Wenn es darum geht, einen Termin bei einem Facharzt zu bekommen, sind Privatversicherte klar im Vorteil. Sie kommen deutlich schneller zum Zug. Das finden nicht nur die gesetzlichen Krankenkassen ungerecht, sondern auch die Politik. Minister Lauterbach mahnt Union und FDP zur Einsicht.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen moniert bei der Vergabe von Arztterminen eine Bevorzugung von Privatversicherten gegenüber gesetzlich Versicherten. "Wer echte Gleichbehandlung will, sollte dafür sorgen, dass bei der Terminvergabe nicht mehr danach gefragt werden darf, ob jemand gesetzlich oder privat versichert ist", sagte die stellvertretende GKV-Chefin Stefanie Stoff-Ahnis dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Wenn Sie auf ein Buchungsportal gehen und als gesetzlich Versicherte einen Facharzttermin suchen, bekommen Sie einen in 6 Wochen oder noch später angeboten. Klicken Sie dagegen 'Privatpatient' an, klappt es schon am nächsten Tag."
Stoff-Ahnis sagte, 90 Prozent der Menschen in Deutschland seien gesetzlich versichert. "Da ist es mehr als gerechtfertigt, dass es künftig bei der Terminvergabe zu 100 Prozent um die medizinische Notwendigkeit geht und nicht darum, ob jemand GKV- oder PKV-versichert ist." Sie forderte zudem bei der Terminvergabe eine gesetzliche Verpflichtung für alle Arztpraxen, freie Termine tagesaktuell einem Onlineportal zur Verfügung zu stellen, auf das die gesetzlichen Kassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen zugreifen können.
Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, mahnte gesetzliche Änderungen an. "Das Vergabesystem für Fach- und Hausarzttermine ist undurchsichtig. Auch erfahren die Hilfesuchenden keine Unterstützung von den Krankenkassen", sagte Brysch. Eine Überprüfung der ärztlichen Präsenzzeiten und Vergabepraxis sei überfällig. Dafür müssten die Kassenärztlichen Vereinigungen "gesetzlich verbindlich verantwortlich gemacht werden", forderte Brysch.
Die Bundesländer, die eigentlich die Aufsichtspflicht über die Vergabepraxis hätten, täten nichts, um den Missstand zu beseitigen. Die künftige Bundesregierung sollte laut Brysch alle zwei Jahre einen Bericht über die Terminvergabepraxis vorlegen. "Transparenz beendet die Diskriminierung", erklärte er.
Lauterbach stichelt gegen Union und FDP
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nannte die Terminverteilung in den Praxen auf X ungerecht. "Wenn privat Versicherte schneller und besser versorgt werden als gesetzlich Versicherte ist das keine Neiddebatte. Es ist schlicht ungerecht, wenn Geld entscheidet, wer zuerst behandelt wird", schrieb der SPD-Politiker. "Ärzte sind keine Kaufleute. Jedes Studium kostet uns 250.000 €." Das "Tabuthema Zweiklassenmedizin" müsse endlich angepackt werden, schrieb er in einem weiteren Post.
"Jeder gesetzlich Versicherte muss genauso schnell behandelt werden wie ein Privatversicherter", sagte der SPD-Politiker überdies dem "Tagesspiegel". Lauterbach rief Union und FDP dazu auf, "sie sollten ihre Blockade, die die Gleichbehandlung aller Versicherter verhindert, endlich aufgeben". Er sagte: "Ohne FDP und Union gäbe es die Zweiklassenmedizin schon lange nicht mehr."
Auch aus der Union wurde der Ruf nach einer Reform laut. Der Vorschlag des Krankenkassen-Spitzenverbandes habe "Charme", sagte der Vorsitzende des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, dem "Tagesspiegel". Bei immer weiter steigenden Kosten für die gesetzlich Versicherten "verlieren wir irgendwann Akzeptanz und Vertrauen in das System, wenn man trotz akuter Probleme wochenlang warten muss und wie zweiter Klasse behandelt wird", sagte Radtke: "Niemand will Privilegien von privat versicherten beschneiden, aber bei der Terminvergabe muss es fair zugehen. Kassen-Patienten dürfen nicht diskriminiert werden."