Corona ist wieder da: Für verschiedene Erreger ist in den nächsten Monaten mit Infektionswellen zu rechnen. Was tun? Zehn Fragen und Antworten zum Start in die Virensaison.
1. Droht uns bald eine neue Corona-Welle?
Insgesamt liegt die Zahl der akuten Atemwegserkrankungen mit knapp zehn Millionen bereits deutlich über dem Durchschnitt der Vorjahre. In den untersuchten positiven Proben kam nach dem aktuellen Bericht des Robert Koch-Instituts Sars-CoV-2 zu etwa 17 Prozent vor. 27 Prozent gehen auf eines der über hundert bekannten Rhinoviren zurück, typische Schnupfenerreger also. Die Influenza spielt noch keine Rolle, beginnt ihre Saison doch üblicherweise erst um den Jahreswechsel. Den Erfahrungen der vergangenen Jahre nach ist für den Herbst und Winter auch mit einer neuen Corona-Welle zu rechnen. Weil sehr viele Faktoren hineinspielen, lässt sich aber weder für Corona noch für die Grippe vorhersagen, wie heftig diese nächste Welle ausfallen wird.
2. Wer sollte sich gegen Corona impfen lassen?
Es gelten die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko). Demnach sollten zumindest alle über 18 Jahren (auch Schwangere) wenigstens über eine Basisimmunität verfügen. Die wird durch mindestens eine Impfung und zwei weitere Impfungen oder auch überstandene Infektionen erreicht. Kinder ab einem halben Jahr und Jugendliche sollten geimpft werden, falls eine riskante Grunderkrankung vorliegt. Eine Auffrischimpfung wird grundsätzlich allen empfohlen, die beruflich oder durch familiäre Verhältnisse einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind oder mit besonders gefährdeten Menschen zusammenkommen. Dazu zählen alle ab dem 60. Lebensjahr. Jüngere ohne besonderes Risiko benötigen dagegen keinen Booster. Natürlich sollten Zweifelsfälle mit persönlicher medizinischer Beratung geklärt werden.
3. Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Auffrischung gegen Covid-19?
Der Herbst eignet sich, denn das Immunsystem braucht ein bis zwei Wochen, um die auf das Virus maßgeschneiderte Immunität aufzubauen. Die ersten Impfstoffe für diese Saison stehen bereits zur Verfügung, nachdem das zuständige Paul-Ehrlich-Institut die Chargen geprüft und freigegeben hat. Aktuell ist das der mRNA-Impfstoff von Pfizer/Biontech ("Comirnaty"). Später im Herbst wird als Alternative ein Vakzin auf Proteinbasis der Firma Novavax dazukommen ("Nuvaxovid"). Der Schutz durch die Impfung lässt zwar mit der Zeit nach und ist auch individuell unterschiedlich. Aber die Wirkung geht nie ganz verloren und reicht mindestens über den Winter.
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4. Sind die aktuellen Covid-19-Impfstoffe bereits auf neue Virus-varianten angepasst?
Die jetzt verfügbaren Vakzine zielen auf eine Variante mit der Bezeichnung "JN.1". Diese und so gut wie alle umlaufenden Varianten seit November 2021 gehören zur sich immer weiter entwickelnden Familie "Omikron". Das ist womöglich verwirrend, hat aber den Vorteil, dass das Virus zwar mutiert, bislang aber nicht völlig überraschende Eigenschaften auftauchen. Darum sind selbst ältere Impfstoffe keineswegs nutzlos. Es ist trotzdem sinnvoll, der Entwicklung des Virus zu folgen, um eine genetisch passende und damit möglichst wirkungsvolle Immunantwort zu erzeugen. Auch JN.1 hat schon weitere Abkömmlinge mit seltsamen Kürzeln hervorgebracht, die derzeit auch hierzulande an Fahrt gewinnen: KP.3.1.1 etwa oder XEC. Doch die aktuellen Impfstoffe schützen auch bei diesen Subvarianten vor schweren Verläufen von Covid-19. Und wie eine eben veröffentlichte Studie aus Japan zeigt, ist unser Immunsystem so flexibel, dass es sich selbst bei Booster-Impfungen mit einem "veralteten" Vakzin auf die neuesten Varianten ausrichten kann.
5. Schützt die Impfung inzwischen auch gegen eine Ansteckung?
Nein. Zwar zeigen Studien, dass das Ansteckungsrisiko durch eine Impfung reduziert wird. Bei den derzeitigen Impfverfahren werden jedoch gerade da, wo die Ansteckung gewöhnlich erfolgt – in den Schleimhäuten der Atemwege – zu wenig lokale Antikörper ausgebildet. Das ließe sich verbessern, wenn Impfstoffe als Nasenspray verfügbar wären. Dann würde die Antikörperproduktion lokal angeregt und zu wesentlich höheren Konzentrationen führen als bislang. Einer der aktuellen Impfstoffe müsste aber dennoch gespritzt werden, damit die Immunität auch im gesamten Organismus aufgebaut werden kann.
