Südkoreas Präsident hatte das Kriegsrecht ausgerufen und kurz darauf wieder zurückgenommen. Doch damit ist die Sache längst nicht erledigt. Kann er sich noch lange im Amt halten?
Das Kriegsrecht hat Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol zurückgenommen. Doch damit ist die Sache für ihn längst nicht erledigt, stattdessen wächst der Druck auf den Politiker weiter. Südkoreas größte Oppositionspartei hat einen Antrag auf Amtsenthebung gestellt. "Wir haben einen Amtsenthebungsantrag eingereicht, der dringend vorbereitet werden muss", sagten Vertreter von sechs Oppositionsparteien, darunter die größte demokratische Partei DP, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Demnach könnte der Antrag bereits am Freitag zur Abstimmung gestellt werden.
Zuvor hatte die Partei angekündigt, Teile von Yoons Kabinett zu verklagen. "Wir werden Strafanzeige wegen Aufruhrs erstatten." Diese werde sich gegen Yoon, seine Innen- und Verteidigungsminister sowie Schlüsselpersonen aus Armee und Polizei richten. Die DP drohte auch mit einem Amtsenthebungsverfahren, sollte Yoon nicht unverzüglich zurücktreten.Analyse Südkorea 21.57
Der wichtigste Gewerkschaftsverband will den Rücktritt des Präsidenten mit einem "unbefristeten Generalstreik" erzwingen. Yoon habe "das Ende (seiner) eigenen Macht erklärt", gab die 1,2 Millionen Mitglieder zählende KFTU am Mittwoch an. Sie warf dem Präsidenten eine "irrationale und antidemokratische Maßnahme" vor.
Es ist das erste Mal seit dem Übergang Südkoreas zur Demokratie Ende der 1980er Jahre, dass der Präsident des Landes das Kriegsrecht verhängt hat. Hintergrund war ein Haushaltsstreit zwischen Yoons Partei PP mit der DP. In einer Fernsehansprache warf Yoon der Opposition vor, mit dem Nachbarn Nordkorea zu sympathisieren. Der Kriegszustand sei notwendig, um das Land vor dem atomar bewaffneten Nordkorea und staatsfeindlichen Kräften aus dem Norden zu schützen und die freiheitliche verfassungsmäßige Ordnung zu bewahren. Eine konkrete Bedrohung nannte Yoon aber nicht.
Erste Regierungsmitglieder bieten Rücktritt an
Mit seinem Verhalten löste Yoon die wahrscheinlich größte politische Krise seit Jahrzehnten in Asiens viertgrößter Volkswirtschaft aus. Es führte am späten Dienstagabend auch zu einer Auseinandersetzung im Parlament. Innerhalb weniger Stunden verabschiedete das südkoreanische Parlament, in dem 190 der 300 Abgeordneten anwesend waren, einstimmig einen Antrag auf Aufhebung des Kriegsrechts, darunter alle 18 Abgeordneten von Yoons Partei. Daraufhin hob der Präsident die Erklärung wieder auf. Eine Koalition von Abgeordneten der Oppositionsparteien erklärte, sie wolle am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Amtsenthebung Yoons vorlegen, über den innerhalb von 72 Stunden abgestimmt werden solle.
Der Chef von Yoons Regierungspartei, Han Dong Hoon, sprach von einer "tragischen Situation" und gab an, alle Verantwortlichen müssten "streng zur Rechenschaft gezogen werden". Wie die Nachrichtenagenturen Newsis und Yonhap am Mittwoch berichteten, haben Yoons Stabschef und hochrangige Sekretäre offenbar bereits ihren Rücktritt angeboten.Südkorea Kriegsrecht 21.10
Auch in der Bevölkerung gab es Kritik. Vor dem Parlament hatten sich noch am Dienstagabend zahlreiche Demonstranten eingefunden, um gegen die Entscheidung des Präsidenten zu protestieren. Nachdem Yoon das Kriegsrecht wieder aufgehoben hatte, brach unter den Demonstranten vor dem Parlament der Nationalversammlung Jubel aus. "Wir haben gewonnen", skandierten sie. Es werden für Mittwoch jedoch weitere Proteste erwartet.
USA ermahnen Südkorea
Auch international löste die Ausrufung des Kriegsrechts in Südkorea Besorgnis aus. Einer der wichtigsten Verbündeten sind die USA. In Südkorea sind 28.500 US-Soldaten stationiert, um den Verbündeten gegen die Atommacht Nordkorea zu beschützen.
Aus dem Weißen Haus kam am Dienstag noch die Mitteilung, dass man erleichtert darüber sei, dass der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol seinen Kurs bezüglich der Verhängung des Kriegsrechts in Südkorea noch geändert habe. Auch US-Außenminister Antony Blinken begrüßte Yoons Entscheidung. "Wir erwarten weiterhin, dass politische Meinungsverschiedenheiten friedlich und in Übereinstimmung mit der Rechtsstaatlichkeit gelöst werden", erklärte Blinken. Die USA hatten jedoch US-Bürger in Südkorea dazu aufgerufen, Gebiete zu meiden, in denen Proteste stattfinden, teilte die US-Botschaft in Seoul in einer Erklärung mit.STERN PAID Südkorea IV 8.09
Der Korea-Krieg auf der Halbinsel dauerte von 1950 bis 1953 und endete mit einem Waffenstillstand. Südkorea befindet sich seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 formell weiter im Kriegszustand mit dem nördlichen Nachbarn, da der Krieg mit einem Waffenstillstand und nicht mit einem Friedensvertrag endete.
In seiner frühen Phase hatte Südkorea zwar eine Reihe autoritärer Regierungen, seit den 1980er Jahren gilt es jedoch als demokratisch. Seit der Gründung der Republik Südkorea im Jahr 1948 wurde in mehr als einem Dutzend Fällen das Kriegsrecht verhängt.
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