Titelbild: In blau gefärbte Stapel Hefter. Darüber in gelb die Frage: Wo sind die Behörden?
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Nach Servern von Parteien und Servern von Aktivisti soll es heute um Server der Verwaltung im Fediverse gehen. Denn auch wenn uns in diesem Jahr leider schon die schlechte Nachricht erreicht hat, dass das Pilotprojekt um die Schweizer Behörden-Server im Fediverse nicht weiter geführt wird, so gibt es doch spannende Einblicke und beruhigende Antworten von den Menschen hinter den Fediverse-Präsenzen des Deutschen Bundes und vom Bundesland Sachsen.
social.bund.de
Der Banner von social.bund.de; ein modernes Gebäude mit Glasfasade, im Hintergrund weht eine Deutschlandfahne. Außerdem steht in der oberen rechten Ecke: "BfDI, Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit".
Einer der bekanntesten Behörden-Server ist wohl social.bund.de, der Server der Deutschen Bundesbeauftragen für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Für die Bekanntheit des Servers wesentlich verantwortlich ist der ehemalige BfDI Ulrich Kelber, mit dem ich für diesen Beitrag ein schriftliches Interview geführt habe. Außerdem stand ich mit Christof Stein, dem Pressesprecher von Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, der aktuellen BfDI, im Austausch zu social.bund.de.
"Nach außen steht hinter social.bund.de „nur" der Mastodon-Server, der ja immer als proof of concept gedacht war, weil es ja nicht zu den Aufgaben einer unabhängigen Datenschutzbehörde gehört, Kommunikationsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen. Aber wir haben gehandelt, weil wir Fortschritt sehen wollten und die Abhängigkeit der Bundesbehörden von kommerziellen Anbietern, die noch dazu Schwierigkeiten mit Datenschutz und anderen demokratischen Zielen haben, nicht ertragen konnten. Und dann haben wir einfach weitergemacht ...",
berichtet Ulrich Kelber über den Mastodon-Server, der offiziell seit dem 29.04.2020 am Netz ist. Auf meine Frage, ob hinter social.bund.de noch andere Dienste stecken, verweist er unter anderem darauf, dass von der Datenschutzbehörde auch noch andere Fediverse-Dienste, z.B. ein PeerTube-Server, genutzt werden. Auch Christof Stein berichtet mir, dass dieser anscheinend für die interne Kommunikation seit einiger Zeit genutzt wird und es darüber hinaus noch das Datenschutzforum gibt, was zwar nicht mit dem Fediverse föderiert, aber auf jeden Fall eine spannende Sache und ein gutes Mittel zur Öffentlichkeitsarbeit fernab der Walled Gardens kommerzieller und zentraler Social Media Dienste ist.
Kelber selbst war schon vor der Eröffnung des Bundes-Servers im Fediverse aktiv, auf der Mastodon-Instanz bonn.social. Von ihm ging auch die Initiative für die Einrichtung eines Servers für die Bundesverwaltung (und einige wenige andere Institutionen) aus und er hat diese nach einigen internen Rücksprachen als damaliger Leiter der Behörde angeordnet.
Kelber dazu:
Für mich klingt das alles nach dem Herzensprojekt einiger Engagierter, was auch die Zielsetzung zu Serverstart zeigt. Der Server sollte als proof of concept dienen, also ein Nachweis sein, dass ein solcher Server mit zahlreichen Accounts außerhalb von Meta, Alphabet, TikTok und X durch die Bundesverwaltung betrieben werden kann.
Und ja, der Erfolg gibt ihnen Recht. Im Juli 2024 waren über 100 Accounts von Bundesbehörden, Landesparlamenten und Landesdatenschutzbehörden auf dem Mastodon-Server vertreten.
Aber ein wenig Platz nach oben ist noch, da von Seiten der BfDI die Bundesbehörden zwar immer wieder auf die Möglichkeit zur Nutzung der Instanz hingewiesen werden, aber diese laut Pressesprecher Christof Stein unterschiedlich angenommen wird. Er fasst es so zusammen, dass es einige Behörden gibt, die im Fediverse sehr aktiv sind und andere, die noch kein Engagement auf der Instanz zeigen.
Zumindest ich hoffe sehr, dass der Server noch mehr Anklang bei den verschiedenen Behörden finden wird und sich so mehr Menschen auch im Fediverse über deren Arbeit informieren können.
Die Infrastruktur dafür ist da und auch die Vernetzung. Denn seit einiger Zeit sind auch mehrere Bundesländer mit einer Serverstruktur für Behörden im Fediverse aktiv, die auch im Austausch miteinander stehen. Etwa beim Arbeitskreis Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Datenschutzkonferenz, an denen auch die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte, auf deren Server der Artikel später noch eingeht, teil nimmt.
ergänzt Christof Stein.
Nach so vielen Positiven Antworten und Euphorie, musste ich aber doch noch nach der Zukunft fragen. Denn nach dem Server-Aus in der Schweiz und dem Drama um das Bundesministerium für Bildung und Forschung, welches das Fediverse erst wegen zu wenig Interaktion verlassen wollte und sich dann nach starken Reaktionen der Community doch dafür entschieden hat, den Account auf Mastodon weiter zu betreiben, bleibt doch Unsicherheit zurück.
Doch zumindest derzeit gibt es laut Stein keine Pläne, am Betrieb der Instanz oder des eigenen Accounts der Datenschutzbehörde etwas zu ändern. Und auch Kelber war in seiner Zeit als BfDI sehr zufrieden mit der Interaktion im Fediverse:
Dem kann ich mich nur anschließen.
social.sachsen.de
Der Banner von social.sachsen.de; auf weißem Grund das sächsische Wappen mit schwarzen und goldenen Queerstreifen und einer grünen Scherpe darüber. Daneben steht links: "Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte", und rechts: "Freistaat Sachsen".
