Sie bleibt bis heute unvergessen: Am 22. Januar jährt sich der Todestag von Rose Kennedy zum 30. Mal.
Matriarchin - ein Wort wie aus grauer Vorzeit. Rose Kennedy (1890-1995) war eine Matriarchin, laut Duden das "älteste weibliche Familienmitglied oder Mitglied eines Familienverbandes, das als Familienoberhaupt die größte Autorität besitzt". Sie war die letzte Matriarchin ihrer Art. Nicht nur ihrer Familie, sondern auch ihrer Nation. Eine Matriarchin der Vereinigten Staaten von Amerika. Eine Urmutter der USA.
Das ist lange her, und gerät über die innere Entwicklung der USA zum Wahnwitz eines kollektiven Egotrips durch Donald Trump (78) offenbar in Vergessenheit, dass prägende Figuren der Geschichte sich nicht selbst zu verherrlichen pflegen, sondern in erster Linie Opfer bringen.
Rose Kennedy war eine solche Figur - eine romanhafte dazu. Am 22. Januar jährt sich ihr Todestag zum 30. Mal.
Als Teenager lernte sie Joseph P. Kennedy kennen
Sie wurde in dieses glamouröse und doch so harte Leben hineingeboren - als Spross einer jener einflussreichen Familien der neuenglischen Ostküste, die oft als bourgeoiser Uradel der USA beschrieben werden. Rose Elizabeth Fitzgerald kam am 22. Juli 1890 in Boston zur Welt. Sie war das älteste Kind ihres Vaters John Francis Fitzgerald (1863-1950), genannt "Honey Fitz", der gleich zweimal ein äußerst populärer Bürgermeister von Boston war (und darüber hinaus Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses).
Rose wuchs tief verwurzelt in der streng katholischen, wohlhabenden irisch-amerikanischen "Lace Curtain"-Gemeinde Bostons auf. Als Teenager lernte sie während eines Familienurlaubs am Old Orchard Beach in Maine den jungen Joseph P. Kennedy (1888-1969) kennen. Er war der Sohn des Geschäftsmannes und Politikers Patrick Joseph Kennedy (1858-1929), eines politischen Rivalen von "Honey Fitz", der die Verbindung von Rose mit dem jungen Kennedy zunächst überhaupt nicht gern sah.
Sieben Jahre musste Joseph P. Kennedy um Rose Fitzgerald werben, dann erklärte sich ihr Vater einverstanden mit einer bescheidenen Hochzeit. Mit 24 heiratete sie am 7. Oktober 1914 Joseph P. Kennedy, die Trauung vollzog der Erzbischof von Boston, Kardinal William O'Connell.
Grundstein für das sagenhafte Kennedy-Vermögen
Joseph P. Kennedy war ein ehrgeiziger Ehemann, ein aufstrebender Finanzkaufmann. Hatte er zum Zeitpunkt der Eheschließung noch rund 10.000 Dollar im Jahr verdient, war er nach zehn Jahren bereits Multimillionär. Er machte riesige Gewinne im Aktien-, Immobilien- und Filmgeschäft. Bis heute gibt es Gerüchte und Hinweise, dass Joseph P. Kennedy am meisten mit dem Handel von offiziell verbotenem Alkohol während der amerikanischen Prohibition (1920-1933) verdiente und damit den Grundstein für das sagenhafte Kennedy-Vermögen gelegt hat.
Als er vom späteren US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt (1882-1945) in den Wahlkampfausschuss berufen wurde, lag das nicht nur an seiner Spendenbereitschaft. Roosevelt schätzte auch seine politische Gerissenheit und sagte empörten Demokraten, die sich darüber aufregten, dass ausgerechnet ein Profiteur und Mitverursacher der Weltwirtschaftskrise in die Politik eingebunden werde: "Diebe könnten am besten andere Diebe fangen ..." 1938 ging Kennedy als US-Botschafter nach England.
Das geborene "Political animal"
Diese repräsentative Aufgabe auf dem prestigeträchtigsten diplomatischen Posten der USA war ganz nach dem Geschmack von Rose Kennedy, die als das geborene "Political animal" galt, zudem sie ihr Vater "Honey Fitz" von klein auf trainiert und bereits als 15-Jährige ins Weiße Haus beim damaligen Präsidenten William McKinley (1843-1901) eingeführt hatte.
