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Spaniens Immobilienmarkt: Sonne, Sand und Wohnungsnot



Stand: 02.02.2025 15:39 Uhr

Spaniens Wirtschaft boomt, Touristen und Investoren strömen ins Land. Die Schattenseiten zeigen sich in einem riesigen Wohnungsmangel und enorm gestiegenen Mieten.

Sebastian Kisters, HR

Nicht weit entfernt von Barcelonas Wahrzeichen, der Kirche Sagrada Familia, steht ein schlichtes, vierstöckiges Gebäude in schwarz und rot. Auf den ersten Blick: unscheinbar. Auf den zweiten Blick ist zu erkennen: Es sind ausgediente Schiffscontainer, die nun als Wohnungen dienen. Ein Sinnbild für den Zustand des Wohnungsmarkts in der Mittelmeer-Metropole.

"Es ist brutal", sagt die Architektin Irene Subils. Wer es sich in den vergangenen Jahren nicht leisten konnte, eine eigene Wohnung zu kaufen, habe nun ein Problem: "Die Mieten steigen und steigen. Viele Leute müssen aus ihren Wohnungen raus. In den städtischen Container-Wohnungen werden sie aufgefangen."

Die Stadt habe diese Wohnungen aus Schiffscontainern gebaut, weil es derzeit schnell gehen müsse, günstigen Wohnraum zu schaffen. "Es hat 26 Wochen gedauert die Container in einer Werkstatt in Wohnungen umzubauen. Die Montage vor Ort war dann in vier Tagen erledigt. Und Nachbarn mussten dabei nicht unter Dreck und Lärm leiden", sagt Subils.

Wohnungsmangel macht Spaniern enorm zu schaffen

Menschen, die ihre Mieten nicht mehr zahlen können, bekommen hier nun für bis zu zwei Jahre eine Bleibe und bezahlen dafür maximal 30 Prozent ihres Einkommens.

Eine Umfrage hat kürzlich ergeben, dass Spanier - abgesehen von einer allgemeinen Unzufriedenheit mit Politik und Parteien - die Krise auf dem Wohnungsmarkt als ihr drängendstes Problem sehen. Für diese Krise gibt es vor allem drei Gründe.

Mietwohnungen, die an Touristen vermietet werden

Erstes Problem: Das Land ist derzeit sehr beliebt bei Urlaubern, wohlhabenden Migranten und Investoren. Der Soziologe Juan Andrés Walliser beobachtet seit vielen Jahren den spanischen Wohnungsmarkt. Barcelona sei ein gutes Beispiel für die Schattenseiten des Tourismus- und Wirtschaftsbooms.

In der Stadt gebe es Wohnungen, die dauerhaft nur von Oktober bis Juni vermietet würden. "Dann wird der Vertrag gekündigt und die Immobilie touristisch vermietet. Das führt zu echten Problemen für viele Berufstätige und Familien, vor allem in Touristen- und Küstenregionen", sagt Walliser. Nie zuvor kamen mehr Besucher aus dem Ausland nach Spanien als im vergangenen Jahr.

Andere Wohnungen und Häuser stehen dauerhaft leer, weil Investoren damit rechnen, sie in Zukunft zu noch höheren Preisen verkaufen zu können, als sie der Markt jetzt schon hergibt.

Traum vom "Miami Europas"

Probleme gibt es längst auch im Landesinneren. In der Hauptstadt Madrid trage die Politik der konservativen Regionalregierung eine Mitschuld. Sie wolle die Stadt "zu einem Miami Europas" machen, sagt Walliser.

Familien und Investoren mit starker Kaufkraft aus Lateinamerika würden umworben. Öffentliche Universitäten erhielten weniger Geld, immer mehr private Unis würden genehmigt. Das ziehe ausländische Studenten mit hoher Kaufkraft an. "In Madrid gibt es ganze Viertel, die von venezolanischen oder mexikanischen Investoren gekauft werden", sagt Walliser. Arbeiter und Facharbeiter würden immer weiter an den Stadtrand gedrängt, wenn sie eine Wohnung suchten.

Mietsteigerung von 100 Prozent in zehn Jahren

Laut dem Vermietungsportal Fotocasa sind die Mieten in Spanien in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt um 78 Prozent gestiegen. In Madrid gar um rund 100 Prozent. Eine 80-Quadratmeter-Wohnung kostet in der Hauptstadt häufig um die 1.500 Euro. Für die meisten Menschen im Land ist das unbezahlbar. Der durchschnittliche Jahresverdienst in Spanien liegt bei etwa 32.000 Euro.

Das zweite Problem: Die Mieten konnten zuletzt vor allem deshalb so stark steigen, weil es das spanische Mietrecht erlaubt. Verträge laufen in der Regel nur über fünf Jahre, dann können Mieten meist nach Belieben des Vermieters erhöht werden. "Es besteht ein Ungleichgewicht zwischen der Macht auf der Angebots- und der Nachfrageseite", sagt der Wissenschaftler Eduardo González de Molina.

Großer Mangel an Sozialwohnungen

Das habe auch mit dem dritten Problem auf dem spanischen Wohnungsmarkt zu tun: Es fehlen Sozialwohnungen. Durchschnittlich sind laut einer OECD-Erhebung rund neun Prozent der Wohnungen in Europa Sozialwohnungen. Spanien kommt nur auf rund zwei Prozent. Die spanische Nationalbank schätzte zuletzt, dass 600.000 Wohnungen im Land fehlen.

Die spanische Regierung kündigte jüngst an, für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen. Etwa, indem Nicht-EU-Ausländer hohe Steuern zahlen müssen, wenn sie Immobilien in Spanien kaufen. Ob es politische Mehrheiten für diese Pläne gibt, ist jedoch unklar.

Experten rechnen damit, dass sich die Lage für Menschen, die eine Wohnung suchen, in diesem Jahr weiter verschlechtern wird. In Barcelona plant die Stadt weitere Notfall-Wohnungen aus Schiffscontainern aufzubauen.

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