Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist schlecht. Zu viel Bürokratie, teure Energie und harte Konkurrenz aus China belasten die Unternehmen. Immer mehr Firmen bauen daher in großem Stil Stellen ab. Ein Überblick.
Die deutsche Wirtschaft bewegt sich am Rand der Rezession - und vor allem die Industrie steckt in der Krise. In den Firmenzentralen macht sich Pessimismus breit. "Am meisten leiden die Unternehmen unter der abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland", urteilt etwa Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank.
Viele Unternehmen ziehen daraus Konsequenzen und kündigen Einsparungen und den Abbau von Jobs an. Die deutsche Konjunkturschwäche hat damit ganz konkrete Folgen. "Die Industriekrise und der lang anhaltende Wirtschaftsabschwung hinterlassen am Arbeitsmarkt ihre Spuren", so Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Nach Einschätzung der Forscher ist zu erwarten, dass die Arbeitslosigkeit weiter zunehmen wird. Bis zum Frühjahr sei "keine Trendwende in Sicht".
Wichtige deutsche Großkonzerne haben in den vergangenen Wochen und Monaten bereits angekündigt, in großem Umfang Stellen zu streichen. Welche Unternehmen im Einzelnen betroffen sind:
Schaeffler
Stellenstreichungen und Werksschließungen stehen beim Auto- und Industriezulieferer Schaeffler an. Angesichts der anhaltenden Probleme in der Industriesparte und dem schwächelnden Automarkt will Schaeffler insgesamt 4.700 Stellen streichen, davon 2.800 in Deutschland. Zudem werde je ein Werk in Österreich und in Großbritannien geschlossen, die Lagerproduktion im österreichischen Berndorf eingestellt, kündigte Schaeffler an. Die Produktion von Kupplungen im englischen Sheffield werde aufgegeben.
Continental
Auch der Autozulieferer Continental baut vor dem Hintergrund schwacher Verkaufszahlen von BMW, Mercedes und Co. und den Problemen im Geschäft mit E-Autos weltweit Tausende Jobs ab. Nach Angaben des Konzerns hat Continental seit Mitte 2023 schon 5.000 Stellen in Entwicklung Produktion und Verwaltung gestrichen. Bis 2028 sollen es in dem Unternehmen insgesamt 7.150 Stellen weniger sein. Mehr als ein Drittel der wegfallenden Arbeitsplätze befinden sich in Deutschland.
Volkswagen
Beim größten deutschen Autohersteller Volkswagen herrscht Krisenstimmung: Drei VW-Werke stehen laut Betriebsrat derzeit auf der Kippe, Zehntausende Jobs könnten gestrichen werden. VW fehle die Kundschaft für mehr als 500.000 Fahrzeuge, sagte der Beschaffungsvorstand der Kernmarke VW, Dirk Große-Loheide, kürzlich beim "Handelsblatt Auto-Gipfel": "Wenn die Nachfrage nicht da ist, müssen wir unsere Kapazitäten restrukturieren und an die Nachfrage anpassen." Zuvor hatte auch Markenchef Thomas Schäfer betont, dass Stellenabbau "über die demografische Kurve und mit den bisherigen Instrumenten wie Altersteilzeit und Aufhebungsangeboten" nicht reichen werde.
Derzeit befindet sich VW in Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft IG Metall. Nach drei Verhandlungsrunden zeichnet sich keine Einigung ab, ab Anfang Dezember plant die Gewerkschaft nun Warnstreiks. Am 9. Dezember wollen beide Seiten ihre Verhandlungen fortsetzen.
Bosch
Bis zu 5.550 Stellen stehen beim Autozulieferer Bosch auf der Kippe, mehr als zwei Drittel davon - insgesamt 3.800 Jobs - sollen in Deutschland wegfallen. Genaue Zahlen sollen laut dem Unternehmen nun in Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern ausgehandelt werden. Von den aktuellen Plänen am stärksten betroffen ist der Geschäftsbereich "Cross-Domain Computing Solutions", der zum Beispiel für Assistenzsysteme und automatisiertes Fahren zuständig ist.
Zur Senkung der Kosten plant der Konzern auch eine kürzere Wochenarbeitszeit für einen Teil der Beschäftigten in Deutschland. Insgesamt sind rund 10.000 Mitarbeitende betroffen, unter anderem an neun deutschen Standorten, wie eine Sprecherin mitteilte. Mit der Verkürzung der Arbeitszeit verringert sich auch das Gehalt entsprechend.
