Die Studierendenproteste gegen die Nahostpolitik der USA im vergangenen Jahr nimmt Donald Trumps Regierung zum Anlass, um gegen ausländische Studierende vorzugehen. Es ist eine der Schlachten im Kulturkrieg um die Zukunft des Landes.
Die Angriffe kommen fast täglich. Eine Auswahl: Die Einwanderungsbehörde nimmt Uni-Demonstranten aus dem vergangenen Jahr fest. Die Regierung kündigt Abschiebungen von Studierenden an. Razzia auf dem Campus in New York. US-Präsident Donald Trump droht per Dekret und über soziale Medien den Hochschulen. Behörden kürzen als Druckmittel öffentliche Gelder für Forschung und Stipendien. Die Regierung fordert die Übergabe von Daten über Studierende. Die Bildungsministerin hält ihr eigenes Ressort für unnötig. Gender werden nun totgeschwiegen. Das ist die US-Bildungspolitik im Jahr 2025.
Es ist Donnerstagmittag in Manhattan. Demonstranten drängen in den Trump Tower, um sich gegen die Festnahme eines Anführers der propalästinensischen Studierendenproteste gegen den Gaza-Krieg im vergangenen Jahr zu wehren. "Befreit Mahmoud Chalil", rufen die von der linken Organisation "Juden für Frieden" organisierte Aktion durch die golden glänzende Lobby. "Bekämpft Nazis, keine Studenten!" Auf ihren roten T-Shirts stehen Slogans wie "Nicht in unserem Namen" oder "Juden sagen: stoppt die Bewaffnung Israels". Die Polizei nimmt fast 100 Personen fest.
Chalil sitzt derzeit in Haft. Die Regierung beruft sich auf ein Gesetz, mit dem Ausländer abgeschoben werden können, falls sie eine "Gefahr für die nationale Sicherheit" sind. Darüber wird nun vor Gericht gestritten. Doch Trump geht es nicht nur um den 30-Jährigen. "Er ist der Erste von vielen", sagte er über Chalil. Trump hatte ein entsprechendes Dekret unterzeichnet; demnach will die Regierung propalästinensischen Demonstranten ihre Visa entziehen. "Wir werden euch finden und abschieben", heißt es in einem offiziellen Faktenblatt martialisch. Schulen und Hochschulen, die "illegale Demonstrationen" erlaubten, soll die finanzielle Unterstützung entzogen werden.
Der Fall ist exemplarisch für das Ringen um die politische Meinungsfreiheit, welche die Republikaner immer wieder für sich selbst einfordern, anderen aber untersagen wollen. Mehr als anderswo gilt das an den Universitäten, die üblicherweise den gesamten Campus als offenen Diskussionsraum verstehen, nicht nur die Lehrveranstaltungen. Doch Trumps Regierung führt einen Kulturkrieg gegen Institutionen, die sie als die Wurzel der Progressiven und "Wokeness" in den USA ausgemacht hat. Dahinter steht die Ansicht, die Universitäten und damit auch die Schulen seien ein Hort linker Ideen, der konservative Ansichten autoritär unterdrückt.
"Die größten Ängste sind wahr geworden"
Die Vorgehensweise ist höchst kontrovers; das Recht auf Meinungsfreiheit ist der Heilige Gral der Vereinigten Staaten. Bei Protesten ist häufig zu beobachten, wie sich Menschen mit absurdesten Positionen aus nächster Nähe per Megafon anbrüllen, aber ohne handgreiflich zu werden. Das muss man aushalten, das ist Meinungsfreiheit. Darauf fußt das Selbstverständnis der USA, die "freie Welt" anzuführen - das jedoch aktuell, wie schon bei den Protesten im vergangenen Jahr, mit politischen Realitäten kollidiert. Kritiker sagen nun: Trumps Regierung verletzt diese Werte, diesen Grundsatz der USA, indem er unliebsame Ansichten unterdrücken, mit Staatsgewalt durchdrücken und zudem die akademische Freiheit einschränken will.


Mahmoud Chalil wurde am 7. März festgenommen.
(Foto: via REUTERS)
Im Namen von Chalil und sieben weiteren Studierenden hat das Council of American-Islamic Relations (CAIR), die größte arabisch-amerikanische Interessenvertretung, Klage gegen die geforderte Übergabe der Akten eingereicht. Afaf Nasher, Vorsitzender des CAIR New York, warnt: Heute vertreten wir diese Studenten, aber morgen können Sie es sein, die Ihren Standpunkt vertreten, unabhängig davon, ob diese oder eine zukünftige Regierung Ihre Stimme unterdrücken möchte. "Die größten Ängste sind wahr geworden", sagte der verantwortliche Anwalt des CAIR. "Das sind (Außenminister) Marco Rubio und Donald Trump, die im Raum sitzen und sagen: Lasst uns diesen Kerl abschieben."
Weitere NGOs verweisen auf die Meinungsfreiheit. So schrieb etwa die größte Bürgerrechtsorganisation der USA, die ACLU: "Trumps jüngste Zwangskampagne, mit der er versucht, die Universitätsverwaltung gegen ihre eigenen Studenten und Lehrkräfte aufzubringen, erinnert an die McCarthy-Ära und steht im Widerspruch zu den Werten der amerikanischen Verfassung und der grundlegenden Aufgabe der Universitäten." James McCarthy war ein Senator, der nach dem Zweiten Weltkrieg die Verfolgung von linken Sympathisanten anführte - oder sie dessen bezichtigt hatte.
