"Stammheim" - Dokudrama und Doku: Ungewöhnliche Einblicke zum 50. Jahrestag

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50 Jahre nach Beginn des Stammheim-Prozesses wirft ein Dokudrama neues Licht auf die Innenwelt der ersten Generation der RAF-Terroristen.

50 Jahre nach dem Beginn eines der aufsehenerregendsten Gerichtsverfahren der deutschen Geschichte beleuchtet ein neues Dokudrama die Innenwelt der ersten RAF-Generation. "Stammheim - Zeit des Terrors" ist ab dem 17. Mai in der ARD Mediathek verfügbar und wird am 19. Mai um 20:15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

Neuer Blickwinkel auf ein historisches Ereignis

"Stammheim - Zeit des Terrors" nutzt eine besondere dramaturgische Form, um die Geschichte zu erzählen. "Das Dokudrama rekonstruiert die Lebenswelt von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und Ulrike Meinhof im siebten Stock der JVA Stammheim und zeigt das Geschehen auf der öffentlichen Bühne im benachbarten Gerichtssaal", heißt es in der offiziellen Beschreibung der Produktion, die Spielszenen mit Archivmaterial mischt.

Eine Besonderheit des Films ist die Erzählperspektive durch die Augen von Horst Bubeck, der damals als Vollzugsbeamter im Zellentrakt den intensivsten Kontakt zu den Inhaftierten hatte. Die szenischen Teile des Dokudramas sind mit einer zweiten dramaturgischen Ebene verbunden: dem Untersuchungsausschuss von 1977/78, in dem die Ereignisse im Zellentrakt bis zur sogenannten "Todesnacht in Stammheim" (Oktober 1977), in der Baader, Ensslin und Raspe starben, retrospektiv analysiert wurden.

Hochkarätiges Ensemble verkörpert historische Figuren

Die Hauptrollen in dem Dokudrama übernehmen namhafte Schauspieler: Moritz Führmann spielt den Vollzugsbeamten Horst Bubeck. Lilith Stangenberg mimt Gudrun Ensslin, Henning Flüsloh verkörpert Andreas Baader, Tatiana Nekrasov schlüpft in die Rolle der Ulrike Meinhof und Rafael Stachowiak ist als Jan-Carl Raspe zu sehen.

In weiteren Rollen spielen Heino Ferch als Kriminalbeamter Alfred Klaus und Hans-Jochen Wagner als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses. Das Drehbuch stammt von Stefan Aust und Niki Stein, wobei Letzterer auch die Regie übernahm.

Originaldrehort verleiht Authentizität

Eine besondere Authentizität gewinnt das Dokudrama durch den Drehort: Die szenischen Teile wurden am Originalschauplatz im siebten Stock der JVA Stammheim in Stuttgart gedreht.

"Der Umstand, dass wir an dem Ort, in den Zellen drehen konnten, wo das alles passiert ist, schafft per se diese Nähe", betont Regisseurin Niki Stein. Die Szenen stützen sich dabei auf Protokolle, Kassiber - heimliche Nachrichten der Gefangenen - und die Erinnerungen damals handelnder Personen.

Hintergrund: Der Stammheim-Prozess

Der Stammheim-Prozess gegen die Führung der ersten Generation der RAF, der am 21. Mai 1975 begann, war eine der aufwändigsten juristischen Aufarbeitungen der Bundesrepublik. Mit 40.000 Beweismitteln, fast 1.000 geladenen Zeugen, 80 Sachverständigen, 14.000 Seiten Wortprotokoll und Gesamtkosten in Höhe von 20 Millionen D-Mark gilt er bis heute als eines der am besten dokumentierten und teuersten Gerichtsverfahren in der deutschen Rechtsgeschichte.

Nach 192 Verhandlungstagen und knapp 23 Monaten verkündete der Vorsitzende Richter Eberhard Foth am 28. April 1977 das Urteil gegen die Angeklagten, die wegen "Mordes, des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie der Bildung einer kriminellen Vereinigung" angeklagt waren. Das Verfahren endete mit lebenslangen Freiheitsstrafen für die Angeklagten, die jedoch nie rechtskräftig wurden, da die drei RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Raspe am 18. Oktober 1977 in ihren Zellen starben.

Dokumentation "Im Schatten der Mörder - Die unbekannten Opfer der RAF"

Die ARD ergänzt das Dokudrama mit der besonders sehenswerten Dokumentation "Im Schatten der Mörder - Die unbekannten Opfer der RAF", die ebenfalls ab 17. Mai in der Mediathek zu finden ist und am 19. Mai im Anschluss an das Dokudrama um 21:45 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird.

Im Mittelpunkt des Films von Holger Schmidt und Thomas Schneider stehen hier nicht die Täter, sondern die vergessenen Opfer aus dem Umfeld der RAF - insbesondere deren Kinder. Die Doku erzählt von den tiefgreifenden Folgen, die die Morde an Vätern wie Polizisten, Fahrern und Beamten für deren Familien hatten. Durch Interviews, persönliche Erinnerungsorte und private Aufnahmen entsteht ein eindringliches Porträt über Trauma, Erinnerung und den gesellschaftlichen Umgang mit Terrorismus damals und heute.