Es sieht schlecht aus für den syrischen Machthaber Assad. Die Islamisten rücken unentwegt auf die Hauptstadt Damaskus vor und sollen mit der Einkreisung begonnen haben. Der Anführer der Miliz HTS stellt seinen Kämpfern bereits deren Einnahme in Aussicht: "Damaskus wartet auf Euch."
Die syrische Armee zieht nach Angaben von Aktivisten aus Orten rund zehn Kilometer von Damaskus ab. Die Regierungstruppen von Machthaber Baschar al-Assad hätten sich aus den rund zehn Kilometer südwestlich von Damaskus gelegenen Städten zurückgezogen, "die von lokalen Kämpfern eingenommen wurden", sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman. Die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle bezieht ihre Informationen aus einem Netzwerk verschiedener Quellen in Syrien.
Nach Angaben von Hassan Abdel Ghani, einem Militärchef der islamistischen Allianz, begannen die regierungsfeindlichen Kämpfer auch damit, Damaskus einzukreisen. Zuvor hatten die Aktivisten bereits gemeldet, dass die Kämpfer weniger als 20 Kilometer vom südlichen Zugang entfernt. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte haben die Islamisten inzwischen die gesamte Provinz Daraa unter ihrer Kontrolle gebracht. Deren nördliche Grenze liegt stellenweise nur 20 Kilometer von Damaskus entfernt.
Der Anführer der islamistischen Kämpfer der Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) stellte seinen Kämpfern derweil die Einnahme der Hauptstadt in Aussicht. "Damaskus wartet auf Euch", erklärte HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa in einer überTelegram verbreiteten Nachricht an die Aufständischen. Ahmed al-Scharaa ist auch unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dscholani bekannt.
Die Kämpfer der HTS und verbündete Verbände hatten in der vergangenen Woche überraschend eine Großoffensive gegen die Armee des syrischen Machthabers Baschar al-Assad gestartet. Innerhalb kurzer Zeit brachten diese Kämpfer weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle, darunter die Großstädte Aleppo und Hama im Nordwesten. Am Freitag sollen die Islamisten die Ausläufer der strategisch wichtigen Stadt Homs erreicht haben.
Gegenangriff verpufft
Symbolische Bedeutung hat speziell die Eroberung der Provinz Daraa: Die gleichnamige Stadt war Ausgangspunkt des Aufstands gegen Assad, der 2011 letztlich den syrischen Bürgerkrieg auslöste. Rebellenkreisen zufolge einigten sich die Kontrahenten auf einen geordneten Rückzug des Militärs aus der Stadt. Ein Abkommen soll Armeeangehörigen sicheren Durchzug in die etwa 100 Kilometer nördlich gelegene Hauptstadt Damaskus gewähren. Daraa hat rund eine Million Einwohner, die gleichnamige Provinz grenzt an Jordanien.
In der Nacht hatte die syrische Armee versucht, die Blitzoffensive der Rebellen mit intensiven Luftangriffen zu stoppen. Aus Militärkreisen verlautete am Morgen zunächst, dass die Kämpfe sich daraufhin abgeschwächt hätten. Binnen kürzester Zeit wurden allerdings neue Meldungen aus den Reihen der Aufständischen zur Eroberung weiterer Städte publik.
Israel verstärkt Grenzgebiet
Dazu gehörte der Ort Quneitra, der nahe der Grenze zu Israel auf dem syrischen Teil der Golanhöhen im Südwesten des Landes liegt. Ein syrischer Offizier räumte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters ein, dass seine Soldaten sich zurückgezogen hätten. Das israelische Militär hatte zuvor eigenen Angaben zufolge seine Streitkräfte auf den von Israel besetzten Golanhöhen verstärkt, um "die Verteidigung in dem Gebiet auszubauen und die Streitkräfte auf verschiedene Szenarien vorzubereiten". Die Golanhöhen liegen im Grenzgebiet des Libanon, Israel und Syrien.
Vor Daraa hatten Assads Soldaten bereits innerhalb einer Woche die Kontrolle über andere große Städte verloren: Aleppo im Norden, Hama in Zentralsyrien sowie die Regionalhauptstadt Deir es-Sor im Osten. Dort sollen Rebellen zudem den wichtigsten Grenzübergang zum Irak eingenommen und damit effektiv die Kontrolle über die weite Wüste im Osten des Landes übernommen haben. Mit dem Erreichen der Außenbezirke von Homs wackelt auch die wichtigste Stadt in Zentralsyrien und ein Verkehrsknotenpunkt, der für die Verbindung zur Hauptstadt und zur Küste entscheidend ist. Die Familie von Assad soll bereits nach Russland geflohen sein.