Das „Sicherheitspaket“ der Ampel bringt nicht nur Verschärfungen für Geflüchtete und eine Ausweitung der biometrischen Überwachung. Wenig bekannt ist bislang der Ausbau von polizeilichen Kontrollbefugnissen im öffentlichen Raum: Sie kann in Zukunft an sehr vielen Orten Menschen ohne Verdacht anhalten, befragen, kontrollieren und durchsuchen.
In Demokratien können Menschen ohne Verdacht nicht einfach so von der Polizei kontrolliert und durchsucht werden. Die Polizei braucht bisher dafür einen Anlass, sie muss also begründen, warum sie einen Menschen kontrolliert. Die Idee dahinter: Unbescholtene Menschen sollen nicht Ziel von Kontrollen werden, denn den Staat geht es nichts an, wer sich auf der Straße bewegt und was unbescholtene Menschen in ihren Taschen dabei haben.
Ausnahmen waren bisher nur Grenzgebiete des Landes, Teile der Verkehrsinfrastruktur wie Bahnhöfe oder besonders kriminalitätsbelastete Orte und Waffenverbotszonen. Dieses Prinzip will die Ampel-Regierung jetzt aufgeben und anlasslose Kontrollen fast überall erlauben. Vehikel für den Ausbau dieser „Schleierfahndung“ soll ein weitgehendes Messerverbot werden.
Kontrollen fast überall möglich
Im Überwachungspaket der Ampel werden die möglichen Kontrollorte quasi schrankenlos erweitert, wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) feststellt:
Erfasst sind zunächst sämtliche öffentliche Vergnügungen, Volksfeste, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Märkte und ähnliche öffentliche Veranstaltungen (§ 42 Abs. 1 WaffG) sowie sämtliche Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs (§ 42b WaffG-E), dazu – unter den Voraussetzungen des § 42 Abs. 5 und 6 WaffG-E – kriminalitätsbelastete Straßen, Wege und Plätze sowie – unabhängig von einer Kriminalitätsbelastung – bestimmte hochfrequentierte Straßen, Wege, Plätze, Gebäude, Flächen, Einkaufszentren sowie Jugend- und Bildungseinrichtungen.
Die Auswirkungen auf das Leben der Menschen sind massiv, sagt die GFF: „Es ist dadurch faktisch unmöglich, sich dem räumlichen Anwendungsbereich der Kontrollbefugnisse auf Dauer zu entziehen, ohne sich aus weiten Teilen des öffentlichen Lebens zurückzuziehen.“ Oder einfacher: Wer nicht kontrolliert werden will, kann eben nur noch zuhause bleiben.
Stigmatisierung und Beifang
Klar ist auch, dass eine solche Kontrollbefugnis nicht nur „Messer“ zu Tage fördern wird. Jede harmlose Kleinkonsumentin von Partydrogen auf dem Weg nach Hause vom Techno-Rave muss sich in Zukunft Sorgen machen als Messer-Beifang in den Fokus der Polizei zu geraten. Jeder Heimwerker mit einer Sprühdose in der Tasche wird zum möglichen Sprayer und muss sich unangenehme Fragen gefallen lassen. Und wer auf dem Weg auf eine Demonstration oder ein Fußballstadion ist, kann in Zukunft davon ausgehen, dass die Taschen durchsucht werden.
Aber es sind nicht nur Handwerker mit eventuell strafbaren Messern, denen Kontrollen zusetzen könnten. Es sind wir alle. Wer möchte schon seine privaten Handtascheninhalte durchforsten lassen, um sich Weinflaschen, Tampons, Sextoys, Bücher oder Unterwäsche von Polizist:innen befingern zu lassen. Niemand sollte sowas ohne Anlass erdulden müssen.
Racial Profiling
Es entsteht eine Welt, in der wir permanent Gefahr laufen, kontrolliert zu werden. Oder wie es die GFF sagt: Die Menschen „müssen stets davon ausgehen, jederzeit und überall innerhalb der oben genannten Orte anlasslos angehalten, befragt und durchsucht zu werden“.
Wer kontrolliert wird, entscheidet einzig und allein die Polizei. Und die hat erwiesenermaßen rassistische Muster bei solchen Kontrollen (Racial Profiling) oder „kennt“ auf Basis äußerlicher Vorurteile „ihre Pappenheimer“, weswegen bestimmte Gruppierungen der Gesellschaft häufiger als andere in Kontrollen geraten werden. Insgesamt geht die GFF hier von einem Einschüchterungseffekt für alle aus, aber auch insbesondere für Personen, die schon einmal negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben. Zudem gebe es eine „hohe Gefahr des gezielten Missbrauchs sowie des diskriminierenden Einsatzes der Kontrollbefugnisse“.
Erhebliche Grundrechtseingriffe
Eine Kontrolle in der Öffentlichkeit ist nicht nur ärgerlich, sondern stellt auch Passant:innen vor anderen bloß. Die GFF spricht hier von einem „hohen Stigmatisierungspotential“. Denn bereits durch die Auswahl einer Person bringe die Polizei zumindest nach außen zum Ausdruck, dass dieser Person in gesteigertem Maße zugetraut wird, gefährlich zu sein.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hält die Pläne der Ampel-Regierung daher für „unverhältnismäßig“, sie spricht von einem „Generalverdacht“ und „erheblichen Grundrechtseingriffen“.
Dass derartig absurde Polizeibefugnisse ausgerechnet von einer Regierungskoalition kommen, in der mit FDP und Grünen zwei selbsternannte Bürgerrechtsparteien vertreten sind und die sich einst als „Fortschrittskoalition“ feierte, verwundert dann doch: So einen Abbau demokratischer und freiheitlicher Errungenschaften hätte sich die Union vermutlich nicht getraut – und erst recht nicht in diesem Schweinsgalopp, mit der das Gesetzespaket durch den Bundestag getrieben wird.
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