Vieles laufe inzwischen schneller und pragmatischer - deutsche Rüstungsunternehmen loben Verteidigungsminister Pistorius. Doch das Ende der Ampelregierung und die "Kleinstaaterei" in Europa bereiten der Branche Sorgen.
Es dürfte einer der am schnellsten abgewickelten Rüstungsaufträge in der Geschichte der Bundeswehr sein. Vor nicht einmal einem Jahr bestellte das Verteidigungsministerium 62 Kampfhubschrauber vom Typ H145M im Milliardenwert, heute wird bei Airbus Helicopters im schwäbischen Donauwörth die erste Maschine an die Truppe übergeben. Das Projekt gilt angesichts des kurzen Zeitraums zwischen Order und Auslieferung als Beleg für mehr Tempo bei der militärischen Beschaffung in Deutschland.
Hintergrund ist ein Umdenken im Verteidigungsministerium. Bei der Bestellung im vergangenen Dezember hatte die Bundeswehr - anders als in der Vergangenheit - auf eine langwierige und teure Neuentwicklung als Nachfolger für ihre Flotte von Tiger-Kampfhubschraubern verzichtet. Stattdessen wurden die Maschinen mehr oder weniger von der Stange gekauft.
So ist das zivile und unbewaffnete Schwestermodell des H145M seit Jahren etwa bei Rettungsdiensten, der Polizei oder auch als Shuttle zu Bohrinseln im Einsatz. Auch die Bundeswehr hat bereits Erfahrungen mit der Maschine. Sie fliegt unter anderem die Spezialkräfte des KSK zu Einsätzen.
Lob für Verteidigungsminister Pistorius
Frank Haun hat ebenfalls die Beobachtung gemacht, dass Beschaffungsprozesse inzwischen schneller und pragmatischer ablaufen als in der Vergangenheit. Er ist einer der bekanntesten deutschen Rüstungsmanager. Lange stand er an der Spitze des Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann (KMW) in München. Seit dem Zusammenschluss von KMW mit der französischen Nexter leitet Haun das internationale Gemeinschaftsunternehmen KNDS.
Erst vor wenigen Wochen stellte sein Unternehmen in München die neueste Generation des Kampfpanzers "Leopard 2" vor, die nun zügig an die Bundeswehr ausgeliefert werden soll. Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk lobte Haun vor allem Verteidigungsminister Boris Pistorius. Der SPD-Politiker habe mit einem sogenannten Beschleunigungserlass für wesentlich mehr Tempo in der Beschaffungsbürokratie gesorgt.
Zerfall der Ampel sorgt für Unsicherheit
Sowohl bei der Bundeswehr, als auch in der Rüstungsindustrie hat sich Pistorius in knapp zwei Jahren Amtszeit viel Respekt erarbeitet. Der Niedersachse gilt als Anpacker und einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Allerdings konnte er sich bei einem zentralen Thema nicht gegen Widerstände aus der eigenen Regierung durchsetzen. Die von Pistorius geforderte massive Erhöhung des Verteidigungshaushaltes wurde von der Koalition immer wieder abgeschmettert.
Nach bisherigem Stand soll der sogenannte Einzelplan 14 des Bundeshaushaltes im kommenden Jahr zwar um etwas mehr als eine Milliarde auf knapp 53,2 Milliarden Euro steigen. Damit verfehlt die Bundesregierung aber bei weitem das Versprechen, regelmäßig mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Dies würde nämlich ein Verteidigungsbudget von mehr als 70 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten.
Dazu kommt, dass es völlig unsicher ist, ob der Bundestag rund um die anstehenden Neuwahlen noch wichtige Beschaffungsprojekte beschließt. In der Rüstungsbranche befürchtet man nun eine monatelange Hängepartie.
"Sie kann Augsburg verteidigen, aber nicht München"
Grundsätzlich erwarten die meisten Rüstungsmanager in den kommenden Jahren weitere Aufträge. Es gilt als sicher, dass der künftige US-Präsident Donald Trump darauf dringen wird, dass die europäischen Staaten mehr Geld als bisher für ihre eigene Sicherheit ausgeben.
Als Vorbilder gelten Polen und die baltischen Staaten, die wegen ihrer geografischen Nähe zu Russland bei ihren Verteidigungsausgaben schon seit einer Weile deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO liegen. Bisher schaffte dies Deutschland nur dank eines sogenannten Sondervermögens, das aber bald aufgebraucht ist.
Aus diesen Mitteln hat die Bundeswehr einiges an neuem Material erhalten oder zumindest bestellt. Doch das werde nicht ausreichen, um die Mängelwirtschaft der Truppe in den vergangenen Jahrzehnten aufzuholen, sagt KNDS-Chef Haun. "In Summe hat sie noch immer nicht genug Gerät, wenn man sich das mal ganz sachlich anschaut", mahnt er. "Von mir kommt immer der Spruch: Sie kann Augsburg verteidigen, aber nicht München oder Berlin."
Gute Geschäfte, zurückhaltende Produktionserweiterung
Wirtschaftlich stehen die meisten Rüstungsfirmen in Deutschland inzwischen deutlich besser da als vor der "Zeitenwende"-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022. In den vergangenen Wochen meldeten Unternehmen wie Rheinmetall, der Getriebehersteller Renk oder der Radarspezialist Hensoldt in ihren Quartalsberichten starkes Wachstum.
Von einer "Kriegswirtschaft", in der zum Beispiel Panzer in großer Stückzahl wie vom Fließband rollen, ist Deutschland aber weit entfernt. So erweitern die Firmen ihre Produktionskapazitäten zum Teil nur sehr zögerlich. Das hat auch rechtliche Hintergründe: Hierzulande dürfen Kriegswaffen nur dann gebaut werden, wenn es eine entsprechende staatliche Bestellung gibt. Die Unternehmen können also nicht auf Verdacht Militärgerät auf Halde herstellen.
Nur wenige einheitliche Produkte für Europa
Ein grundsätzliches Problem der europäischen Sicherheitspolitik ist "Kleinstaaterei". Bis heute fehlt es länderübergreifend an klaren strategischen Vorgaben. Welches militärische Gerät mittel- und langfristig und in welchem Umfang benötigt wird, ist ebenso offen wie die Frage, wer solche Systeme herstellen soll.
In Europa konkurrieren hier Dutzende von Unternehmen, die von ihren jeweiligen Regierungen gestützt werden. Bislang ist wenig ernsthafter politischer Wille erkennbar, dieses teure und ineffiziente Nebeneinander abzuschaffen.
Pistorius bei europäischem Großprojekt
Als eines der wenigen Beispiele für eine erfolgreiche europäische Rüstungskooperation gilt ein Projekt, das Verteidigungsminister Pistorius am Nachmittag besucht. Im oberbayerischen Schrobenhausen wird er zu einem symbolischen Spatenstich erwartet. Der Lenkwaffenspezialist MBDA Deutschland baut dort neue Produktionslinien auf. Das Unternehmen produziert dort in den kommenden Jahren für verschiedene europäische Streitkräfte 1.000 Raketen der neuesten Generation für das Luftabwehrsystem "Patriot".
Zwar verfügt zum Beispiel Deutschland schon seit Jahrzehnten über "Patriot"-Systeme. Bisher aber kamen die Raketen aus den USA und wurden in Schrobenhausen nur noch an die Anforderungen der Bundeswehr angepasst. Nun sollen die Raketen erstmals in Deutschland hergestellt und nicht nur an die Bundeswehr, sondern auch an verschiedene NATO-Partner ausgeliefert werden.