In London konnte die zierliche Rose, die bei einer Umfrage von Modedesignern zur bestgekleideten Frau des öffentlichen Lebens gewählt worden war, in den Salons brillieren. Sie war gebildet, eine exzellente Pianistin und sprach mehrere Sprachen fließend. Sie spielte ausgezeichnet Golf und ging selbst in der wilden Atlantikbrandung am Strand des Familienanwesens Hyannis Port auf Cape Cod im Meer schwimmen.
Rose Kennedy war mehr als eine treue Katholikin, sie galt als ungewöhnlich sozial engagiert, wohltätig und glaubensfest. Nach einer ersten Begegnung mit Papst Pius XII. (1876-1958), der sie zu seiner Amtseinführung nach Rom eingeladen hatte, hatte sich eine freundschaftliche Beziehung zum Kirchenoberhaupt entwickelt, Pius XII. ernannte sie 1950 zur Gräfin des päpstlichen Adels, auch in Anerkennung "vieler gemeinnütziger Werke".
Sie liebte ihre Mutterrolle
Vor allem stand Rose Kennedy in dem Ruf, eine vorbildliche Mutter zu sein. Zwischen 1915 und 1932 hat sie neun Kinder zur Welt gebracht und sich intensiv um ihre Erziehung gekümmert. Um den Überblick über die große Familie nicht zu verlieren, legte sie Karteikarten über alle ihre Kinder an, notierte Eigenheiten, Gewichte, Schuhgrößen, Zahnbehandlungen, Augenuntersuchungen und Krankheiten jedes einzelnen.
Besonderen Wert legte sie auf die individuelle Ausbildung ihrer Kinder, denen sie die amerikanische Geschichte selbst ausführlich beibrachte. Sie war der Überzeugung: "Kinder sollten von ihren Eltern dazu angeregt werden, Dinge zu sehen, zu berühren, zu kennen, zu verstehen und zu schätzen."
In ihrer Autobiografie "Times to Remember" (1974) schrieb sie: "Kindererziehung war für mich nicht nur eine Arbeit der Liebe und Pflicht, sondern ein Beruf, der genauso interessant und herausfordernd war wie jeder ehrenwerte Beruf auf der Welt und der von mir verlangte, mein Bestes zu geben ... Welche größere Hoffnung und Herausforderung gibt es für eine Mutter als die Hoffnung, einen großartigen Sohn oder eine großartige Tochter großzuziehen?"
Der "Boston Globe" schrieb über Rose Kennedy: "Sie machte die Familie zu einer sich selbst erhaltenden Einheit, in der die Mitglieder ihren eigenen Weg gehen konnten, sich aber dennoch für das Leben der anderen interessierten." Als die älteren Söhne begannen, sich für Politik zu interessieren, wurden sie von ihrer Mutter geradezu leidenschaftlich unterstützt. Von ihrem Vater hatte sie gelernt, wie man politische Kampagnen führt, wie man Probleme der Menschen anspricht, wie man Menschen für sich gewinnt. "Sie war die beste Politikerin, die wir 1946 hatten", sagte Dave Powers (1912-1998), ein langjähriger Freund der Familie.
Drei ihrer vier Söhne erreichten hohe bis höchste politische Ämter
In diesem Jahr hatte sie mit ihrem Vater den Wahlkampf ihres zweitältesten Sohns John F. Kennedy (1917-1963) um einen Sitz im 11. Kongressbezirks des US-Bundestaates Massachusetts größtenteils organisiert. Es war der Beginn einer atemberaubenden Karriere.
Vater "Honey Fitz" hatte in Rose Kennedy ein nahezu untrügliches Gespür für die Politik geweckt, sie liebte die Hinterzimmerstrategien und die Machenschaften hinter den Kulissen. "Sie kannte alle Einzelheiten", urteilte der ehemalige Präsidenten-Sprecher Pierre Salinger (1925-2004) und erwähnte ihr Talent, potenziellen Wählern ein Gefühl von Wichtigkeit zu vermitteln. Fast alle ihre Bemerkungen, Einwände und Argumente waren von ihrer Liebe zur Geschichte durchdrungen. "Meine Sichtweise ist eine historische", sagte sie. "Ich neige dazu, die Ereignisse im Licht der Geschichte langfristig zu betrachten."