6. Besteht eine Aussicht auf neue Impfstoffe, die besser schützen?
Mehr als 20 Nasensprays sind bereits in der Entwicklung und zeigen in ersten Tests auch eine gute Wirksamkeit, hauptsächlich aber noch im Tierversuch. Andere Impfstoff-Konzepte zielen darauf, künftig nicht nur ein einziges Virus-Eiweiß als Antigen einzusetzen (derzeit: das bekannte Andock-Protein "Spike"), sondern gleich mehrere. So könnte die Immunantwort auf die Impfung eher der einer natürlichen Infektion gleichen, bei der es die Abwehr mit dem kompletten Virus zu tun bekommt und darum breiter reagiert. Ideal wäre es, einen universalen Impfstoff gegen alle Varianten von Sars-CoV-2 und möglichst auch weitere Coronaviren zu entwickeln. Damit könnte man vermutlich sogar einer neuen Coronapandemie mit einem derzeit noch unbekannten, aber doch verwandten Virus zuvorkommen.
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7. Kann die Impfung gegen Corona mit der gegen Grippe kombiniert werden?
Ja, das ist möglich, wobei die Impfungen in unterschiedliche Gliedmaßen gegeben werden sollten. Es wird derzeit auch versucht, Kombinationsimpfstoffe zu entwickeln, die dann jeweils gegen die aktuellen Corona-Varianten und zugleich gegen die jeweiligen Stämme der Influenza (Grippe) schützen sollen. Die mRNA-Technik, bei der quasi eine Box mit vielen verschiedenen Immunreizen zugleich befüllt werden kann, eignet sich dafür ganz besonders und hat auch schon erste Erfolge gebracht. Moderna etwa meldete kürzlich einen guten Schutz sowohl gegen Sars-CoV-2 als auch gegen drei Influenza-Stämme. Der Antrag für eine Zulassung in den USA wird vorbereitet. Positive Nachrichten kamen auch vom Mitbewerber Pfizer/Biontech, wo ebenfalls an einem Kombinationsvakzin gearbeitet wird. Die Daten einer größeren Studie zeigten aber noch Probleme beim Influenza-B-Virus.
8. Sollten vorsichtshalber auch Kinder gegen die Grippe geimpft werden?
Bei Kindern kommt es nur sehr selten zu schweren oder gar kritischen Verläufen. Darum empfiehlt die Stiko derzeit eine Influenza-Impfung nur für Kinder und Jugendliche mit einem höheren Risiko durch eine Vorerkrankung. Dann sind Impfungen ab dem sechsten Lebensmonat möglich. Für diese Gruppe steht alternativ zur Spritze auch ein immunisierendes Nasenspray zur Verfügung. Eine Grippeimpfung für alle Kinder wird allerdings in keinem EU-Land empfohlen, da der medizinische Nutzen für zu gering gehalten wird.
9. Welche anderen Erreger haben in den kälteren Monaten auch Saison?
Es gibt ganze Scharen von verschiedenen Atemwegserregern, die uns besonders im Herbst und Winter zu schaffen machen können. Denn wird es kalt und nass, rücken wir näher zusammen. Entsprechend steigt die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung. Wie schwer es einen trifft, hängt oft davon ab, wie krank man ohnehin schon ist. Das Spektrum reicht jedenfalls vom lästigen Schnupfen bis zu lebensbedrohlichen Lungenentzündungen oder auch so komplexen Krankheiten wie Covid-19 mit möglichen Langzeitfolgen ("Long Covid"). Einer der wichtigsten Herbst-Winter-Erreger ist das "Respira-torische Synzytial-Virus" (RSV oder RS-Virus). Auch dieser Keim ist vor allem für die Schwächsten gefährlich: Säuglinge, Ältere und alle Menschen mit schweren Vorerkrankungen der Atemorgane.
10. Gibt es auch gegen das RS-Virus eine Impfung?
Zwei Impfstoffe ("Abrysvo" und "Arexvy") wurden im vergangenen Jahr für die EU zugelassen. Die Stiko empfiehlt darum allen Menschen ab dem 75. Lebensjahr, aber auch schon allen ab 60 Jahren, bei denen schwere Vorerkrankungen vorliegen oder wenn in Pflegeeinrichtungen gelebt wird, sich einmalig gegen RSV impfen zu lassen. Die europaweite Zulassung von Abrysvo gilt auch für Schwangere zum Schutz der Kinder von der Geburt bis zum Alter von sechs Monaten. Die Neugeborenen, deren eigenes Immunsystem erst noch "lernen" muss, erhalten so über die Plazenta stellvertretend Antikörper der geimpften Mutter ("Nestschutz"). Weil diese Impfung noch neu und die Datenlage dünn ist, empfiehlt die Stiko diese Impfung für Schwangere noch nicht. Neugeborene und Säuglinge bis zu einem halben Jahr sollen stattdessen per Injektion in den Oberschenkel rechtzeitig vor ihrer ersten RSV-Saison (Oktober bis März) mit einem Antikörper ("Nirsevimab", Handelsname "Beyfortus") geschützt werden.