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Schnelle Schuldenbremse-Reform?: Auch Merz sieht, wie knapp die nächste Regierung bei Kasse sein wird



In ihrem Wahlprogramm pocht die Union noch auf die Schuldenbremse. Jetzt vollzieht der CDU-Vorsitzende Merz eine Kehrtwende: Er schließt weder eine Reform der Schuldenbremse noch ein Sondervermögen für die Ukraine-Hilfen aus. Aber die Zeit für entsprechende Beschlüsse drängt.

Wenn Friedrich Merz Kanzler wird, braucht er vor allem eines: Geld. Immenser Druck kommt von Donald Trump. Der US-Präsident droht, die Ukraine und die EU fallen zu lassen und schraubt seine finanziellen Forderungen an die NATO-Partner immer weiter hoch. Zugleich lässt die Schuldenbremse kaum Spielraum für einen größeren Wehretat. Und es gibt ein Problem: Im neuen Bundestag könnten AfD und Linke eine Änderung der Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen blockieren. Ohne sie käme die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande.

Angesichts dieser Lage haben die Grünen eine unkonventionelle Idee ins Spiel gebracht. Der alte Bundestag könnte noch eine Reform der Schuldenbremse beschließen. Merz ist offenbar nicht abgeneigt. Vor Journalisten im Konrad-Adenauer-Haus sagte er, er wolle mit den Fraktionen im Bundestag darüber reden. Gerade einmal 30 Tage haben die Abgeordneten dafür Zeit, bevor der neue Bundestag die Arbeit aufnimmt - und es zu spät für entsprechende Abstimmungen wäre.

In diesem neuen Bundestag haben AfD und Linke knapp mehr als ein Drittel der Sitze. Die beiden Parteien an den politischen Rändern verfügen damit gemeinsam über eine sogenannte Sperrminorität. Sie lehnen eine Reform der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben sowie ein Sondervermögen für die Ukraine ab - und können beides bei Abstimmungen verhindern. Die Linke will einer reformierten Schuldenbremse nur zustimmen, wenn es nicht ums Geld fürs Militär geht. Es müsse mehr in die "soziale Infrastruktur" investiert werden, sagte Co-Parteichefin Ines Schwerdtner. Die Linke lehnt auch Waffenlieferungen an die Ukraine ab. "Für Aufrüstung werden wir nicht stimmen", sagte Schwerdtner.

Sondervermögen spätestens 2027 aufgebraucht

AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel pocht derweil auf die bedingungslose Einhaltung der Schuldenbremse. "Im Grundsatz darf ein Staat niemals mehr ausgeben, als er einnimmt: Das ist die Schuldenbremse", sagte Weidel im Quadrell von RTL/ntv. Weidels Behauptung ist jedoch falsch: Die Schuldenbremse erlaubt einen engen Verschuldungsspielraum mit einer Nettokreditaufnahme von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das aber wird nicht reichen, um die eigene Verteidigung auszubauen, die Finanzhilfen an die Ukraine aufzustocken und den Waffenstillstand dort militärisch abzusichern. Zuletzt verlangte Trump von den NATO-Partnern, satte fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Bislang konnte sich Deutschland nur durch das Sondervermögen für die Bundeswehr über die Zwei-Prozent-Marke retten. Dieses Vermögen ist jedoch spätestens 2027 aufgebraucht. Und dann?

Auch Merz sieht, wie knapp die kommende Bundesregierung bei Kasse sein wird. Die letzte ist bereits am Streit über die Haushaltsverhandlungen zerbrochen. Der Clinch darüber, wegen der Ukraine-Milliardenhilfen eine Ausnahmeregelung der Schuldenbremse zu nutzen, war der letzte Auslöser zum Bruch der Ampel. Die FDP lehnte dies ab. Scholz entließ daraufhin Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner.

Merz hofft nun dennoch auf eine Unterstützung sowohl der FDP als auch der Grünen und der SPD, um zu einer Einigung zu kommen. Mit allen drei Parteien wolle er jetzt das Gespräch bezüglich der Reform und des Ukraine-Sondervermögens suchen, sagt er. Es gebe im nächsten Bundestag eine Sperrminorität "der ganz linken und der ganz rechten Seite", so Merz. "Dann haben wir keine Mehrheiten mehr, um das Grundgesetz zu ändern" und etwa Richter zum Bundesverfassungsgericht zu wählen. "Das ist eine schwierige Lage", räumt Merz ein.

Scholz reagiert zurückhaltend auf Gesprächsangebot

In ihrem Wahlprogramm hielt die CDU noch an der Schuldenbremse fest. Kanzler Olaf Scholz wiederholte deshalb im Wahlkampf fast täglich den Vorwurf, die Union sei nicht ehrlich: Es sei absehbar, dass es allein für den Bundeswehretat ab 2028 einen jährlichen Mehrbedarf von 30 Milliarden Euro gebe, weil dann das bestehende Sondervermögen auslaufe. Sollten die NATO-Staaten ihre Rüstungsausgaben weiter erhöhen, kämen jährlich Dutzende Milliarden hinzu. Scholz warnte, dass dies aus dem normalen Bundeshaushalt ohne einen drastischen Abbau sozialer Leistungen oder eben die Kürzung dringend nötiger Investitionen nicht zu leisten sei.

So verwundert es nicht, wie zurückhaltend Scholz jetzt auf Merz' Gesprächsangebot reagiert. Scholz sagte mit Blick auf eine schnelle Reform der Schuldenbremse, wenn, dann müsse sich ein solcher Vorstoß aus Kontakten zwischen Union und SPD ergeben. "Alles andere macht gar keinen Sinn und deshalb will ich da nicht vorgreifen." Bisher habe es keinen Kontakt gegeben. Sollte es zu Gesprächen kommen, müsse man in dem Zusammenhang "alles Mögliche erörtern, mit größter Vorsicht selbstverständlich". Es sei selten, aber nicht unmöglich, dass der alte Bundestag nach einer Bundestagswahl noch einmal zusammenkomme.

Falls es zu keiner Einigung kommt, bleibt Merz noch eine Möglichkeit: die Schuldenaufnahme auf EU-Ebene. Die Europäische Union könnte Kredite aufnehmen, ohne dass Merz die Schuldenbremse anrühren müsste. In Brüssel werden immer wieder Forderungen nach gemeinsamen EU-Schulden für einen Verteidigungsfonds laut. Seit dem vergangenen Jahr rechnet die Kommission für die EU mit einem Bedarf von 500 Milliarden Euro zusätzlicher Verteidigungsausgaben binnen zehn Jahren. Sowohl Merz als auch Scholz lehnen gemeinsame Schulden für einen 500 Milliarden Euro schweren Verteidigungsfonds bislang strikt ab, da Deutschland als wirtschaftlich stärkster Mitgliedsstaat dafür am meisten bezahlen müsste. Aber Merz könnte darin auch eine Chance sehen, den Wehretat abseits der Zwänge der Schuldenbremse aufzustocken.

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