In Chicago hat eine Pressevereinigung den Ex-US-Präsidenten eingeladen. Donald Trump trifft hier schwarze US-Journalisten – das verheißt wenig Harmonie.
Die Gesprächsrunde bei der Nationalen Vereinigung schwarzer Journalisten im Chicagoer Hilton-Hotel war sicher nie als harmonische Streichelrunde geplant, doch sollte Trump die Hoffnung gehabt haben, hier die Herzen einiger Afroamerikaner zu erobern – dann hat er sie kläglich vergeben.
Der Empfang war wirklich nicht gerade herzlich, soviel muss man ihm zu Gute halten. Doch etwas mehr Souveränität hätte man einem früheren Präsidenten der USA zutrauen können. Aber Donald Trump ist eben Donald Trump
"Zunächst einmal", hob Donald Trump an, "wurde ich noch nie auf so eine fürchterliche Art befragt. Nicht einmal ein 'Hallo, wie geht es?' gab's," beschwerte er sich unter raunendem Gelächter des Publikums. Es folgten Worte wie "Fake News", "Schande", "feindlicher Einstieg". Damit war dann auch der Ton für die nächste 30 Minuten gesetzt.
Trumps rassistischer Ausfall, Harris Antwort
Donald Trump beklagt abwesende Kamala Harris
Nach nicht einmal vier Minuten auf der Bühne mit den drei Moderatorinnen, beschwert sich der wahlkämpfende Republikaner über den verspäteten Start der Veranstaltung und das Fehlen seines Kontrahenten. "Es war vereinbart, dass Joe Biden auch hier sein sollte. Oder eben Kamala Harris. Ich bin hier unter falschen Voraussetzungen angereist", sagte Donald Trump, um umweglos zur Aussage zu gelangen, dass er der "beste Präsident für Schwarze seit Abraham Lincoln" gewesen sei.
Die Aussage von ihm ist nicht neu, aber deshalb nicht weniger abenteuerlich. Lincoln hatte wegen der Sklaverei einen blutigen Krieg gegen die abtrünnigen Südstaaten geführt, und sie 1865 abgeschafft. Der 16. Präsident starb durch ein Attentat und gilt in den USA als einer der angesehensten Staatsoberhäupter. Der Vergleich mit ihm ist mindestens gewagt, entsprechend ungläubig reagierte das Publikum.
Ist sie indisch "oder" ist sie schwarz?
Doch damit nicht genug, Trump, der häufig mit fragwürdigen Theorien und Aussagen zu Herkunft und Hautfarbe auffällt, redet sich anschließend um Kopf und Kragen.
Donald Trump Auftritt Schwarze Journalisten
Auf die Frage, ob Kamala Harris, US-Vizepräsidentin und designierte Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, nur wegen ihrer jamaikanisch-indischen Eltern in Amt und Würden sei, antwortet er: "Sie war immer indischer Abstammung und hat nur mit ihrer indischen Abstammung geworben. Ich wusste nicht, dass sie schwarz ist, bis sie vor einigen Jahren plötzlich schwarz wurde. Und jetzt will sie als Schwarze bekannt sein. Also ich weiß es nicht: Ist sie indisch oder ist sie schwarz? Ich glaube, das sollte sich jemand anschauen."
Äußerungen zur ethnischen Herkunft sind in den USA ohnehin ein hochsensibles Thema. Schlimmer wird es nur noch, wenn jemand die Wurzeln eines anderen anzweifelt oder, wie in diesem Fall, ein weißer Mann einer nicht-weißen Frau erklären will, welche Identität sie habe. Schnell begann auch der Sturm der Entrüstung. Das Weiße Haus reagiert empört, die Kandidatin Harris selbst sprach im texanischen Houston ebenfalls vor einem schwarzen Publikum, von der "gleichen, alten Show: Spalterei und Respektlosigkeit".
Was genau sind "schwarze Jobs"?
Auf der Bühne in Chicago nutzt Trump jede Gelegenheit, seine Wahlkampfthemen herunterzubeten, unter anderem "illegale Einwanderung". Im üblich verächtlichen Ton sagte er, "sie (die Einwanderer) stehen zu Abermillionen an unserer Grenze, um schwarze Jobs zu übernehmen". Auf die Nachfrage, was genau "schwarze Jobs" seien, sagt er unbeholfen: "Jeder, der einen Job hat." Doch für jeden im Raum ist offensichtlich, was mit "black Jobs" eigentlich gemeint: Handlanger und Hilfsarbeitertätigkeiten, Arbeit für Geringqualifizierte, die oft von Einwanderern übernommen werden. Oder in der Welt von Rechtspopulisten wie Trump: von Afroamerikanern.
In den 35 Minuten rasselt der Ex-US-Präsident seine üblichen und längst widerlegten Lügen und Übertreibungen herunter:
- Etwa seine Klassiker von der Migranten-"Invasion": "Wahrscheinlich 15, 16, 17 Millionen Menschen. Ich glaube sogar, es sind noch mehr." (Experten schätzen die Zahl auf maximal zehn Millionen, d.Red.)
- "In diesem Moment kommen Illegale in unser Land, viele sind Häftlinge oder waren in der Psychiatrie und sie kommen, um sie zu wählen." (Weder migrieren besonders viele verurteilte noch psychisch kranke Menschen in die USA, noch werden sie die Demokraten wählen, wie Trump andeutet, d.Red.)
- "Die Inflation ist die Schlimmste seit 100 Jahren. Die Fact-Checker sagen vermutlich, nur seit 58 Jahren, wie auch immer." (Vergleichbare Inflationsraten von zehn Prozent gab es noch Anfang der 80er-Jahre, d.Red.)
- "Wir haben mehr flüssiges Gold, Gas und Öl, unter unseren Füßen als jedes andere Land. Mehr als Saudi-Arabien, mehr als Russland." (Die USA sind auf Platz neun bei den weltweiten Ölvorkommen, hinter Saudi-Arabien und Russland, und auf Platz vier bei Gasvorkommen, d.Red.)
Mäandernde, halbgare und diskriminierende Wahlkampfphrasen sind das eine. Wenn es konkret wurde, blieb Donald Trump oft seltsam vage. Sogar bei seinen Lieblingsthemen wie Law-and-Order. So fordert Trump etwa die Immunität von Polizisten im Einsatz. Auf die Frage, ob er auch den Beamten begnadigen würde, der kürzlich in Chicago eine unbewaffnete Frau in ihrem Zuhause erschossen hat, sagte er: "Ich kenne den Fall nicht. Vielleicht nicht. Ich meine, es hängt davon ab, es hängt davon ab, was passiert. Wir brauchen Leute, die uns beschützen."
"Sir, haben Sie denn kein Schamgefühl?"
Deutlich offensiver dagegen nimmt der Ex-Präsident seine Anhänger in Schutz, die am 6. Januar 2021 das US-Kapitol, dem Sitz des Parlaments, gestürmt haben. Fünf Menschen starben dabei. Auf die Frage, ob er, wiedergewählt ins Weiße Haus, begnadigen würde, sagte er: "Wenn Sie unschuldig sind, würde ich sie begnadigen." Er verglich die Aufständischen sogar mit den Demonstranten in Minneapolis, wo die Menschen nach dem Tod von George Floyd protestiert haben – ein Schwarzer, der von einem Polizisten erschossen wurde.
Nach diesem Vergleich platzte einem Zuhörer in Chicagoer Hilton der Kragen: "Sir, "Sir, haben Sie denn kein Schamgefühl?"
Quellen: Fox, Politifact, Axios