Was der Zollstreit mit den USA für den Weltmarktführer Stihl bedeutet

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Stand: 29.04.2025 17:09 Uhr

Die schwäbische Firma Stihl ist Weltmarktführer bei Kettensägen - und produziert in Deutschland ebenso wie in den USA. Das hilft ihr im Zollstreit. Dennoch baut das Unternehmen Stellen ab.

Fabian Siegel

Eine gewisse Verschlossenheit sagt man den Schwaben gerne nach. Zurückhaltung, keine große Geschwätzigkeit. Wenn es um Geschäftszahlen geht, hat der schwäbische Kettensägenhersteller Stihl aus Waiblingen bei Stuttgart genau das zum Leitmotiv gemacht. In die Karten schauen lässt sich der deutsche Weltmarktführer ungern, veröffentlicht zwar Umsatzzahlen, zu Gewinnen oder Verlusten hört man traditionell aber wenig - maximal das ein oder andere richtungsweisende Adjektiv.

"Anspruchsvoll" und "herausfordernd" sind diese Adjektiv wohl in diesem Jahr. So fasst Vorstandschef Michael Traub die Geschäfte bis zum Jahreswechsel zusammen. Die Weltlage sei angespannt, trotzdem habe man den Umsatz leicht steigern können: Von 5,27 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf 5,33 Milliarden Euro im Jahr 2024 - ein Plus von 1,1 Prozent.

Das ist deutlich weniger als früher einmal angepeilt. Doch angesichts eines Umsatzrückgangs im Jahr 2023 werten die Schwaben die neuen Zahlen als Erfolg. Denn nach einem Boom in der Corona-Pandemie, als die Menschen plötzlich Zeit hatten für den eigenen Garten und reihenweise Heckentrimmer, Laubbläser und Kettensägen kauften, ging die Nachfrage deutlich zurück. Die Ziele, was den Umstieg von benzin- auf akkubetriebene Geräte betrifft, sind ambitioniert. Hinzu kommt die allgemeine Wirtschaftsflaute in Deutschland, der andauernde Ukraine-Krieg, der vor allem den osteuropäischen Markt belastet. Und natürlich der Zollstreit mit den USA.

Werk im US-Staat Virginia

Zumindest in dem sieht sich Stihl gut aufgestellt. "Wir können etwas gelassener darauf schauen als viele unserer Wettbewerber", sagt Michael Traub. Seit einem halben Jahrhundert ist Stihl in den Vereinigten Staaten aktiv, stellt seit Mitte der 1970er-Jahre einen Großteil der Produkte für den US-amerikanischen Markt direkt vor Ort her, vor allem in einem Werk in Virginia mit 2.100 Mitarbeitenden.

Eine aus heutiger Perspektive bemerkenswerte Weitsicht: Mittlerweile ist es die größte Fabrik des Unternehmens weltweit, Nordamerika mit gut einem Drittel des Umsatzes wichtigster Markt. Man kann offensiv mit dem Siegel "Made in USA" werben - so offensiv, dass nicht wenige Amerikaner glauben, Stihl sei eine amerikanische Marke. Beirats- und Aufsichtsratschef Nikolas Stihl gehörte zu den ersten deutschen Gratulanten nach der Wahl Donalds Trumps.

Rund 500 Stellen sollen weltweit wegfallen

Dennoch befindet sich das Unternehmen aufgrund der schwierigen geopolitischen Lage weltweit in einem Umstrukturierungsprozess. Rund 500 Stellen wolle man weltweit streichen, kündigt das Unternehmen heute an. "Der Anzug muss dem Kerl passen", fasst Personalvorstand Michael Prochaska die Lage zusammen. Auch in Deutschland sollen Personal- und Standortkosten gesenkt werden, das ist schon länger bekannt, über 100 Stellen wegfallen - nicht durch betriebsbedingte Kündigungen, sondern durch Altersteilzeitprogramme und freiwillige Austritte gegen Abfindung.

Mit den eigenen Einsparmaßnahmen sei man auf Kurs, heißt es heute. Das Kostensenkungsprogramm werde aber bis mindestens Ende 2026 fortgeführt. Die Eigenkapitalquote sei mit 69 Prozent außerdem weiterhin enorm hoch - und sogar im vergangenen Jahr noch einmal angewachsen.

Forderungen an neue Bundesregierung

Doch Stihl erwartet auch eine klare Positionierung der Politik. Die neue Bundesregierung müsse bis 2030 die Standortbedingungen in Deutschland deutlich verbessern, sonst überlege man ernsthaft, ins Ausland abzuwandern, hatte Nikolas Stihl im Januar gedroht. Selbst in der Schweiz produziere man mittlerweile kostengünstiger. Einer der wenigen Momente, in denen das Unternehmen die schwäbische Zurückhaltung gegen das schwäbische "Bruddeln", das leichte Nörgeln oder Grummeln angesichts der Gesamtsituation, eintauschte.

Auch wenn das Unternehmen mittlerweile zurückgerudert ist: Vorstandschef Traub bekräftigt heute noch einmal, man erwarte von der neuen Regierung, dass Unternehmern ein Umfeld gegeben werde, in dem man gerne investiere. Etwa durch Abschaffung des nationalen Lieferkettengesetzes und anderen "Bürokratiemonstern".

"Der Standort Deutschland bleibt für uns trotz widriger Rahmbedingungen von strategischer Bedeutung", so Michael Traub. Doch zur Wahrheit gehört auch: Deutschland ist längst nicht mehr der wichtigste Markt für das 1923 gegründete Unternehmen. Mehr als 90 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet Stihl im Ausland. Das bringt das Unternehmen umgekehrt aber auch in die komfortable Situation, weniger stark vom Standort Deutschland abhängig zu sein als andere.

Aus Deutschland vor allem "Verbrenner"

Beispiel Akkugeräte: Aktuell macht der Absatz von akkubetriebenen Geräten rund 25 Prozent aus, bis 2027 sollen es sogar 35 sein. Hierzulande sind es bereits gut 60 Prozent. Die Kehrseite: Produziert werden die neuen Geräte woanders - in Deutschland sind es hauptsächlich die auf dem Abstellgleis befindlichen Verbrenner. "Wenn der Anteil unserer Benzingeräte am Gesamtabsatz geringer wird, ist die Beschäftigung in Deutschland geringer", sagt Vorstandschef Traub. Die Wettbewerbsbedingungen seien in Deutschland aber aktuell schlicht und ergreifend nicht gut genug, um hier Akkugeräte herzustellen. Was das langfristig für den Standort bedeutet, da übt er sich wieder in schwäbischer Zurückhaltung.

Obwohl man angesichts der angespannten Weltlage "nur auf Sicht fahren" könne, rechnet Stihl laut Traub dennoch mit einem weiteren Umsatzwachstum in den kommenden Jahren. Nicht groß, eher moderat, im "niedrigen einstelligen Bereich" - schwäbisch zurückhaltend eben. Aber vielleicht ein ganz guter Weg durch die Krise.

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