Nach dem Bekanntwerden eines Beschlussentwurfs für die Weltklimakonferenz (COP) üben viele Staaten Kritik. Er sei unausgewogen und inakzeptabel. Außenministerin Baerbock sieht einen "noch extrem steinigen Weg". Panamas Unterhändler spricht von "einem tragischen Spektakel".
In der heißen Phase der Weltklimakonferenz tut sich ein tiefer Riss in der Frage der milliardenschweren Finanzierung der Klimaanpassung für ärmere Länder auf. Ein öffentlich gewordener Entwurf für eine Abschlusserklärung lässt zentrale Fragen offen und listet eher die gegensätzlichen Positionen auf. "Der Text, den wir haben, ist unausgewogen, keine Arbeitsgrundlage und inakzeptabel", sagte der EU-Chefunterhändler Wopke Hoekstra. Er verlangte mehr Führung von der aserbaidschanischen Präsidentschaft der Konferenz. Auch Außenministerin Annalena Baerbock, die die deutsche Delegation anführt, äußerte sich enttäuscht.
"Leider sind die Texte gerade bei so essentiellen Fragen wie der Klimafinanzierung und Klimaanpassung sowie bei der Emissionsminderung noch lange nicht da, wo wir sie für ein gutes Klimaergebnis brauchen", sagte Baerbock bei einer Pressekonferenz in Baku. "Das heißt, wie meistens auf diesen Klimakonferenzen, wird es in den nächsten Tagen noch ein extrem steiniger Weg."
Formell soll die sogenannte COP29 am Freitagabend enden, es wird aber schon jetzt mit einer Verlängerung gerechnet. "Es wird nun darum gehen, dass alle Seiten konstruktiv mitarbeiten und auch die Präsidentschaft ihre Rolle mit mehr klimapolitischem Ehrgeiz wahrnimmt", sagte Baerbock. Auch Umweltministerin Steffi Lemke zeigte sich enttäuscht. Man sehe ein letztes Aufbäumen der fossilen Welt, sagte sie in Baku. "Vor den Verhandlungsteams liegen sehr schwierige Stunden."
Bei den jährlichen Weltklimakonferenzen soll ein Weg gefunden werden, die Erderwärmung um 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dafür muss die Weltgemeinschaft immer schärfere CO2-Einsparziele vorlegen und den ärmsten und meist am stärksten vom Klimawandel betroffenen Staaten helfen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte: "Ein Scheitern darf keine Option sein."
"Es geht um sehr, sehr viel Geld"
Bisher hat die Weltgemeinschaft - in erster Linie die Industriestaaten - 100 Milliarden Dollar jährlich zugesichert und im Kern auch aufgebracht. Dies sind staatliche Mittel, aber auch Beträge der Privatwirtschaft. Diese Summe gilt aber als nicht mehr ausreichend. Ärmere Staaten hatten mit Unterstützung von Wissenschaftlern eine Billion Dollar gefordert, was aber als unrealistisch gilt. Baerbock räumte ein: "Ja, es geht um sehr, sehr viel Geld." Deswegen seien die Verhandlungen noch komplizierter. "Klar ist, und das möchte ich unterstreichen, Deutschland und Europa bleiben verlässliche Partner bei der internationalen Klimafinanzierung." Als Minimalbetrag stand im präsentierten Entwurf als Platzhalter lediglich ein "X".
Panamas Unterhändler Juan Carlos Monterrey Gomez sprach von einem "Schlag ins Gesicht" jener, die am meisten unter dem Klimawandel leiden. "Das wird hier zu einem tragischen Spektakel, ein Zirkus. Wir sind auf der Zielgeraden der Konferenz und dann kommt so ein schwacher Text", sagte er. Darin wird im Wesentlichen der Standpunkt ärmerer Staaten und der Industriestaaten gegenübergestellt, aber keine Summe für die Hilfen genannt. Auch bleibt die Rolle von sogenannten Schwellenländern wie China unklar. Die Industriestaaten fordern einen Beitrag von ihnen für die Finanzierung der ärmsten Staaten.
Breite Kritik an vagem Entwurf
Umweltministerin Lemke machte deutlich: "Wir reden auch über den Privatsektor. Die Steuerzahler der Welt können das nicht allein tragen." Deutschland habe für 2025 insgesamt sechs Milliarden Euro zugesagt, davon 1,5 Milliarden Euro für den Erhalt der Artenvielfalt. Lemke und auch Umweltgruppen äußerten sich zudem besorgt über Formulierungen im Text zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Während es im vergangenen Jahr bei der Klimakonferenz noch ein Bekenntnis dazu gegeben habe, lese sich das im Entwurf nun vage. "Im jetzigen Text ist es versteckt, wird relativiert oder zurechtgestutzt", beklagte Australiens Klimaminister Chris Bowen.
Ohne konkrete Zahl gehe es bei den Verhandlungen um gar nichts, sagte Kolumbiens Umweltministerin Susana Mohamed. Unter diesen Vorzeichen frage man sich, warum man überhaupt zur COP anreise, sagte Esa Ainuu von der kleinen Pazifikinsel Niue. Für die dortigen Bewohner seien solche Fragen entscheidend. "Wir können nicht in die Wüste fliehen. Wir können nirgendwo anders hin fliehen."
"Wir brauchen einen Scheck, aber im Moment haben wir nur ein leeres Blatt Papier", sagte Mohamed Adow von der Denkfabrik Power Shift Africa. Iskander Erzini Vernoit von einem marokkanischen Think Tank, der Imal Initiative for Climate and Development, sagte: "Es fehlen uns die Worte, wie enttäuscht wir in diesem Stadium sind." Es gebe keine ernsthafte Zahlen und kein ernsthaftes Engagement der Industriestaaten.