Hat Kanzler Scholz mit dem Rauswurf des Finanzministers die Ampel beendet oder schrieben nicht doch die Liberalen das Drehbuch? Zwei Medienberichte legen nahe, dass die FDP ihren Exit bereits seit Monaten geplant und Szenarien intern abgestimmt hat.
Die FDP soll sich zwei Medienberichten zufolge bereits seit September akribisch auf ein Ende der Ampel-Koalition vorbereitet haben. In mehreren Treffen seien verschiedene Szenarien durchgespielt worden, berichteten "Zeit" und "Süddeutsche Zeitung". Teilgenommen hätten unter anderen die damaligen FDP-Minister. Die Zeitungen berufen sich auf Schilderungen mehrerer Personen, die mit den Vorgängen vertraut seien. Zudem habe die Redaktion der "Zeit" Dokumente eingesehen, die in diesen Wochen entstanden seien. Die SZ berichtet von einem Auftakttreffen der FDP-Spitzen am 29. September in Potsdam.
Die Beteiligten wollten sich auf Anfrage zu den Recherchen nicht äußern. Der frühere Justizminister Marco Buschmann erklärte demnach, dass er die zitierten Äußerungen weder bestätigen noch dementieren wolle. Ex-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, FDP-Fraktionschef Christian Dürr und der inzwischen aus der FDP ausgetretene Verkehrsminister Volker Wissing ließen demnach ausrichten, dass sie grundsätzlich nicht aus internen Sitzungen berichteten.
Ex-Finanzminister Christian Lindner sagte zu dem angeblich von langer Hand geplanten Koalitionsbruch gegenüber der SZ: "Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 haben wir immer wieder und in verschiedenen Runden unsere Regierungsbeteiligung bewertet. Selbstverständlich wurden immer wieder Szenarien erwogen und Stimmungsbilder eingeholt."
Lauterbach und Heil empört
SPD-Politiker reagierten empört auf die Berichte: "Verantwortung als Fremdwort, Bösartigkeit als Methode: Ich bin tief erschüttert über dieses Verhalten der FDP", schrieb Arbeitsminister Hubertus Heil auf der Plattform X. Gesundheitsminister Karl Lauterbach nannte den von der "Zeit" und der "Süddeutschen" Zeitung geschilderten Vorgang eine "unfassbare Enttäuschung". Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt quittierte die "bemerkenswerten" Berichte mit einem knappen "aha".
SPD und FDP hatten sich in den vergangenen Tagen wechselseitig vorgeworfen, das Ende der Ampel-Koalition provoziert zu haben. FDP-Chef Christian Lindner warf Bundeskanzler Olaf Scholz nach seinem Rauswurf aus der Koalition eine "Entlassungsinszenierung" vor.
Wirbel um Vorabinfo für Lindner-Stellvertreter
Für Wirbel sorgten in dieser Woche auch Äußerungen des neuen Bundesfinanzministers Jörg Kukies von der SPD zum Ablauf des Zerbrechens der Ampel-Koalition. Kukies war am Dienstag beim Wirtschaftsgipfel der "Süddeutschen Zeitung" gefragt worden, wann er gewusst habe, dass er eine neue Aufgabe bekomme. Der bisherige Wirtschaftsberater des Kanzlers antwortete: "sehr kurz davor". Auf Nachfrage präzisierte er: "Einen Tag vor dem Mittwoch, dem Koalitionsausschuss, haben wir zum ersten Mal abstrakt darüber gesprochen, dass das eine Möglichkeit sein könnte."
Aus den Reihen von Union und FDP wurde dem Kanzler daraufhin vorgeworfen, er habe den Rauswurf des bisherigen Finanzministers Lindner und damit den Bruch der Ampel-Koalition beim Koalitionsausschuss vor einer Woche gezielt herbeigeführt.