3 months ago

Selbstkritische Grünen-Chefin: Ricarda Lang wurde von Rücktritt "emotional umgehauen"



"Ich saß vor meinem Handy und habe geweint": Nach ihrem Entschluss, vom Vorsitz der Grünen zurückzutreten, holt Ricarda Lang die Entscheidung erst später so richtig ein - als SPD-Generalsekretär Kühnert seinen Rücktritt verkündet. In der Rückschau äußert sich die 30-Jährige selbstkritisch.

Die scheidende Grünen-Chefin Ricarda Lang hat ihr Rücktritt als Parteivorsitzende erst mit Zeitverzögerung stark mitgenommen. Anfangs habe sie sich zwar traurig, aber "in Teilen auch befreit" gefühlt, sagte Lang in einem Interview mit der "Zeit". "So richtig emotional umgehauen hat es mich erst eine Woche darauf", als auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zurückgetreten sei. "Ich saß vor meinem Handy und habe geweint."

"Ein bisschen war es so, als ob in dem Moment ein Teil meines Rücktritts für mich selbst überhaupt erst klar geworden ist", sagte Lang. Sie verwies dabei darauf, dass sie und Kühnert sich bei einer Demonstration kennengelernt hätten, "als wir noch politische Babys waren". Beide seien "gestartet mit dem Anspruch, ganz viel zu verändern in diesem politischen Betrieb".

Nach ihrer eigenen Rückzugsankündigung Ende September hatte sie nach eigener Aussage "zwischendurch das Gefühl, ich bin auf meiner eigenen Beerdigung". Menschen hätten sie mit leiser Stimme gefragt: "Na, Ricarda, wie geht es dir?" Dabei sei ein Leben ohne Spitzenamt doch gar nicht so schlimm.

Lang und ihr Co-Vorsitzender Omid Nouripour waren im November 2023 im Amt bestätigt worden - damals wurde der aktuelle Bundesvorstand eigentlich für zwei Jahre gewählt. "Es braucht neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen", hatte Lang nach der bitteren Niederlage bei der Landtagswahl in Brandenburg ihren Rückzug begründet. Auch Nouripour trat zurück.

"Frauen können so etwas schon selbst entscheiden"

Lang wies indes zurück, dass es Druck auf sie gegeben habe, nach gut zweieinhalb Jahren im Amt zurückzutreten. "Mein Rücktritt war eine selbstbestimmte Entscheidung. Ich habe gesehen, dass die Partei in einer Krise ist und eine neue Strategie braucht", sagte sie der "Zeit". "Um ehrlich zu sein, nervt mich diese Frage: Wer war der Mann hinter Ricarda Langs Rücktritt? Frauen können so etwas schon selbst entscheiden, glauben Sie mir."

Sie habe aber zu viel Zeit und Kraft darauf verwendet, Vorurteile gegen sich zu widerlegen, sagte Lang. "Ich habe versucht, so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten, so ernsthaft, glatt und perfekt wie möglich zu sein. Heute glaube ich, dass man sich dadurch klein macht. Man überlässt anderen die Deutungshoheit über sich." Im Rückblick frage sie sich auch, warum sie als Spitzenpolitikerin nicht freier und klarer gesprochen habe.

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Als Parteivorsitzende fühle sie sich zudem bei dem Versuch gescheitert, bei den Grünen für mehr Sensibilität für die Belange von ärmeren Menschen zu sorgen. "Ich habe es nicht hinbekommen", räumte die scheidende Parteichefin ein. In diesem Punkt fühle sie sich gescheitert. Die Grünen würden heute stark als "Elitenprojekt" wahrgenommen.

Ricarda Lang führte die Grünen seit Anfang 2022 gemeinsam mit Omid Nouripour. Bei dem Parteitag am 15. November werden sie ihre Ämter abgeben und zwei Nachfolger gewählt werden. Die heute 30-Jährige war die jüngste Vorsitzende in der Geschichte ihrer Partei.

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