Diese Art des Heranführens an Politik hatte nicht nur für die Familie staatspolitische Konsequenzen, sondern auch für die Nation. Drei ihrer vier Söhne erreichten hohe bis höchste politische Ämter: John F. Kennedy wurde 1961 der 35. US-Präsident, sein acht Jahre jüngerer Bruder Robert F. Kennedy (1925-1968) Justizminister mit besten Aussichten auf das Weiße Haus, das "Nesthäkchen" Ted Kennedy (1932-2009) Senator und einer der führenden liberalen Politiker der USA.
Der Kennedy-Fluch
Allerdings hat Rose Kennedy für ihren Anteil an der Durchsetzungskraft der Kennedys einen hohen Preis gezahlt: Der älteste Sohn Joseph P. Kennedy junior (1915-1944) war im Zweiten Weltkrieg Bomberpilot und starb 1944, als sein Flugzeug vor der englischen Ostküste explodierte. Präsident John F. Kennedy wurde 1963 bei einem Attentat in Dallas/Texas erschossen, keine fünf Jahre später fiel Robert Kennedy während des Vorwahlkampfes um die Präsidentschaft einem Mordanschlag zum Opfer. Überdies kam ihre Tochter Kathleen (1920-1948), Witwe eines im Krieg gefallenen englischen Herzogs, 1948 bei einem Flugzeugabsturz in Frankreich ums Leben.
Besonders schwer machte ihr das Schicksal ihrer Tochter Rosemary (1918-2005) zu schaffen. Das Mädchen bekam bei der Geburt zu wenig Sauerstoff und galt als leicht behindert. Doch sie machte ihren Schulabschluss, besuchte gern die Oper und Sportveranstaltungen. Ihr Vater Joseph P. Kennedy glaubte, dass die scheue, aber eigensinnige Rosemary dem Ansehen der Familie schaden könnte und entschloss sich, die Tochter 1941 einer Lobotomie zu unterziehen - ohne das Einverständnis ihrer Mutter, die erst nach dem Eingriff davon erfuhr.
Die damals schon umstrittene neurochirurgische Operation hatte für Rosemary katastrophale Folgen: Sie galt danach als schwerbehindert, ihre geistige Leistungsfähigkeit hatte sich auf die eines zweijährigen Kindes verringert. Rosemary wurde in eine Heilanstalt eingeliefert, wo sie bis zu ihrem Tod als 86-Jährige blieb.
Ehe nur noch auf dem Papier
Nach der verheerenden OP hat sich Rose Kennedy von ihrem Ehemann abgewendet. Die Ehe war zuvor schon in Gefahr, weil Kennedy als notorischer Fremdgänger viele Affären hatte, angeblich auch eine mit Marlene Dietrich (1901-1992). Mit dem Hollywoodstar Gloria Swanson (1899-1983) hatte er in den 20er-Jahren ein Verhältnis, er soll sogar Vater ihres Sohnes Patrick Joseph gewesen sein. Damals konnte "Honey Fitz" seiner Tochter Rose eine Scheidung gerade noch ausreden.
Nachdem Rosemary Kennedy in die Nervenheilanstalt eingeliefert wurde, soll Rose Kennedy kaum noch ein Wort mit ihrem Mann gesprochen haben. Der erlitt 1961 einen Schlaganfall und saß, kaum fähig zu sprechen, bis zu seinem Tod 1969 im Rollstuhl.
Da hatte Rose Kennedy längst die Familienführung übernommen. Mit eiserner Disziplin und Beharrlichkeit. Trotz aller Schicksalsschläge, trotz eines Schlaganfalls, der auch sie 1984 in den Rollstuhl zwang. Wie ein "Magnet, der uns alle als Familie immer zusammenhielt", wie ihr Enkel Joseph Kennedy II (72) bemerkte.
"Willenskraft, nur Willenskraft und das Notwendige zu tun, ist das, was mich weitermachen lässt", sagte sie später. Und als habe es die großen Tragödien in ihrem Leben nie gegeben, schrieb sie in ihrer Autobiografie: "Es gab Zeiten, in denen ich mich als einer der glücklichsten Menschen der Welt fühlte, fast so, als ob die Vorsehung oder das Schicksal oder die Bestimmung, wie Sie wollen, mir besondere Gunst erwiesen hätte."
Sie starb mit 104 Jahren auf dem Familiensitz Hyannis Port. Ihr Mythos als letzte Matriarchin der USA lebt bis heute fort.