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Schichtarbeit: So lässt sie sich smarter gestalten



Schichtarbeit und guter Schlaf - geht das? Wie Schichtarbeiter ihren Nachtrhythmus ideal steuern können.

Schichtarbeit hält Deutschland am Laufen - aber schadet der Gesundheit. Ob in der Produktion, in der Gesundheitsbranche oder im Transportwesen: In Deutschland arbeiten rund 17 Millionen Menschen in Schichtdiensten, davon rund 3,5 Millionen regelmäßig nachts. Ihr Risiko für Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Belastung ist erhöht.

"Wenn das Zusammenspiel zwischen unserem inneren Uhrensystem und dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus gestört wird, hat das nicht nur Auswirkungen auf unseren Schlaf, sondern auch auf unsere allgemeine Gesundheit", erklärt Dr. Christian Benedict, Neurowissenschaftler und Schlafforscher an der Universität Uppsala, im Interview mit spot on news.

Schichtarbeit stört die innere Uhr

Das Problem: Der Mensch ist biologisch auf einen festen Rhythmus programmiert - wach bei Tageslicht, müde im Dunkeln. Schichtarbeit zwingt den Körper, gegen seine Natur zu leben.

"Schichtarbeit ist unnatürlich und gesundheitsschädlich. Sie plant unser Verhalten zur falschen Zeit ein und stört damit unsere inneren Uhren, was langfristig zu chronischen Erkrankungen führen kann. Es ist nicht nur der Schlaf, der betroffen ist, sondern jedes biologische System im Körper", sagt Mickey Beyer-Clausen, Mitbegründer der App Timeshifter.

"Ernährung und Bewegung können helfen, gesund zu bleiben, aber sie lösen nicht das grundlegende Problem der Schichtarbeit. Die Probleme der Schichtarbeit werden durch die Störung der zirkadianen Uhren verursacht - und die lässt sich nur durch Lichtsteuerung und gezielte Schlafplanung korrigieren", erklärt er.

Licht als Schlüssel zur Anpassung

Die wichtigste Steuerung für die innere Uhr ist Licht. "Um den körpereigenen Rhythmus mit dem Tag-Nacht-Rhythmus der Erde zu synchronisieren, nutzt unser Körper äußere Signale, vor allem das Tageslicht, das über die Augen aufgenommen wird", erklärt Dr. Christian Benedict.

Doch genau das wird bei Schichtarbeit zum Problem. Wer nachts arbeitet, sollte sich hellem Licht aussetzen, um wach zu bleiben. Wer nach einer Nachtschicht schlafen will, sollte Licht meiden. "Wenn man den richtigen Zeitpunkt für Licht und Dunkelheit einhält, kann man die Uhr zurückstellen und damit automatisch Schlaf und Wachsamkeit verbessern", so Beyer-Clausen.

Seine App Timeshifter basiert auf Forschungen von Harvard in Kooperation mit der Nasa zum Thema Jetlag bei Astronauten und bietet eine personalisierte Anpassung des Schlafplans nach den individuellen Arbeitszeiten und biologischen Bedürfnissen. Sie zeigt Nutzern genau, wann sie Licht meiden oder nutzen sollten - abhängig von ihrer Schicht und ihrem individuellen Biorhythmus.

Wie sich Schichtarbeit besser gestalten lässt

"Wer seinen zirkadianen Rhythmus richtig steuert, schläft besser und ist wacher, wenn er es braucht", sagt Beyer-Clausen. Sein Rat: Während der Arbeit - ob tagsüber oder nachts - helles Licht nutzen, um wach zu bleiben. Vor dem Schlafen hingegen Licht meiden. So lässt sich der Körper darauf konditionieren, zur richtigen Zeit zu ruhen, unabhängig von der Arbeitszeit.

Auch Schlafforscher Dr. Christian Benedict betont die Bedeutung gezielter Lichtsteuerung - sowohl für die Wachsamkeit während der Schicht als auch für den besseren Schlaf danach. Studien zeigen: Wer in der Nachtschicht Licht mit hohem Blaulichtanteil ausgesetzt ist, bleibt konzentrierter - ähnlicher wie nach einem Kaffee. Doch auf dem Heimweg droht die Falle: Tageslicht mit hohem Blaulichtanteil signalisiert dem Körper Aktivität. Sein Tipp: Einige Stunden vor Beginn des Tagesschlafs eine Blaulichtfilterbrille tragen.

Auch Arbeitgeber können helfen, ihre Mitarbeiter in Schichtarbeit zu unterstützen. "Unternehmen sollten kein gedimmtes Licht am Arbeitsplatz haben. Wenn das nicht möglich ist, sollten sie zumindest einen Bereich schaffen, in dem Mitarbeitende sich regelmäßig intensivem Licht aussetzen können. Intervallweise helles Licht kann fast so wirksam sein wie eine kontinuierliche Exposition", sagt Mickey Beyer-Clausen. Zudem sei ein allmählicher Wechsel von Früh- zu Spätschicht oder andersrum weniger belastend als abrupte Wechsel.

Ein weiterer Hebel: Schlafscreenings für Mitarbeitende. "Es spielt keine Rolle, wie gut ein Schichtplan oder eine Strategie zur Anpassung ist - wenn jemand beispielsweise unter Schlafapnoe oder Schlaflosigkeit leidet, wird das Problem von Müdigkeit bleiben." Regelmäßige Untersuchungen könnten solche Probleme frühzeitig aufdecken - und damit die Gesundheit der Beschäftigten schützen.

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