Am Montag hat Bundeskanzler Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag gestellt und verloren. Bei Hart aber fair im Ersten diskutieren die Gäste noch einmal über die Politik der letzten Jahre.
Eigentlich soll es bei Hart aber fair darum gehen, wie Politik verlorenes Vertrauen wieder zurückgewinnen kann. Dann geht es aber doch um die Politik der Ampelregierung. Und dann werden noch schnell die wichtigsten Themen abgefrühstückt, die den Bundestagswahlkampf prägen werden. Über Wirtschaftspolitik wird gesprochen, die Reform der Schuldenbremse, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, die Linke und SPD fordern. Thema ist auch, worüber der Unionspolitiker Jens Spahn schon einen halben Tag nach der Machtübernahme der Rebellen in Syrien geredet hat: Ob man in Deutschland lebenden Syrern nicht 1000 Euro Starthilfe in die Hand drücken könne, damit sie wieder in die Heimat zurückfliegen. Spahn habe damit nur jene Menschen gemeint, die nicht arbeiten würden, sagt der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff von der CDU.
Die Vertrauensfrage
Am Mittag hatte Bundeskanzler Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt, um sie zu verlieren. Das ist in der Verfassung so vorgesehen. Am Ende ging die Rechnung auf, nun kann am 23. Februar ein neuer Bundestag gewählt werden. Haseloff spricht von einem "historischen Tag". Zwar hätten die Länder mit der Bundesregierung in der Regel gut zusammengearbeitet, sagt er, ohne die oft zähen Verhandlungen zur Lösung der Migrationskrise zu erwähnen. Seine Kritik liegt woanders: Man müsse als Bürger mit einer gewissen staatspolitischen Verantwortung davon ausgehen, dass die Aufgabe, die Politiker der Bundesregierung übernommen haben, vernünftig erfüllt werde. "Das ist leider nicht gelungen", sagt Haseloff.
Die Bundestagsdebatte am Montag sei sehr scharf gewesen, urteilt Melanie Amann vom Spiegel. "Wenn Olaf Scholz Christian Lindner die sittliche Reife für eine Regierungsbeteiligung abspricht, das ist zu brutal und unangemessen", sagt die Journalistin. Gut sei jedoch gewesen, dass die politischen Unterschiede der demokratischen Parteien deutlich geworden seien.
Gregor Gysi hat das Thema der Sendung ernst genommen und sagt: "Ich sehe die Demokratie und bestimmte Freiheiten in Gefahr, wenn wir uns nicht zusammenfinden, uns einen Ruck geben und das Verhältnis zur Bevölkerung deutlich verbessern." Darüber sollten die Politiker in einer Art Gesprächskreis miteinander in einen Dialog kommen. Haseloff wirft ein, daran würde Gysi nicht teilnehmen können, weil seine Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht schaffe. Thema durch.
Die Ampel sei vor allem an den unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Vorstellungen gescheitert, sagt Gysi. Zudem kritisiert er, dass die Regierung viele Versprechen nicht eingehalten habe, im Wohnungsbau oder bei der Mietpreisbremse zum Beispiel. Gysis Fazit: "Nee, nee, die Leistung der Ampel war nicht dolle."
FDP-Fraktionschef Christian Dürr möchte die Bundestagsdebatte am Montag noch einmal aufarbeiten und beschwert sich darüber, dass Bundeskanzler Scholz dem FDP-Parteichef die "sittliche Reife" für eine Regierungsbeteiligung abgesprochen hatte. Die Bürger würden sich viel mehr dafür interessieren, wofür die Parteien stehen und was sie mit Deutschland machen wollten. "Ich habe nichts gegen einen harten Wahlkampf, auch nichts gegen härtere Bandagen", sagt Dürr. "Das muss zur Demokratie auch dazugehören, dass man beispielsweise bei der Frage der Verschuldung unterschiedliche Auffassungen hat. Das ist absolut legitim, das hält die Demokratie auch aus, und das erwarten die Bürger sogar." Aber er lehne das Verteilen von Kopfnoten ab, sagt Dürr. Scholz habe bei der Bundestagsdebatte den Eindruck zu erwecken versucht, er habe alles richtig gemacht, die Schuld für das Ampel-Aus läge bei den anderen. "Aber wenn eine Koalition zu Ende geht, ist keiner frei von Schuld."
"Wir sind die Koalition eingegangen mit der Überzeugung, wir können einander vertrauen", entgegnet SPD-Co-Chefin Saskia Esken. "Aber wir haben festgestellt, dass man Vertrauen in die Verantwortungsbereitschaft fälschlicherweise gegeben hat."
Die Schuldenbremse
Dass Dürr und Esken keine politischen Freunde mehr werden, wird bei der Diskussion um eine mögliche Reform der Schuldenbremse klar. "Es geht darum, dass wir in der Schuldenbremse konsumtive und investive Ausgaben gleich behandeln", sagt Esken. Dann erklärt sie verständlich, was sie meint: "Das, was man regelmäßig ausgibt, den regelmäßigen Haushalt aus Schulden zu finanzieren, wäre falsch. Das will auch niemand. Aber Investitionen ja." Und dann bringt sie das Beispiel mit der schwäbischen Hausfrau: Die würde ihren Kühlschrank nicht füllen, indem sie Schulden aufnähme, aber für das Dach, durch das es regne, dafür schon.
Während sich Esken für eine Reform der Schuldenbremse ausspricht, damit Geld zum Beispiel für die Renovierung von Schienen oder den Neubau von Autobahnbrücken frei würde, ist Dürr gegen ihre Lockerung. Er sagt: "Im nächsten Jahr wird es unter Einhaltung der Schuldenbremse möglich sein, auf Bundesebene 41 Milliarden Euro neue Schulden zu machen." Für Politiker müsse gelten, was auch zu Hause gelte: Sie müssen mit dem Geld zurechtkommen. Das Problem sei jedoch, dass sich die Politik zu lange zu wenig um die Infrastruktur gekümmert habe, sagt Esken. Allein für die Instandsetzung von Schulen müsse man etwa 75 Milliarden Euro aufwenden.
Sollte die CDU nach den kommenden Wahlen stärkste Partei werden, würde sie die Schuldenbremse reformieren, ist sich Melanie Amann sicher. "Friedrich Merz wird es nach der Wahl angehen, denn dieses Programm, das die CDU und die CSU jetzt für die Wahl haben, kann bis zu einer dreistelligen Milliardensumme kosten. Und dann sind da zehn Milliarden Euro, die man beim Bürgergeld angeblich sparen will. Das ist kaum zu schaffen." Es ist die letzte Sendung von Hart aber fair in diesem Jahr. Und am Ende hat sie einen Vorgeschmack auf das gegeben, was wir bis zu den Bundestagswahlen im Februar erwarten dürfen.