Konkrete Drohungen gegen Hochschulen
Chalil ist mit einer US-Amerikanerin verheiratet und besitzt eine Green Card, eine permanente Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis. Welche die Trump-Regierung ihren Angaben zufolge annulliert hat, da sie dem Aktivisten die Unterstützung der radikalislamischen Hamas unterstellt. Der Sohn palästinensischer Flüchtlinge hatte die Demonstrationen an der Eliteuniversität Columbia in New York mitorganisiert, die sich danach zu landesweiten Protesten gegen Israels Vorgehen im Gaza-Krieg ausweiteten. Demonstranten besetzten zeitweise ein Gebäude an der Columbia, die Polizei räumte es.
Dies nimmt die US-Regierung nun zum Anlass, um ausländischen Studierenden und Hochschulen allgemein zu drohen. Dabei geht Trump so vor wie üblich: mit der Axt. Der Columbia Universität entzogen die Behörden am 7. März insgesamt 400 Millionen Dollar staatlicher Finanzierung, weil diese sich angeblich nicht ausreichend gegen die "anhaltende Belästigung" jüdischer Studenten bemühe. Hunderte Forschungsstipendien würden wegfallen, insbesondere im medizinischen Bereich. "Diese Kürzungen werden jede Ecke der Universität betreffen", schrieb Columbias Interimspräsidentin Katrina Armstrong in einer E-Mail an Beschäftigte und Studierende.
Kurz darauf exmatrikulierte die Universität mehrere Studierende und annullierte eventuell erhaltene Abschlüsse. Am Freitag kam ein zweiter Brief, vom Gesundheits- und Bildungsministerium. Darin werden weitreichende Forderungen gestellt: Die Präsidentin der Columbia solle das alleinige Sagen über Disziplinarmaßnahmen und Bestrafungen erhalten; nicht mehr das bisherige, gewählte juristische Gremium, das abgeschafft werden solle. Das Nahost- und andere Regionalstudieninstitute sollten unter direkte Aufsicht gestellt, also entmachtet werden; die Sicherheitskräfte mit aller Härte gegen Störer sowie die Universität gemäß einer bestimmten Antisemitismus-Definition vorgehen. Erfülle die Universität die Forderungen bis zum 20. März, gäbe es auch wieder Geld.
Keine Gleichstellung mehr, Ministerium abschaffen
Das Bildungsministerium möchte die US-Regierung gerne komplett abschaffen. Das Ressort ist nicht für Bildungseinrichtungen direkt verantwortlich, verteilt aber Gelder, verwaltet Studienkredite und hat eine wichtige Rolle bei Gleichstellungsmaßnahmen im Bildungssystem. Eine offizielle Schließung des Ressorts müsste zwar der Kongress veranlassen, doch das Weiße Haus kann es auch einfach aushöhlen. Die ersten Schritte dazu sind gemacht. Die Hälfte der Mitarbeiter wurde frühverrentet oder beurlaubt. Bildungsministerin Linda McMahon sagte in einem Interview, ihr Ministerium sei überflüssig.
Per Dekret beendete die Regierung bereits die Gleichstellungsmaßnahmen in ihren Behörden, entsprechende Stellen kürzte sie weg. Fast 200 Wörter, die mit Diskriminierung und Gender zusammenhängen, sollen dort nicht mehr verwendet werden. Man könnte auch sagen: Rassismus ist jetzt wieder offiziell erlaubt. Gender wird offiziell nicht mehr anerkannt. Trump hatte am Tag seines Amtsantritts unter anderem verkündet, es gebe "nur zwei Geschlechter", und ein entsprechendes Dekret unterzeichnet. Die Gegner seiner Agenda hatte er bereits im Wahlkampf als "Feinde im Innern" bezeichnet.
"Man muss die Universitäten aggressiv angreifen", hatte Trumps Vizepräsident Vance während seines Senatswahlkampfes 2021 bei einer nationalkonservativen, also rechten Konferenz gefordert. Die Universitäten und Professoren seien der Feind der Konservativen: "So viel, was wir in dieser Bewegung erreichen wollen, hängt von sehr feindseligen Einrichtungen ab, insbesondere die Universitäten." Sie förderten kein kritisches Denken, sondern kontrollierten das Wissen in dieser Gesellschaft, was wiederum bestimme, was als Wahrheit oder Falschheit angesehen werde. Demnach sind also die Aufklärung und das Wissenschaftsprinzip unnütz, wenn es den eigenen politischen Zielen nicht passt?
Es passt hingegen zu dem, was Republikaner und die Rechten immer wieder direkt oder zwischen den Zeilen sagen: Sie seien die Opfer einer linken Verschwörung oder einer linken, verkrusteten Elite, die aus Machthunger und Geldgier andere Ansichten unterdrückten. Lehrer lernten ihr Handwerk an Universitäten und die Konservativen "übergeben unsere Kinder an den Feind", so Vance. Auch die Verbote während der Pandemie, die "Wurzel allen Übels", liegt demnach in den Universitäten. "Sie kontrollieren unser Leben und wie wir es leben." Es sei absurd, die eigenen Kinder an die Hochschulen zu schicken, wo sie gehirngewaschen würden und dafür Schulden aufhäufen, damit sie danach ein Mittelschichtleben führen könnten.
Die juristische Fakultät der Eliteuniversität Yale, wo Vance selbst seinen Abschluss gemacht hatte, stellte er als "totalitär" dar, weil Konservative dort angeblich keinen Platz haben. Er behauptete im gleichen Atemzug, die progressive Linke sei eine Oligarchie: Sie bestählen die US-Amerikaner und brächten sie zum Schweigen, falls diese sich darüber beschwerten: "Es geht um Macht." Der Bildungssektor ist zwar nur ein Bereich der Gesellschaft. Aber der Schlüssel für die Zukunft.