Die Ukraine greift in der Nacht mehrere russische Regionen mit Drohnen an. Im russischen Kursker Grenzgebiet finden weiter Kämpfe statt. Ziel ist die Ausweitung des Krieges.
Drei Tage nach dem überraschenden Vorstoß ukrainischer Truppen auf das russische Gebiet Kursk hat die Ukraine Drohnenangriffe auf mehrere Regionen Russlands gestartet. Nach einem Angriff auf einen Militärflugplatz bei der Stadt Lipezk rund 300 Kilometer nördlich von der ukrainisch-russischen Grenze in der Nacht kam es zu massiven Explosionen in einem Munitionslager. Luftalarm wurde ebenfalls in den benachbarten Gebieten Kursk, Brjansk, Belgorod und Woronesch sowie auf der Krim ausgelöst. Über 70 Drohnen seien abgefangen worden, teilten die russischen Behörden mit.
Gouverneur Igor Artamonow teilte bei Telegram mit, um die Stadt Lipezk sei zur Beseitigung der Folgen der Explosionen der Notstand erklärt worden. Vier Dörfer um den Militärflughafen sollten evakuiert werden. In Lipezk und Umland wurde laut dem Gouverneur der öffentliche Nahverkehr gestoppt. Es kam wegen Schäden an einer Energieanlage zu Stromausfällen. Infolge der Angriffe seien neun Menschen verletzt worden. Der Militärflughafen liegt gut 280 Kilometer Luftlinie von der ukrainischen Grenze entfernt.
Auch auf der annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim wurden ukrainische Angriffe verzeichnet. Drei ukrainische Drohnen und eine Rakete des Typs "Neptun" seien über dem Meer vor der Hafenstadt Sewastopol abgeschossen worden, teilte der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Großstadt, Michail Raswoschajew, mit. Zudem seien auch drei Seedrohnen zerstört worden. "Es hat keine Schäden an zivilen Objekten in der Stadt gegeben", betonte Raswoschajew bei Telegram. In sozialen Netzwerken kursierten dennoch Videos von Explosionen und Feuern, die hauptsächlich um den Militärflughafen Belbek aufgenommen worden sein sollen.
Weiter Kämpfe im Gebiet Kursk
Über dem Gebiet Kursk seien zudem weitere vier Raketen abschossen worden, hieß es von Behördenvertretern weiter. In dem Gebiet an der Grenze zur Ukraine finden seit Dienstag Kämpfe zwischen ukrainischen und russischen Truppen statt. Ukrainische Truppen sollen mehrere russische grenznahe Ortschaften kontrollieren.
Bei den Kämpfen in Kursk kam es nach einem ukrainischen Artillerieschlag mutmaßlich auf eine russische Militärkolonne östlich der Kreisstadt Rylsk zudem zu Bränden. Anwohner machten schwer verifizierbare Aufnahmen von brennender Militärtechnik und verbreiteten diese über soziale Netzwerke. Es wurde von mehreren Einschlägen berichtet. Auf einem weiteren am Morgen aufgenommenen Video, das die Folgen dieses Vorfalls zeigen soll, sind gut ein Dutzend teils ausgebrannte Militärlaster zu sehen. Unabhängige Bestätigungen dafür lagen nicht vor.
Militärbeobachtern zufolge ließen die Kämpfe im Kursker Gebiet in der Nacht nicht nach. Beide Seiten sollen Reserven herangezogen haben. Über Frontverschiebungen gab es zunächst keine verlässlichen Informationen.
Ukraine gibt keine Details zu Kämpfen auf russischem Gebiet preis
Der ukrainische Generalstab machte weiter keine Angaben zu den Kämpfen auf russischem Staatsgebiet. Im Morgenbericht bei Facebook war lediglich die Rede von russischen Luft- und Artillerieangriffen an der Grenze zwischen den nordostukrainischen Gebieten Tschernihiw und Sumy. Mehr als ein halbes Dutzend Ortschaften vor allem im Grenzbereich zu Russland seien betroffen.
Die ukrainischen Militärbeobachter des Kanals DeepState kennzeichneten unterdessen eine Fläche von etwa 140 Quadratkilometer im Kursker Gebiet mit drei Dörfern als ukrainisch kontrolliert. Die Kreisstadt Sudscha steht demnach nicht unter ukrainischer Kontrolle. Zu den Vorgängen gibt es aufgrund einer offensichtlich verhängten Informationssperre von ukrainischer Seite kaum Aufnahmen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte kurz vorher eine Ausweitung des Krieges auf Russland angekündigt. "Russland hat den Krieg in unser Land gebracht und soll spüren, was es getan hat", sagte der Staatschef in seiner abendlichen Videoansprache am Donnerstag, ohne auf die Kämpfe im Gebiet Kursk näher einzugehen.
Russische Drohnenangriffe auf die Ukraine abgewehrt
Auch Russland griff Ziele in der Ukraine mit Kampfdrohnen an. Die ukrainische Luftwaffe informierte über 27 russische Drohnen iranischer Bauart, die alle abgeschossen oder durch radioelektronische Mittel abgefangen worden sein sollen. Die Flugabwehr ist demnach über den zentralukrainischen Gebieten Kiew und Poltawa, dem grenznahen Sumy im Nordosten, im Süden über den Regionen Mykolajiw und Cherson und im Osten über den Gebieten Donezk und Dnipropetrowsk aktiv gewesen. Über Schäden wurde vorerst nichts bekannt.
Parallel dazu wurden im ostukrainischen Gebiet Donezk örtlichen Behörden zufolge durch russische Bombardements und Artillerieangriffe mindestens vier Zivilisten getötet und zwölf verletzt. Mindestens fünf verletzte Menschen wurden auch im benachbarten Gebiet Charkiw registriert. Im Gebiet Cherson wurden demnach sechs Personen verletzt.
Russland hatte seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 begonnen. Besonders in den Grenzregionen bekommen auch Russen die Kriegsfolgen immer wieder zu spüren. Die Schäden stehen zumeist in keinem Vergleich zu den verheerenden Zerstörungen und den vielen Toten und Verletzten auf ukrainischer Seite durch die russischen Angriffe.