Die AfD trifft sich in Riesa zum Parteitag, um Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin zu küren und das Wahlprogramm zu beschließen. Hier droht bei einigen Themen Streit. Vor der Halle wird demonstriert.
Im sächsischen Riesa kommt die AfD heute zu einem Bundesparteitag zusammen. Bei dem zweitägigen Treffen soll Co-Parteichefin Alice Weidel von den rund 600 Delegierten zur Kanzlerkandidatin gewählt werden. Auf der Tagesordnung steht außerdem der Beschluss des Wahlprogramms zur Bundestagswahl. Gegner haben in Riesa zu Protesten aufgerufen. Die Organisatoren rechnen mit mehr als 10.000 Menschen.
Höhepunkt des Parteitags ist gleich am ersten Tag die Kür Weidels. Geplant ist eine Vorstellung der Kandidatin durch Co-Parteichef Tino Chrupalla und eine anschließende einfache Abstimmung durch Aufstehen oder per Handzeichen. Genaue Abstimmungswerte wird es daher voraussichtlich nicht geben. Teilnehmer rechneten vorab mit einer großen Zustimmung für die 45-Jährige, die anschließend eine Rede halten soll.
Klärung offener Punkte im AfD-Wahlprogramm
Bisher hat die AfD kein fertiges Wahlprogramm für die anstehende Bundestagswahl am 23. Februar. Ein Entwurf liegt vor. Darin werden etwa Forderungen nach einem Austritt aus der EU, dem Euro und dem Pariser Klimaabkommen erhoben. Mehrere Punkte sind aber noch strittig. Es gibt zahlreiche Änderungsanträge zum Beispiel in den Bereichen Außen-, Energie-, Migrations- und Familienpolitik, über die in Riesa debattiert und abgestimmt werden soll.
Debatte über "Dexit"
So wird im Entwurf zum Wahlprogramm explizit ein sogenannter Dexit - ein deutscher Austritt aus der EU - propagiert. Man halte diesen und die Gründung einer neuen europäischen Gemeinschaft für notwendig, heißt es. Änderungsanträge zielen allerdings darauf ab, dies zu entschärfen. Es soll zwar bei dem Ziel einer neuen Gemeinschaft bleiben, aber, ohne dass dabei explizit ein Austritt Deutschlands aus der EU gefordert wird.
Dies wäre ohnehin nur möglich durch eine Grundgesetzänderung mit nötigen Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Denn im Grundgesetz hat sich die Bundesrepublik dazu verpflichtet, "zur Verwirklichung eines vereinten Europas" bei der Entwicklung der Europäischen Union mitzuwirken.
Wehrpflicht und "Remigration"
Diskussionen innerhalb der AfD gibt es zudem beim Thema Wehrpflicht, für deren Reaktivierung die Partei in ihrem Grundsatzprogramm eintritt, die im Wahlprogramm-Entwurf aber nicht zu finden ist. In Teilen der AfD, vor allem im Osten, hatte es Befürchtungen gegeben, dass das Thema vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine bei Wählern auf Ablehnung stößt. Nach innerparteilicher Kritik soll die Wehrpflicht nun aber doch ins Wahlprogramm.
In der Migrationspolitik haben Partei-Rechtsaußen Björn Höcke und andere Änderungen beantragt. Sie wollen unter anderem das viel diskutierte Wort "Remigration" im Wahlprogramm unterbringen, das im Entwurf nicht auftaucht. Der Thüringer AfD-Landeschef und andere setzen sich zudem für eine Abschaffung oder Einschränkung des Volksverhetzungsparagrafen und des Straftatbestandes des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein und wollen das ins Wahlprogramm bringen.
"Vater, Mutter, Kind"
Im Entwurf des AfD-Wahlprogramms heißt es bisher: "Die Familie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft". Verschiedene Antragsteller fordern, dass in dem Satz auch untergebracht wird, dass die Familie aus Vater, Mutter und Kindern bestehe. Auch das ist nicht unumstritten. Denn entscheidet sich der Parteitag dafür, könnte das wie eine indirekte Missbilligung des Lebensmodells der eigenen Kanzlerkandidatin wirken, die mit einer Frau zusammenlebt.
"Patriotische Jugend" statt "Junge Alternative"
Die wohl kontroverseste Punkt auf der Tagesordnung dreht sich um den AfD-Nachwuchs: Die AfD-Spitze und einige Vertreter aus Landes- und Kreisverbänden wollen die Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA), die der Verfassungsschutz als "gesichert extremistische Bestrebung" einstuft, durch eine neue Organisation mit dem Namen "Patriotische Jugend" ersetzen.
Mehr Durchgriff und möglicher Schutz vor Verbot
Alle AfD-Mitglieder bis 36 sollen automatisch Mitglied dieser Nachwuchsorganisation sein, anders als bei der JA, die unabhängig ist. Mitglieder müssen hier - bis auf die Vorstände - nicht in der AfD sein. Durch die Reform erhofft sich die AfD-Spitze nach eigener Aussage mehr Durchgriff etwa bei Fehlverhalten.
Experten, wie die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger von der Universität Düsseldorf, sehen eine weitere Motivation für eine Eingliederung der Jugendorganisation in die AfD: "Vereine wie die Junge Alternative unterliegen dem Vereinsrecht und können viel leichter verboten werden als Parteien", sagte sie im September dem ZDF.
Zweidrittelmehrheit nötig
Allerdings braucht es für die entsprechende Änderung der AfD-Satzung eine Zweidrittelmehrheit auf dem Parteitag. Ob die zustande kommt, ist offen. Die JA wehrt sich gegen die Pläne und hat einen Gegenantrag vorgelegt, der von zahlreichen Delegierten unterstützt wird.