Die deutschen Autobauer stecken in der Krise - allen voran VW. Vor dem Autogipfel bei Minister Habeck bringt die SPD-Fraktion nun laut einem Medienbericht eine Neuauflage der Abwrackprämie ins Spiel. Experten warnen vor einem staatlichen Eingriff.
Volkswagen, Deutschlands wichtigster Autobauer und weltweit - noch - die Nummer Zwei hinter Toyota, steckt tief in der Krise. Der Autobauer kämpft mit schwachen Absatzzahlen und hohen Kosten für den Umstieg auf den E-Antrieb. Ähnlich ergeht es den anderen deutschen Autobauern: Bei BMW ging der Überschuss im ersten Halbjahr um fast 15 Prozent nach unten, bei Mercedes-Benz um fast 16 Prozent. Und auch bei den Zulieferern ist die Krise längst angekommen.
Das ruft die Politik auf den Plan: Am Montag lädt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zum Autogipfel, um mit Branchenverbänden, Vertretern der deutschen Hersteller und der IG Metall über Wege aus der Krise zu beraten.
Bereits im Vorfeld steht die Idee neuer Förderprogramme im Raum, um den eingebrochenen Absatz vor allem bei Elektroautos neu anzukurbeln. Der Minister äußerte sich zuletzt beim Besuch des VW-Werks in Emden eher nebulös, wie genau die Förderung aussehen könnte, nur so viel: "Was die Politik immer wieder prüfen muss, ist, ob wir die Marktsignale richtig setzen und noch verstärken können." Und Habeck lässt durchblicken, dass etwaige neue Maßnahmen rückwirkend gelten würden. Die Botschaft dahinter: Käufer von E-Autos sollen sich nun nicht zurückhalten.
Eine Neuauflage der Abwrackprämie?
Deutlich konkreter wird die SPD-Fraktion. In einem Papier, das dem Stern vorliegt, schlagen die Wirtschaftspolitiker der Fraktion vor, den Wechsel von einem Verbrenner auf ein E-Auto zu bezuschussen - mit 6.000 Euro beim Kauf eines Neuwagens und mit 3.000 Euro, wenn man sich für einen Gebrauchtwagen entscheidet. "Wir sind davon überzeugt, dass E-Autos die Zukunft sind", schreiben die Autoren des Papiers laut Stern. Ob nur deutsche E-Autos bezuschusst werden sollen oder auch ausländische, dazu äußert sich die SPD-Fraktion nicht.
Weitere Vorschläge: ein staatlicher Zuschuss beim Leasing eines E-Autos für Menschen mit kleinem oder mittleren Einkommen und eine Neuauflage der Förderung für eigene Wallboxes, Batteriespeicher und Ladesäulen. "Vom Autogipfel muss das eindeutige Signal ausgehen, dass Unternehmen und Politik das aktuelle Tal gemeinsam überwinden", sagte der SPD-Wirtschaftspolitiker dem Stern. Und Vizefraktionschefin Verena Hubertz fügt hinzu: "VW und die Automobilbranche sind der Motor Deutschlands. Wenn der Motor stottert, müssen wir ihn in Gang bringen."
Wissenschaftler warnt vor staatlichen Eingriffen
Doch genau hier kommt energischer Widerspruch aus der Wirtschaftswissenschaft. Der Chef des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, warnt im "Interview der Woche" mit dem ARD-Hauptstadtstudio eindringlich davor, Volkswagen direkt - oder auch nur indirekt - unter die Arme zu greifen. Zwar könnten staatliche Fördergelder in Einzelfällen Innovationen anregen; oft aber bewirkten Subventionen genau das Gegenteil. Das liege daran, so Schularick, "dass der Staat nicht gut darin ist, die Gewinner von morgen zu finden, aber dass die Verlierer von gestern sehr gut darin sind, den Staat zu finden".
VW, ein Verlierer von gestern? Die Probleme des Konzerns seien hausgemacht, so Schularick. Man sei zu spät auf den Zug zur E-Mobilität aufgesprungen und habe den technologischen Umstieg verschlafen. An die Politik appelliert der Ökonom, zurückhaltend auf die Krise von Volkswagen zu reagieren - und rät stattdessen zu ganz neuen Wegen: Anstelle staatlicher Hilfen sollte man sich offen für ausländische Investoren zeigen. So könnte der technologische Rückstand zu anderen Herstellern in der Welt aufgeholt werden. Dass die Politik diesem Ratschlag tatsächlich folgen könnte - immerhin ist das Land Niedersachsen Anteilseigner mit sogenannter Sperrminorität, hat also die VW-Zügel fest in der Hand -, muss indes bezweifelt werden.
Was den Verlust von Arbeitsplätzen in der Autoindustrie angeht, rät Schularick zu mehr Gelassenheit. Aufgrund des Fachkräftemangels, so prognostiziert der IfW-Chef, werde es Beschäftigten der Branche nicht schwer fallen, neue Stellen zu finden. Ohnehin kämen nicht nur auf die Autobauer selbst, sondern vor allem auch auf die Zulieferindustrie dramatische Umwälzungen zu. "Wir werden keine Zulieferer mehr brauchen, die ganz viel Getriebetechnik optimieren oder Einspritzanlagen oder was nicht alles. Da laufen wir auf einen Strukturwandel zu, und den sollen und dürfen wir auch nicht aufhalten", so Schularick.
Strenge Abgasregeln auf den Prüfstand?
Auch wenn es nach der größten Oppositionspartei im Bundestag geht, der Union, ist der Umstieg auf die E-Mobilität einer der zentralen Gründe, weshalb die deutschen Autobauer schlecht dastehen. Die Schlüsse, die CDU und CSU daraus ziehen, sind jedoch gänzlich andere: Nicht die Branche müsse reagieren und sich schneller umstellen, sondern geltende - strenge - Regeln müssten gelockert werden; so vor allem die Vorgaben für den Schadstoffausstoß. In diese Richtung argumentiert sowohl der Unionsfraktionsvize im Bundestag, Ulrich Lange, gegenüber dem Stern, als auch der Fraktionschef der EVP im Europaparlament, Manfred Weber von der CSU, in der Augsburger Allgemeinen.
Weber geht sogar noch einen Schritt weiter: Alle EU-Vorgaben für die Automobilindustrie sollten auf den Prüfstand gestellt werden. "Wir brauchen eine Generalrevision aller Gesetze und Vorschriften für die Autoindustrie", sagte Weber. "Anders wird es uns nicht gelingen, diesen so wichtigen Industriezweig zukunftsfähig zu machen und Arbeitsplätze zu sichern." Auch VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch hatte unlängst gefordert, die sogenannten CO2-Flottenziele zu lockern. Umweltschützer sind dagegen.