Die Berliner Charité hat einen glänzenden Ruf. Nun zeigen Recherchen von stern und RTL ein anderes Bild: organisatorische Mängel, überlastete Ärzte und Fehler, die Menschen gefährden.
Folge 2 Podcast inside charité
Der Chefarzt rauscht mit seiner Entourage morgens bei der Visite auf seiner Station in der Berliner Charité durch die Zimmer. Mit dabei ist Undercoverreporterin Lisa Plank, die diese Szene dokumentiert:
Am Bett eines Patienten sieht der Chef, dass die Nachbehandlung einer OP alles andere als optimal verläuft. Denn eigentlich sollte der Patient seine Lunge nach der OP mit einem Blasebalg trainieren.
"Wo ist denn Ihr Ding, wo sie immer reinblasen sollen? Haben Sie nichts bekommen?", fragt er den Patienten. Und an seinen jungen Kollegen gerichtet: "Wo ist denn sein Blasebalg?"
"Ich hole was", bietet der junge Kollege an.
Der Chef, hörbar ungehalten: "Nee! Der muss ja hier stehen seit zwei Tagen, da müssen Sie jetzt keinen holen."
Chefarzt der Charité: "So ein Scheiß!"
Er dreht sich zur Tür, läuft mit schnellen Schritten an seinen Mitarbeitenden vorbei und knurrt: "Das ist echt ein Laden. Und leider ist es meiner. So ein Scheiß."
Zu hören ist diese Szene im zweiten Teil des Investigativ-Podcasts "Inside Charité", der exklusiven Recherche von stern und RTL. Mehr als neun Monate haben die Reporter Manka Heise und Christian Esser und ihr Team die Arbeitsbedingungen an Deutschlands berühmtestem Krankenhaus recherchiert.
Die erste Folge von "Inside Charité" zum Nachhören:
Doch nicht nur die Undercover-Aufnahmen zeichnen ein katastrophales Bild der Klinik. Mehrere Ärzte haben mit den Reportern offen gesprochen. Fachärztin Laura Schaad ist eine von ihnen. Die Kinderärztin kommt direkt von ihrem Dienst. Es ist der neunte Tag in Folge, den Laura Schaad auf ihrer Station der Charité absolviert hat. Die Müdigkeit ist ihr anzumerken, als sie stern-Investigativreporter Christian Esser trifft.
Wie am Fließband
Die beiden sind zu einem Interview verabredet, sie laufen runter an die Spree. An ihnen schippern die Ausflugsdampfer vorbei. Aber das, was Laura Schaad berichtet, hat nichts mit der Idylle dieses sonnigen Tags gemein:
"Also bei uns sind die Dienste so, dass wir teilweise für 80 Patienten gleichzeitig zuständig sind. Und man kennt die nicht alle, man kennt nicht die gesamte Vorgeschichte."
"Sie alleine sind zuständig für 80 Patienten?", fragt Reporter Esser ungläubig nach. "Ja", bestätigt Fachärztin Laura Schaad.
... und dann kommt das Kind eine Woche später auf die Intensivstation."
Und sie berichtet von Fehlern, die aufgrund dieser Arbeitsbelastung passieren können. So stellten sie und ihre Kollegen einst eine falsche Diagnose "und dann kommt das Kind eine Woche später auf die Intensivstation". Sie seien eben auch nur Menschen und keine Maschinen.
Mehr aus dem Interview mit Laura Schaad und auch das Gespräch mit dem Mediziner Julian Gabrysch sind in Teil zwei des Investigativ-Podcasts "Inside Charité" zu hören.
Außerdem meldet sich eine Insiderin bei den Reportern Manka Heise und Christian Esser. Diese Person kennt das System der Charité seit Jahrzehnten – und bestätigt 1:1 die Recherchen…