4 months ago

Verdächtiger reiste durchs Land: Mutmaßlicher Nord-Stream-Saboteur besuchte vor Flucht Berlin



Nach dem Nord-Stream-Anschlag reist einer der mutmaßlichen Täter offenbar mehrfach durch Deutschland. Ende Mai besucht der in Polen gemeldete Ukrainer eine Verwandte in Berlin. Wenige Tage später erlassen deutsche Behörden einen europäischen Haftbefehl. Dennoch gelingt dem Mann die Flucht.

Einer der mutmaßlichen Nord-Stream-Saboteure hätte einem Bericht zufolge womöglich in Deutschland festgenommen werden können. Wie gemeinsame Recherchen von "Spiegel", ZDF und dem dänischen Rundfunk DR ergaben, fuhr der Verdächtige Wolodymyr Sch. nach den Anschlägen auf die Ostsee-Pipelines im Herbst 2022 wiederholt nach Deutschland. Demnach geschahen die Reisen auch zu einem Zeitpunkt, als die Bundesanwaltschaft ihn bereits als Beschuldigten in ihrem Ermittlungsverfahren wegen verfassungsfeindlicher Sabotage führte.

Laut den Recherchen fuhr Wolodymyr Sch. Ende Mai und nur wenige Tage, ehe ein Haftbefehl gegen ihn erging, letztmalig durch Deutschland. Auf der Rückreise aus Dänemark zu seinem Wohnsitz in Polen habe er dabei auch eine Verwandte seiner Frau in Berlin besucht. Das belegen laut "Spiegel", ZDF und DR Reisedaten von Wolodymyr Sch. Auch die in Berlin lebende Ukrainerin habe den Besuch von Wolodymyr Sch. am 26. Mai bestätigt.

Eine weitere Reise nach Dänemark habe Sch.s Ehefrau offenbar storniert - nur eine Woche, nachdem am 21. Juni 2024 ein europäischer Haftbefehl gegen Wolodymyr Sch. nach Polen übermittelt worden sei. Kurz darauf habe sich Sch. in die Ukraine abgesetzt. Wolodymyr Sch. ließ eine Anfrage der Medien zu den Vorgängen unbeantwortet.

"Für uns ist der ein Held"

Der Fall ist inzwischen zu einem Politikum geworden. Eigentlich hätten polnische Behörden den europäischen Haftbefehl gegen Sch. sofort vollstrecken müssen. Stattdessen sollen hochrangige polnische Politiker ihren deutschen Kollegen am Rande der deutsch-polnischen Regierungskonsultationen Anfang Juli mitgeteilt haben, dass man die Festnahme nicht vornehmen werde. In deutschen Behördenkreisen erzähle man sich, dass polnische Offizielle gesagt hätten: "Warum sollten wir den festnehmen? Für uns ist der ein Held!"

Inzwischen gehe man auf deutscher Seite sogar davon aus, dass Sch. vor einer drohenden Festnahme gewarnt wurde. Dahinter sollen polnische Stellen stecken. Ähnlich wie die Ukraine störte sich auch Warschau an der Pipeline, die man als Sicherheitsrisiko betrachtete.

Dass auch ukrainische Behörden eingeweiht waren, zeige Sch.s Fluchtweg, hieß es weiter. Demnach überquerte er die Grenze zwischen Polen und der Ukraine am 6. Juli in einem Fahrzeug mit diplomatischen Kennzeichen. Der Wagen soll der ukrainischen Botschaft in Warschau zuzuordnen sein.

Im September 2022 hatte ein Sabotage-Kommando die in der Ostsee verlaufenden Nord-Stream-Pipelines gesprengt und dabei drei der vier Röhren zerstört. Die Ermittler von Bundesanwaltschaft, Bundeskriminalamt und Bundespolizei sind sich inzwischen sicher, dass Ukrainer hinter der Attacke stecken.

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