3 months ago

Thierry Breton: Polit-Theater um EU-Posten irritiert Franzosen



EU-Kommissar Breton tritt ab und wird durch einen Vertrauten Macrons ersetzt – ein Personalwechsel, der in Frankreich für Unruhe sorgt: Wer bestimmt, wen das Land nach Brüssel schickt?   

Ein "Psychodrama" nennt Radio France das, was sich in den vergangenen Tagen in Brüssel abgespielt hat. Gemeint ist der Rücktritt des französischen EU-Kommissars Thierry Breton – beziehungsweise: dessen Rauswurf. Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, habe sich des für seine Starrköpfigkeit bekannten Franzosen entledigt, um ihren schärfsten Kritiker loszuwerden, so die französische Lesart. Zu dieser gehört auch: Deutschland stellt mal wieder seine Dominanz in der EU unter Beweis und brüskiert Frankreich. 

Was also ist passiert? Noch Ende Juli schien die Welt in Ordnung: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte wie erwartet seinen amtierenden EU-Kommissar Breton für weitere fünf Jahre nominiert. Es ist nicht Ursula von der Leyen, die über die Bewerber der Mitgliedsstaaten entscheidet, aber sie kann Vorschläge ablehnen. Offenbar hatte sie bei dieser Personalie Redebedarf. Und so wurde hinter Thierry Bretons breiten Schultern an dessen Stuhl gesägt. 

Ein Wutausbruch – und harsche Kritik aus Frankreich

Bereits vor Tagen, so ist nun zu hören, sei Bretons Abgang besiegelt worden, ausgehandelt offenbar zwischen von der Leyen und Macron. Mit seinem hastig auch auf "X" veröffentlichtem Rücktritt war Thierry Breton vergangenen Montag seinem erzwungenen Abschied somit lediglich zuvorgekommen. Von der Leyen wolle ihn "aus persönlichen Gründen" aus dem Weg räumen, schäumte Breton in seinem Statement. Ohne "diese Gründe direkt" mit ihm besprochen zu haben. Das sei eine "zweifelhafte Regierungsführung". Ein veritabler Wutausbruch. Und eine harsche Kritik. 

 Frankreichs ehemaliger und mächtiger EU-Kommissar Thierry Breton musste gehenKeine Verlängerung: Frankreichs ehemaliger und mächtiger EU-Kommissar Thierry Breton musste gehen
© Mustafa Yalcin

Thierry Breton, 69, war Wirtschaftsminister unter Jacques Chirac und hochdekorierter Konzernmanager. Ein wahres Alphatier, und einer, bei dem man nie so genau weiß, was eigentlich größer ist: sein Vermögen oder sein Ego. Seine Kompromisslosigkeit brachte ihm in Frankreich den Ruf eines Ungetüms ein – vor allem, weil er einst den ehemaligen Staatskonzern France Télécom am Wickel hatte. In seiner von ihm vielfältig interpretierten Funktion als EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen vertrat Breton indes nicht weniger zimperlich die Interessen Frankreichs, was wiederum ganz gut ankam. 

Vielen sahen ihn zuletzt als notwendigerweise brachiales Bollwerk für die französische Industriepolitik in Europa – und als einen, der der machtbewussten Deutschen Ursula von der Leyen auf die Finger schaut. Dass sie Macron dazu überreden konnte, den umtriebigen Franzosen abzuziehen, wird dem Präsidenten als Schwäche ausgelegt: Offenbar diktiert Madame von der Leyen nun sogar, wen Frankreich nach Brüssel schickt!     

Kein herzliches Verhältnis

Aber, auch das kein Geheimnis: Besonders herzlich war das Verhältnis zwischen der Kommissionspräsidentin und Thierry Breton noch nie. Unverhohlen spekulierte der Franzose auf ihren Posten. Er stichelte gegen die Europäische Volkspartei, der auch die CDU angehört, und direkt gegen von der Leyen: Nicht einmal ihre eigene Partei unterstütze ihre erneute Kandidatur, witzelte er im Frühjahr. Im August hatte Breton für Aufsehen gesorgt, weil er den X-Chef Elon Musk öffentlich wegen seines Gesprächs mit Donald Trump rügte: Die Plattform dürfe in der EU keine potenziell schädlichen Inhalte verbreiten. Die entsprechende Richtlinie dazu hatte sich unter anderen Breton ausgedacht. Zu viel der Selbstdarstellung? Zu viel unsteuerbares Temperament? 

Dabei hätten Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen die Sache eigentlich ganz elegant lösen können. Die Kommissionspräsidentin möchte bekanntlich den Frauenanteil in ihrer Kommission erhöhen. Aber wie das nun mal so ist mit Frauen in Führungspositionen: Theoretisch will sie jeder – aber wenn tatsächlich ein Job frei wird, schlägt man doch lieber einen guten Kumpel vor. Auch Frankreichs Präsident konnte bedauerlicherweise keine Kandidatin für die Kommission finden. Wobei das für ihn auch schwer werden dürfte: Abgesehen von Gattin Brigitte besteht Macrons vertrauter Kreis mittlerweile nahezu ausnahmslos aus Männern. 

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Gewiss, er hatte einige Ministerinnen und mit Elisabeth Borne sogar mal eine Regierungschefin. Aber seine einst so gemischte Bewegung "En Marche" ist mehr oder minder zu einem Jungs-Club zusammengeschrumpft. Zu diesem zählte von Beginn an auch Stéphane Séjourné. Er wird nun Thierry Breton ablösen. Noch so eine Personalie, die in Frankreich für hochgezogene Augenbrauen sorgt: Dass Macrons Parteichef Séjourné zuletzt auch Außen- und Europaminister war, hatte man im Land nämlich kaum mitbekommen – so diskret übte er seinen Job aus.

Der unbequeme und lautstarke Breton wird durch einen zurückhaltenden Vertrauten Macrons ersetzt – am Ende dürfte das eine Wahl sein, die beiden gut gefällt: Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident.    

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