorlauf, und er ist auch schon seit April in Arbeit. Das ist kein Zufall, denn im April ist Ubuntu 24.04 erschienen. Wenn man die Medienlandschaft – seien es Blogs oder Video-Plattformen im Linux-Bereich – etwas verfolgt, kann man vorhersagen, was gesagt oder geschrieben wird. Im Falle einer neuen Ubuntu-Version bedeutet das meist, dass sich überwiegend über Snap echauffiert wird. Damit einhergehen dann auch Nebenbemerkungen wie: "Ich habe Snap deinstalliert."
Weil ich so gerne einfach Dinge ausprobiere und ich allgemein viel zu viel Zeit damit verschwende, nachzudenken, kam mir im April folgender Gedanke:
"Egal ob im englischsprachigen oder deutschsprachigen Raum, immer öfter wird erwähnt, dass man ja Snap deinstallieren kann und dass das eine tolle Sache sei. Aber hat das schon mal jemand langfristig getestet?"
Und tatsächlich: Wo man hinschaut, findet man weit und breit nichts dazu.
Lange Rede, kurzer Sinn: Auf meinem PC schlummert seit April ein Ubuntu 22.04 OHNE Snap, das nur darauf gewartet hat, dass Canonical den Upgrade-Channel freigibt. Auf geht’s!
Einmal das neue LTS bitte
Vor dem Versions-Upgrade habe ich sichergestellt, dass auch wirklich alles aktuell ist. Snap ist nach wie vor nicht auf dem System vorhanden.
Test 1: Ohne snapd | Ohne Firefox(Snap| oder PPA), snapd | Mit Thunderbird(DEB)
Wer möchte, kann sich das Video dazu ansehen, die Essenz des ganzen befindet sich unter diesem.
Das Update wird angestoßen mit:
do-release-upgradeBisher läuft alles soweit gut, die sources.list wurde eingeholt und die ersten Pakete wurden heruntergeladen und entpackt. Jetzt ist der Thunderbird an der Reihe. Welches ab 24.04 auch ein Snap ist.
Der Transitions-Protzes im Terminal
INFO Waiting for automatic snapd restar... steht regungslos für 2 bis 3 Minuten als einzige Meldung. Weiter oben ist zu sehen, dass das System vergeblich versucht hat, die nicht vorhanden Snap-Mechaniken abzurufen. Da snapd deinstalliert ist, wird eine höchst wahrscheinlich auch fehlschlagen.
Der Vorgang wurde abgebogen und alle folgenden dpkg-Operationen schlagen fehlt.
Der Prozess wurde aufgrund zu vieler Fehler angehalten, das Upgrade ist fertig, aber währenddessen sind zu viele Fehler aufgetreten. Vielleicht hilft ein Neustart.
Da sich an auch nach 10 Minuten hier nicht getan hat, würde ich das als gescheitert ansehen. Die Installation von Thunderbird ist gecrasht und alle nachfolgenden Operationen verliefen fehlerhaft oder wurden nicht ausgeführt.
Test 2: Ohne Snaps, Snapd | Mit Firefox PPA | Ohne Thunderbird
Hier lässt sich auf den ersten Blick nichts Negatives sagen. Das Upgrade lief einwandfrei durch und der Boot endet in einem Ubuntu 24.04.1 Desktop, auf dem snapd nicht ungewollt nachinstalliert wurde. Hier ist allerdings zu beachten, alternative Softwarequellen wie Flathub eingebunden sein sollten, da durch das Wegfallen von Snap viele Pakete nicht mehr verfügbar sind. Auch solle bedacht werden, dass gnome-software installiert werden sollte, damit eine grafische Oberfläche zur Paketverwaltung verfügbar ist.
Gedanken dazu
Das sind natürlich nicht nur zwei Tests, die ich gemacht habe und nun generalisiere. Um nichts Halbgares zu schreiben, habe ich mehrere Durchläufe (8) im letzten Jahr gestartet. Unter anderem damals mit Ubuntu 23.04 auf 23.10. Sowohl mit zuvor deinstalliertem Firefox oder deinstalliertem Thunderbird. Hierbei ist das Update sogar mit Firefox-PPA gescheitert. Ubuntu 23.4 und 23.10 sind aber Schnee von gestern.
Zur Kontrolle habe ich mehrfach Ubuntu 22.04 unmodifiziert auf 24.04 upgedatet und das ohne Problem.
Kann es denn wirklich sein, dass so viele Personen im Internet Anleitungen verbreiten wie Snap von der Platte schmeiß ohne zu hinterfragen, ob das langfristig so eine gute Idee ist? Oder, etwas provokativer: Ist es vielleicht sogar egal, weil derjenige es nur in einer VM getestet hat, die ja sowieso in der Tonne landet?
Thunderbird-Nutzer sollten sich bewusst sein, dass es bei der Paket-Version von 24.04 um ein Transitions-Paket handelt, das die Debian-Version auf Snap umstellt. Hier sollte ganz klar gesagt werden, dass vor einem LTS-Update Thunderbird zu Flatpak migriert werden muss.
Mein Punkt hier ist, dass wir uns vielleicht alle zu sehr darauf verlassen, was im Internet gesagt wird. Ich persönlich wäre ziemlich sauer, wenn ich guten Glauben als Linux-Einsteiger Snap entfernt hätte und dann 2 Jahre später vor einem schwarzen Bildschirm sitzen würde.
Muss man immer gleich den Vorschlaghammer schwingen? snapd kann auch einfach installiert bleiben.
Vielleicht sehe ich das aber auch zu eng.
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