Fast 40 Prozent der Arbeitnehmer haben nicht vor, bis zum gesetzlichen Rentenalter zu arbeiten. Es liegt weniger an einer angeblichen Bequemlichkeit der Jüngeren.
Knapp 65 Prozent, also fast zwei Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland können sich vorstellen, bis zu ihrem gesetzlichen Renteneintrittsalter zu arbeiten. Allerdings wollen es nur 57 Prozent tatsächlich auch tun. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter gut 5000 Beschäftigten im April 2024 hervor, die der "Rheinischen Post" vorliegt.
Laut Umfrage sind die Unterschiede zwischen den Altersgruppen überraschend gering: 66,4 Prozent der Beschäftigten im jungen Alter von unter 35 Jahren können sich vorstellen, bis zum Rentenalter zu arbeiten. Bei den 50- bis 66-Jährigen sind es mit 62,6 Prozent lediglich vier Prozentpunkte weniger. Tatsächlich bis zum Rentenalter arbeiten wollen am Ende nur 59,7 Prozent der unter 35-Jährigen. Bei den über 50-jährigen Beschäftigten sind es mit 54,5 Prozent ein wenig mehr als die Hälfte.
17 Prozent aller Beschäftigten in der Umfrage geben an, weder in der Lage zu sein noch den Wunsch zu haben, bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zu arbeiten. Nur 48 Prozent fühlen sich gleichzeitig in der Lage dazu und wollen auch gerne bis zum Rentenalter arbeiten, so ein Fazit der Umfrage. Rund sechs Prozent wären zwar gerne bis zur Regelaltersgrenze tätig, befürchten jedoch, nicht so lange durchzuhalten. Etwa 14 Prozent geben an, dass sie so lange arbeiten könnten, aber lieber vorzeitig in Rente gehen möchten.
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Rente: Gutverdiener wollen eher Regelaltersgrenze erreichen
Während das Alter weniger aussagekräftig ist, als üblicherweise angenommen wird, unterscheiden sich die Angaben je nach Einkommenshöhe beträchtlich: Der Anteil derer, die sich vorstellen können, bis zum Rentenalter zu arbeiten, ist unter Gutverdienern deutlich höher als bei Geringverdienern. Anders ist es beim Wunsch nach längerer Arbeit: Hier sind die Anteile bei Geringverdienern etwas höher – mutmaßlich aus finanziellen Gründen. Über alle Gruppen hinweg spielt die Sicherung des Lebensstandards im Alter die wichtigste Rolle, wenn es um die Frage des Renteneintritts geht.
Weit verbreitet ist auch die Auffassung, man habe sich wegen seiner Lebensleistung den Ruhestand verdient, so die Studienautoren. "Problematisch wird dieses Narrativ, wenn daraus eine Anspruchshaltung abgeleitet wird, das Renteneintrittsalter über Generationen konstant zu halten und auch nach 2031 nicht weiter erhöhen zu wollen, obwohl die Lebenserwartung weiter steigt und daraus immer längere Rentenbezugsdauern resultieren", so das Kölner Institut.
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Als Motiv für längeres Arbeiten spiele auch Freude bei der Arbeit eine nicht zu unterschätzende Rolle: "Beschäftigte, die sich bei ihrer Arbeit voller Energie fühlen und nur selten an der Wichtigkeit ihrer Arbeit zweifeln, streben rund 13,2 Prozentpunkte häufiger eine Erwerbstätigkeit bis zur Regelaltersgrenze an als Beschäftigte mit niedrigem Engagement", so die Studie. Die Politik fokussiere sich zu sehr auf finanzielle Anreize, um das Rentenalter zu erhöhen. Die Umfrage zeige hingegen, "dass der Gesundheitszustand, das Wohlbefinden, das Engagement und die Weiterbildungsaffinität starke Treiber für die Bereitschaft sind, bis zum Renteneintrittsalter zu arbeiten." Mit der Stärkung des betrieblichen Gesundheitsmanagements und mehr Prävention auch bei mentaler Belastung könne einem frühen Ausscheiden vorgebeugt werden.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst bei ntv.de