Deutsche Autobauer verlieren im chinesischen Markt zunehmend an Bedeutung. Experten zufolge bleibt ihnen nicht mehr viel Zeit, um gegen die Absatzprobleme anzugehen.
Rush-Hour in Peking: Eine Blechlawine schiebt sich über die dreispurige Straße in Richtung Skyline. Viele Elektroautos und Hybridfahrzeuge sind unterwegs - zu erkennen am grünen Nummernschild. Ein blaues haben die klassischen Verbrenner. Die sind zwar noch in der Überzahl, aber es werden immer weniger.
Vergangenen Monat wurden erstmals sogar mehr E-Autos und Hybridfahrzeuge zugelassen als Benzin- und Diesefahrzeuge. Für die gelten in den Metropolen Beschränkungen. In Peking etwa werden Verbrenner-Zulassungen nur noch per Losverfahren vergeben - was zu mancher Kaufentscheidung der E-Autofahrer an einer Ampel beigetragen hat: "Ich habe nur eine Zulassung für ein E-Auto erhalten", sagt ein Autofahrer bei einer Umfrage auf der Straße. "Ich habe keine Verbrenner-Plakette zugelost bekommen" lauten andere Reaktionen oder "E-Autos sind billiger und man kann Geld sparen".
Chinesische Marken haben schnell aufgeholt
Der Elektrauto-Boom wird für deutsche Hersteller zum Problem. Sie verlieren weiter Marktanteile in China - laut Datenanalysefirma Marklines kamen sie im vergangenen Halbjahr nur noch auf 21 Prozent. Auch Hersteller aus den USA und Japan sind abgestürzt. Heimische Unternehmen haben in den vergangenen Jahren stark zugelegt und kommen nun auf einen Marktanteil von mehr als fünfzig Prozent.
Nach Ansicht des Branchenexperten Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management haben deutsche Autobauer nicht schnell genug auf Entwicklungen in China reagiert. "Wichtigste Einflussfaktoren der Absatzschwäche deutschen Hersteller sind sicherlich ein Unterschätzen der Elektrodynamik im chinesischen Markt, und zum Zweiten hat man nicht gedacht, dass die chinesischen Autobauer so schnell so gute und innovative Produkte an den Markt bringen", sagt Bratzel.
Technische Spielereien als Statussymbol
Dazu gehören auch Spielereien als Statussymbol. Der Hersteller BYD wirbt mit einem neuen Auto, dass auf Kommando in die Luft springt: Alle vier Räder heben vom Boden ab. Massagesitze, Kühlschränke und Entertainmentsysteme gehören oft zum Standard.
Etwa 100 Hersteller sind in China teils mit staatlicher Hilfe entstanden - und die führen einen gnadenlosen Preiskampf um die Kundschaft, erzählt der ehemalige Vertriebsmanager der insolventen chinesischen Automarke Wang Jianchen: "Es ist ein Haifischbecken. Wo der eine den anderen auffrisst. Jeder kämpft selbst um Technologie, Batteriezulieferer und Unterstützung der Regierung."
"Nächste drei, vier Jahre sind entscheidend"
Deutsche Hersteller müssten nun schnell mit konkurrenzfähigen Produkten und Neuentwicklungen gegenhalten, so Stefan Bratzel - um nicht noch mehr Anteile am wichtigen chinesischen Automarkt zu verlieren.
"Die zentralen Einflussfaktoren sind Elektromobilität, aber längerfristig auch Autonomes Fahren", sagt der Autoexperte. "Wenn es gelingt, in diesen Feldern wieder ganz vorne mitzuspielen, kann Deutschland seine starke Rolle in der Automobilindustrie halten, aber die nächsten drei, vier Jahre sind dafür entscheidend."
Dennoch, so Bratzel, dürften die Gewinnmargen deutscher Hersteller sinken. China ist für deutsche Autobauer ein schwieriger Markt geworden.