Russland produziert eine neue Version der Iskander-M-Rakete. Große Teile Mittel- und Westeuropas liegen jetzt in Reichweite. Zudem wurde die Treffergenauigkeit verbessert.
Russland soll Militärbeobachtern zufolge kurz vor der Serienproduktion einer neuen Iskander-Rakete stehen. Dabei soll vor allem die Reichweite im Vergleich zur bisherigen Iskander-M gesteigert worden sein. Die Iskander-M verfügt über einen Wirkungsbereich von etwa 500 Kilometern, damit zählt sie zu den Kurzstreckenraketen und war nach den Kriterien des Vertrages zum Verbot von Mittelstreckenraketen – Intermediate Range Nuclear Forces Treaty (INF) – zulässig. Die USA haben dieses Abkommen in der ersten Amtszeit von Donald Trump verlassen.
Die neue Version soll nun eine Reichweite von 1000 Kilometern und mehr haben. Damit wäre sie eine Mittelstreckenwaffe mit eher kleinerer Reichweite. Mit 1000 Kilometern könnte sie alle Ziele im Westen der Ukraine erreichen. Würde sie in der Enklave Kaliningrad oder im verbündeten Belarus stationiert werden, reichte sie sogar weit nach Mittel- und Westeuropa hinein. Von Kaliningrad aus würde die Iskander-M fast den gesamten Ostseeraum, ganz Dänemark und den größten Teil Deutschlands abdecken. London, Brüssel oder Paris lägen dagegen außerhalb ihres Wirkungsbereiches.Startegische Raketentruppen Art 15.20
Iskander von Beschränkungen befreit
Die höhere Reichweite wurde nach Angaben der Beobachter durch ein leistungsstärkeres und effizienteres Triebwerk ermöglicht. Zugleich sei die Treffergenauigkeit gesteigert worden. Zur Nutzlast gibt es keine Angaben.
Erste Hinweise auf die Iskander-1000 gab es bereits im Mai 2024. Nach der Aufkündigung des INF-Vertrages durch die USA war es absehbar, dass die Russen daran arbeiten wüerden, die bisherigen Restriktionen auch praktisch aufzuheben.
Zur Verbesserung der Zielsteuerung gibt es derzeit nur Spekulationen – es ist aber anzunehmen, dass im Zuge eines neuen Modells auch die Elektronik verbessert wurde. Die Iskander-1000 wurde demnach mit einem neuen autonomen Trägheitsleitsystem (INS) ausgestattet, ergänzt durch die Satellitennavigation von Glonass. In der Endphase nutzt die Rakete ein Radar zur Korrektur und erreicht so eine Abweichung von höchstens fünf Metern. Um die Luftabwehr zu erschweren, könne die Iskander-1000 in der Endphase trotz hoher Geschwindigkeit Manöver ausführen und auch Täuschkörper einsetzen, so zumindest die russischen Angaben.
Arbeitspferd der Russen
Im Krieg gegen die Ukraine ist die Iskander eine der schlagkräftigsten Waffen Russlands. Die taktischen Waffen sind nicht der strategischen Raketentruppe unterstellt. Sie werden gegen strategische Ziele wie die Energieversorgung oder Flughäfen eingesetzt. Ihre Besonderheit gegenüber Marschflugkörpern ist die geringe Zeit, die zwischen dem Ausmachen eines Zieles und dem Einschlag der Rakete liegt. Dadurch kann die Iskander auch gegen Truppenkonzentrationen und gelandete Jets eingesetzt werden. Angeblich besitzen die Iskander-Einheiten eigene Aufklärungseinheiten mit Beobachtungsdrohnen, sodass sie Ziele selbst ausmachen können.
Der Gefechtskopf einer Rakete wiegt zwischen 700 und 800 Kilogramm und ist damit fast doppelt so groß wie der eines Marschflugkörpers. Entsprechend größer ist auch die Zerstörungswirkung. Die Iskander wurde in der Vergangenheit auch eingesetzt, um plötzliche Krisen an der Front zu entschärfen. Die Rakete ist zwar relativ teuer, aber die große Reichweite macht es möglich, auch an Abschnitten, an denen es an Artillerie mangelt, ad hoc eine hohe Feuerkraft zu erreichen.Waffen aus Nordkoera_1227
Iskander besonders wirksam
Für die Nato, aber auch für die Ukraine sind diese Waffen wegen der kurzen Vorwarnzeit besonders bedrohlich. Marschflugkörper sind nicht nur langsamer, bereits der Start des Trägerflugzeugs alarmiert den Gegner. Bei einer ballistischen Rakete wird ihr Start von Satelliten bemerkt, dann bleiben aber nur wenige Minuten zur Reaktion.
Ballistische Raketen sind besonders wirksam. Im Herbst 2024 zeigte der ukrainische General Syrskyj eine Aufstellung der russischen Fernwaffen, die Zahl ihrer Einsätze und die ukrainischen Abwehrerfolge. Bei Marschflugkörpern gelangen Kiew merkliche Abschüsse. Die Iskander erreichte dagegen fast immer ihr Ziel.
Das ist auch kein Wunder. Die vergleichsweise langsamen Marschflugkörper fliegen Hunderte von Kilometern über ukrainisches Gebiet. Auf diesem Weg können sie von zahlreichen Waffensystemen angegriffen werden – etwa auch von Flakpanzern wie dem Gepard. Manpads – also schultergestützte Flugabwehrsysteme – und selbst Kampfjets machen Jagd auf die Missiles. Eine ballistische Rakete dagegen stürzt auf einer Flugbahn vom Rande der Atmosphäre auf den Boden zurück – es gibt daher keinen langen Anmarschweg. Nur fortgeschrittene Luftabwehrsysteme wie die Patriot können versuchen, sie zu erreichen. Systeme wie Iris-T sind auch wirksam, wegen ihrer vergleichsweise geringen Reichweite müssen sie sich aber in der Nähe des Einschlagpunktes befinden.Startegische Raketentruppen Art 15.20
Kiew bezweifelt Produktion
Eine Weiterentwicklung der Iskander-M durch Russland wäre nur logisch. Kiew bestreitet jedoch, dass die Iskander-1000 Serienreife erreicht habe und verweist auf die Oreschnik. Von dieser Rakete soll Russland angeblich 30 Stück im Monat herstellen, eingesetzt wurde aber bislang nur ein einziger Prototyp.
Mit der Produktion der Iskander-1000 würde Russland die nordkoreanischen Hwasong-11A – KM-223 – ergänzen, die bereits Ende 2023 gegen die Ukraine eingesetzt wurde.
Quellen: National Interest, Military Watch