Union starrt auf die FDP: Merz behält recht - aber nicht so, wie er wollte

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Die letzten Umfragen vor der Wahl zeigen unerwartete Bewegung. Im Trendbarometer von RTL und ntv wird es eng für ein Zweierbündnis aus Union und SPD. Insbesondere dann, wenn die FDP auf fünf Prozent kommt. Der Wahlsonntag wird zur Zitterpartie.

An der Spitze könnte diese Wahl spannender sein. Ob die Unionsparteien am Sonntag nun mit 28, 29 oder 32 Prozent über die Ziellinie gehen, wird nichts an ihrem Wahlsieg ändern. Wohl aber, ob die FDP oder das BSW auf fünf Prozent kommen. Dann nämlich droht Ungemach für die Union: Für ein Zweierbündnis würde es dann vermutlich nicht mehr reichen. Weder mit den Grünen noch mit der SPD.

Da droht schon mal die erste Ernüchterung. Denn nach der Ampel-Erfahrung ist man sich eigentlich einig in Berlin: Bitte kein Dreierbündnis mehr, bitte wieder eine Zweierkonstellation. Wobei CDU und CSU als ein Partner gewertet werden. Was legitim ist, aber auch nicht so eindeutig wie es klingt. Man erinnere sich nur an die Schlachten, die einst Angela Merkel und Horst Seehofer schlugen. Aber gut, jetzt passt es wieder zwischen den Schwesterparteien. Insbesondere in der Migrationspolitik.

Ausgerechnet die Partei, die der Union am nächsten steht, könnte zu ihrem größten Problem werden: die FDP. CDU-Chef Friedrich Merz hatte das vorausgesehen. Die Stimmen der FDP könnten der Union am Ende fehlen, hatte er gegenüber den Funke-Zeitungen gewarnt: "Vier Prozent sind vier Prozent zu viel für die FDP und vier Prozent zu wenig für die Union."

Saurer, gelber Apfel

Vier Prozent plus x für die FDP wären aber das kleinere Übel für die Schwesterparteien. Die FDP bliebe draußen und die Chancen für Schwarz-Rot stiegen drastisch. Kämen die Liberalen in den Bundestag, wäre eine Deutschland-Koalition die wahrscheinlichste Variante. Sprich: Schwarz-Rot-Gelb.

Aber auch das wäre ein ziemlich saurer, gelber Apfel, in den Merz da beißen müsste. Die FDP als Juniorpartner wäre in einer schwierigen Lage. Sie müsste sich ständig von der Union abheben, um nicht als blasser, verzichtbarer Mitläufer dazustehen. Sie würde vermutlich das tun, was sie schon im Wahlkampf getan hat: Sich als die bessere, konsequentere und mutigere Alternative für bürgerliche Wähler darstellen, insbesondere in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Damit stünden die Zeichen wieder auf Streit. Denn wenn die FDP nicht möglichst breitbeinig auftritt, bekommt ihre Erfolge kaum jemand mit. So war es in der Ampelregierung. Aber nicht nur dort: Auch in der schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel von 2009 bis 2013 gab es jede Menge Streit.

Das zarte Pflänzchen Hoffnung in Sachen Lockerung der Schuldenbremse würde jedenfalls gleich wieder eingehen, wenn die Liberalen mit am Tisch säßen. Die Schuldenbremse ist ihr Ein und Alles, Kompromisse sind da nicht zu erwarten. Sie haben dafür gute Argumente. Aber es gibt auch gute Argumente für eine Lockerung. Stichwort Verteidigung. Wenn die Europäer aus der militärischen Abhängigkeit der USA heraustreten wollen, kostet das viel Geld. Die EU macht es vor. Sie will mehr Schulden erlauben, wenn sie in die Verteidigung fließen.

Das könnte auch ein Modell für Deutschland sein, ein Kompromiss zwischen Union und SPD oder auch Grünen. Aber nicht mit der FDP. Das Worst-Case-Szenario sähe dann so aus: Die Rüstungsgegner und Russland-Sympathisanten in der SPD verzögern Waffenlieferungen und Rüstungskäufe, für die wegen der FDP ohnehin kein Geld vorhanden ist.

Oder Schwarz-Rot-Grün?

Anders sähe es beim anderen Top-Thema aus, der Migration. In der CDU gibt es einigen Optimismus, dass am ehesten mit den Sozialdemokraten strengere Maßnahmen erlassen werden könnten. Auch aus der FDP droht kein massiver Widerstand.

Unter die Räder käme dabei vermutlich der Klimaschutz. Säßen die Grünen mit am Tisch, wäre das anders. Denkbar wäre auch Schwarz-Rot-Grün, also eine Kenia-Koalition. Doch so ein Bündnis dürfte am Widerstand der CSU scheitern, solange noch andere Varianten möglich sind. CSU-Chef Markus Söder hat sich insbesondere auf Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck eingeschossen.

Merz will die Tür nicht ganz zuschlagen. Er sagt lediglich, "mit diesen Grünen" gebe es keine Koalition. Damit meint er vor allem die Wirtschaftspolitik. Er will weniger Groß-Subventionen, sondern andere Rahmenbedingungen für alle. Auf einer Wahlkampfrede in Berlin sagte er am Donnerstagabend, Habecks Arbeitsplatz werde es in der nächsten Regierung nicht mehr geben,Wirtschaft und Klimaschutz würden wieder getrennt. Eines sagte er aber nicht: Dass Habeck bei ihm nichts mehr wird. Das ist weise. Es ist gut möglich, dass er die Grünen noch braucht.

All diese Rechnereien wären hinfällig, gäbe es den sensationellen Endspurt der Linken nicht. Der geht auch auf Merz und sein AfD-Manöver zurück. Seit die Unionsparteien gemeinsam mit FDP, BSW und AfD für das "Zustrombegrenzungsgesetz" stimmten, erlebt die Linke einen ungeahnten Höhenflug. Fünf Prozentpunkte legte sie seit Ende Januar zu, steht im Trendbarometer bei 8 Prozent. Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek agitiert im Netz, insbesondere auf Tiktok, gegen Merz. Und das extrem erfolgreich.

Käme die Linke jedoch nicht in den Bundestag, könnte es locker für Schwarz-Rot und selbst für Schwarz-Grün reichen. Ende Januar sah es noch danach aus. Kurz vor der Wahl ist also Ernüchterung angesagt bei der Union. Sie wird die Wahl ungefährdet über die Ziellinie bringen. Ob sich das noch wie ein Sieg anfühlen wird, ist eine andere Frage.

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