Nach so vielen Einblicken in die Bundesebene, wie sieht es bei den Fediverse-Servern der Bundesländer in Deutschland aus?
Da ich in Sachsen wohne, mich schon länger für eine Präsenz der Sächsichen Regierung und der Landeshauptstadt Dresden im Fediverse einsetze und mich damals sehr gefreut habe, als der Server social.sachsen.de online gegangen ist, habe ich mich an die Pressestelle der Sächsichen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten (SDTB) Dr. Juliane Hundert gewendet.
Seit September 2023 betreibt diese die Mastodon-Instanz social.sachsen.de als einzigen offiziellen Dienst Sachsens im Fediverse. Sie selbst war zuvor auf der bereits vorgestellten Instanz bund.social.de aktiv.
Ihr Pressesprecher, Björn-Henrik Lehman, zeigt auf, dass der Schritt zur eigenen Mastodon-Instanz ein sehr Rationaler war:
"Wollten sächsische Behörden vor September 2023 für ihre Öffentlichkeitsarbeit ein datenschutzfreundliches soziales Netzwerk nutzen, so war das nicht ohne Weiteres möglich. Zwar ist ein Profil bei Facebook oder X schnell angelegt, dafür stellen diese Plattformen interessierte Behörden datenschutzrechtlich aber vor kaum lösbare Probleme. Demzufolge schieden diese Anbieter von vornherein aus. Stattdessen verfolgte die SDTB die Idee, eine Mastodon-Instanz einzurichten, die fortan auch andere öffentliche Stellen im Freistaat Sachsen nutzen können. Um die knappen personellen Ressourcen in der Dienststelle zu schonen, hat die SDTB mittels Vergabeverfahren einen IT-Dienstleister mit der Einrichtung und der Wartung des Servers beauftragt. Die Mittel stammen aus dem Budget, das der Sächsische Landtag der SDTB bei den letzten Haushaltsverhandlungen bewilligt hat."
Da der technische Betrieb damit ausgelagert wurde, ist nur eine Person aus dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit mit den weiteren organisatorischen und administrativen Angelegenheiten, wie etwa das Anlegen neuer Accounts, beauftragt.
Bisher hält sich die Aktivität auf dem Server leider auch noch in Grenzen. Neben der SDTB sind aktuell noch zwei weitere öffentliche Stellen aus Sachsen mit einem Account vertreten. Doch es scheint weiterhin wachsendes Interesse zu geben:
"Es gab vor und zum Start der Instanz ein größeres Interesse an dem Server. Neben Behörden und Kommunen hatten sich auch einige Bildungseinrichtungen über die Möglichkeiten informiert. Im neuen Jahr möchten wir die Instanz der SDTB in der sächsischen Verwaltung weiter bekannt machen. Die Vorzüge von Mastodon sind oftmals nicht bekannt. Und damit meine ich nicht nur die datenschutzrechtlichen, sondern zum Beispiel auch die Möglichkeiten zum Abonnieren der Posts per RSS oder die Einbindung eines Mastodon-Feeds auf der eigenen Website.",
so Lehmann.
Bleibt zu hoffen, dass sich die Arbeit von Frau Dr. Hundert und ihrem Team auszahlt und der Server bald weiter wächst. Denn auch um den Fortbestand von social.sachsen.de müssen wir uns keine Sorgen machen, da dieser ebenfalls weiter bestehen soll.
Fazit
Nicht nur die Antworten selbst, sondern auch die schnellen Reaktionen und die begeisterten, ausführlichen Antworten zeigten, dass allen Befragten viel an einer datenschutzfreundlichen Außenkommunikation mit den Bürger*innen liegt und sie sich der rechtlichen Lage nicht nur bewusst sind, sondern mit ihren Behörden auch die richtigen Konsequenzen ziehen.
Für mich sind diese bestehenden Behörden-Mastodon-Server ein guter erster Schritt und ein Lichtblick für das Fediverse und freie dezentrale Kommunikation über die Bubble der technisch Interessierten hinaus und mit einem informationellen Mehrwert für viele.
Doch beide Server könnten besser genutzt werden und vor allem hört das Fediverse nicht bei Mastodon auf. Wenn ich mir wünschen könnte, wie es mit den deutschen Behörden-Servern weiter gehen sollte, so hätte ich da einige Ideen, die über eine Mastodon-Instanz für die öffentlichen Stellen in jedem Bundesland hinaus gehen. Denkbar wären beispielsweise Streams der öffentlichen Sitzungen über Owncast oder PeerTube oder wenigstens eine Bereitstellung der bereits vorhandenen und zukünftigen Videos der Behörden auf PeerTube. Ganz ausschließen würde ich zumindest nicht, dass uns so etwas in Zukunft erwarten könnte, wenn auf Bundesebene intern schon PeerTube getest wird.
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Dieser Beitrag ist der achte Artikel meiner Kolumne hier bei GNU/Linux.ch. An jedem ersten Montag im Monat erscheint ein neuer Meinungsbeitrag von mir zum Fediverse.
Weiterführende Links:
https://gnulinux.ch/wo-sind-die-parteien
https://gnulinux.ch/das-mastodon-verlaesst-den-schweizer-bund
https://social.bund.de/
https://bonn.social/@ulrichkelber
https://video.dresden.network/w/r2HcH2Zvh4bfe5mG2Wvgch
https://social.sachsen.de/@sdtb
https://gnulinux.ch/wzs-ueckueck-und-das-fediverse
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