Der Zulieferer begründet die Sparpläne mit der Krise in der Autoindustrie, im kommenden Jahr erwarte man allenfalls eine geringfügige Erholung. Die Autonachfrage sei zu gering, außerdem laufe das Geschäft mit Zukunftstechnologie etwa für Autonomes Fahren schlechter als erwartet.
ZF Friedrichshafen
Der Autozulieferer ZF will in den kommenden Jahren bis zu 14.000 der 54.000 Stellen in Deutschland streichen. Allein in Saarbrücken will ZF bis Ende kommenden Jahres 1.800 Jobs streichen. Wenn die Auftragslage weiterhin so schwierig bleibt, könnten bis Ende des Jahres 2028 sogar noch mehr Jobs wegfallen - insgesamt bis zu 4500 Arbeitsplätze. Auch Werkschließungen sind nicht ausgeschlossen.
ZF leidet ebenfalls unter der Schwächephase der Autoindustrie. "Nach den neuesten Zahlen fehlen uns am Ende des Jahres drei Milliarden Euro Umsatz", sagte Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich. Hinzu kommen hohe Schulden aus großen Firmen-Zukäufen.
Ford
Der US-Automobilkonzern Ford will bis Ende 2027 in Deutschland 2.900 Stellen streichen , die meisten davon im Kölner Werk. Über die Details gibt es Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern. Insgesamt sollen in Europa bis Ende 2027 etwa 4.000 Jobs wegfallen. Ford hatte 2023 und 2024 knapp zwei Milliarden Euro in seinen Kölner Standort investiert, um Elektroautos produzieren zu können. Inzwischen rollen in Köln zwei E-Automodelle von Ford vom Band - doch die hohen Erwartungen konnten bislang nicht ansatzweise erfüllt werden.
Thyssenkrupp
Deutschlands größter Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel setzt ebenfalls den Rotstift an: Die Zahl der Arbeitsplätze soll innerhalb von sechs Jahren um 11.000 schrumpfen, wie das Unternehmen jüngst mitteilte. Von derzeit 27.000 Stellen soll dann noch 16.000 übrig sein. 5.000 Stellen sollen bis Ende 2030 in Produktion und Verwaltung wegfallen, 6.000 weitere Stellen sollen durch Ausgliederungen auf externe Dienstleister oder Geschäftsverkäufe ausgelagert werden. Der Standort in Kreuztal in Nordrhein-Westfalen soll geschlossen werden.
Mit dem Vorhaben verbunden ist auch die Reduzierung der Stahlkapazitäten von derzeit 11,5 Millionen Tonnen pro Jahr auf nur noch 8,7 bis 9,0 Tonnen. Damit will der Stahlhersteller wieder wettbewerbsfähig werden. Zugleich plant der Konzern, klimafreundlicher zu produzieren. Das kostet Milliarden, doch die Konjunkturflaute in Deutschland, die Krise der Autoindustrie und Billigimporte aus Asien belasten Thyssenkrupp.
BASF
Bereits 2022 hatte die BASF-Führung wegen verschlechterter Geschäfte und schwierigerer Rahmenbedingungen in Europa ein Sparprogramm angekündigt. Hintergrund waren vor allem die stark gestiegenen Gaspreise. Ein weiteres Sparprogramm wurde Anfang dieses Jahres angekündigt. Dazu gehören auch Stellenstreichungen am Standort Ludwigshafen, wie das Management mitteilte. Insgesamt will das Unternehmen bis 2026 allein dort zusätzlich jährlich Kosten von einer Milliarde Euro einsparen. Einsparungen soll es sowohl in der Produktion als auch in den Bereichen außerhalb geben.
Vor allem die hohen Energiepreise haben Umsatz und Gewinn von BASF einbrechen lassen. Nach Informationen des "Handelsblatts" sollen bei dem Chemiekonzern bis Ende 2024 weltweit knapp 3.300 Stellen gestrichen werden, gut 2.500 davon in Ludwigshafen. Zuletzt hatte BASF angekündigt, drei Anlagen in Ludwigshafen zu schließen. So soll die Produktion von Adipinsäure eingestellt werden, einem Zwischenprodukt für Kunststoffe.