
Nach langer Prüfung steht nun fest: Die AfD ist gesichert rechtsextremistisch. Die Entscheidung des Bundesverfassungsschutzes betrifft allerdings die Bundes-AfD. Welche Konsequenzen hat das für die Landesverbände? Schließlich kamen bis jetzt nur drei Länderbehörden zum gleichen Ergebnis.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD nach mehrjähriger Prüfung als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Auf die Bewertung der Landesverbände wird das aber zunächst keine direkten Auswirkungen haben. "Diese Einstufungen werden im Föderalismus jeweils gesondert vorgenommen", sagte etwa Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange. Dort ist die Landes-AfD bislang ein rechtsextremer Verdachtsfall - und wird es wohl auch vorerst bleiben. Laut Lange wolle man jetzt erstmal das Gutachten auswerten, das Grundlage für die neue Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch ist.
Ähnlich äußerte sich auch Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack: "Die Einstufung durch das Bundesamt führt nicht unmittelbar zu der gleichlautenden Einstufung des Landesverbandes der AfD in Schleswig-Holstein", sagte sie der "Bild"-Zeitung. Auch hier wird die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt.
Spitzen der nordrhein-westfälischen Regierung begrüßten zwar die verfassungsgerichtliche Einstufung der AfD. Für alle demokratischen Parteien in Deutschland müsse damit klar sein, dass die AfD "der politische Hauptgegner" sei, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst der "Rheinischen Post". Doch das Landesamt für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen sieht ebenfalls keinen Anlass, seine bisherige Linie zu ändern. Die AfD hat keine Einstufung für den Verfassungsschutz im Bundesland, weder als rechtsextremistischer Verdachtsfall noch als gesichert rechtsextremistisch.
"Die Voraussetzungen, den Landesverband der AfD in NRW öffentlich zu bewerten, liegen weiterhin nicht vor", erklärte das Landesamt. Als Verdachtsfall beobachtet wurde nur die mittlerweile aufgelöste Jugendorganisation der AfD, die "Junge Alternative".
Zunächst Gutachten prüfen
Ebenso überwacht Bayern die AfD derzeit nur als rechtsextremistischen Verdachtsfall. "Vorrangiges Ziel ist zu klären, ob die AfD als Gesamtpartei aktuell von einer verfassungsfeindlichen Grundtendenz beherrscht wird", sagte Innenminister Joachim Herrmann der "Bild"-Zeitung. Der Beobachtungsauftrag umfasse dabei derzeit nicht sämtliche Funktionäre und Mitglieder. "Inwieweit die derzeitige Beobachtung der AfD in Bayern aufgrund des Gutachtens modifiziert werden muss, wird das Landesamt für Verfassungsschutz in eigener fachlicher Verantwortung prüfen", so Herrmann.
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel forderte vom Verfassungsschutz zunächst Einblick für alle Bundesländer in das neuerliche Gutachten zur Einstufung der AfD. Er würde gerne beim Bundesamt zunächst selbst in das Gutachten schauen dürfen, sagte er dem NDR. "Das gilt für alle Bundesländer." Bisher würden alle lediglich "die Schlagzeilen" kennen.
"Ich glaube, dass wir jetzt achtgeben müssen, dass nicht der Eindruck entsteht 'Wir haben zwar Gründe, aber wir nennen sie nicht'", führte Pegel aus. Es werde am Ende darum gehen, "dass man zumindest die harten Fakten, die dieses Ergebnis begründen, auch nennen darf". In Mecklenburg-Vorpommern ist die Landes-AfD ein "Prüffall". Der Landesverfassungsschutz darf nur bei einer Einstufung als gesichert extremistische Bestrebung Auskunft über den Umgang mit einer Partei geben - das ist bislang nicht passiert.
"Anschein der Bürgerlichkeit ist entlarvt"
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens sprach indes von einer Entscheidung mit "kaum zu unterschätzender Tragweite". Ministerpräsident Stephan Weil blieb aber zurückhaltend mit Blick auf ein mögliches Streben nach einem Verbot der Partei. "Ein Verbotsverfahren muss sorgfältig bedacht werden, denn die Hürden sind hoch. Das ist eine schwierige Entscheidung", sagte Weil. Wie es mit der Landes-AfD weitergeht, blieb allerdings offen. Diese wird seit Mai 2022 als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt.
Hessens Innenminister Roman Poseck sieht die Hochstufung der AfD als klares Ergebnis einer weiteren Radikalisierung der Partei. "Wir werden auch prüfen, inwieweit die Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz Auswirkungen auf AfD-Mitglieder und Funktionäre im öffentlichen Dienst hat", sagte Poseck. Mitarbeiter in Polizei und Verwaltung müssten die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten. In Hessen ist die Landes-AfD seit November 2023 ein Verdachtsfall.
Spätestens jetzt sei der "Anschein der Bürgerlichkeit entlarvt", sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl. "Die Entscheidung bestätige auch: Es gebe gute Gründe, dass der Verfassungsschutz die AfD in Baden-Württemberg seit 2022 beobachte. "Auf jeden Fall müssen wir hier und jetzt die politische Auseinandersetzung mit der AfD weiter suchen. Wir müssen immer und immer wieder entlarven, dass diese angebliche Alternative keine Alternative ist und unser demokratisches Miteinander verächtlich macht."
Gesichert rechtsextrem nur in drei Ländern
Die Verfassungsschutzbehörde im Saarland kündigte an, das neue Gutachten zunächst zu prüfen. Danach werde entschieden, "ob wir der Beobachtung der Gesamtpartei als gesichert extremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, einschließlich des Landesverbandes Saar der AfD, so folgen können oder ob es Gründe für eine andere Verfahrensweise beim saarländischen Landesverband gibt". Bislang wird die saarländische AfD nicht von Verfassungsschutz überprüft.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer nannte es bemerkenswert, dass das BfV die AfD in dieser Klarheit als gesichert rechtsextremistisch einstuft. Die Einschätzung werde sich auch auf die Arbeit der entsprechenden Behörde in Rheinland-Pfalz auswirken. Sie gebe Landesverfassungsschutzbehörden Möglichkeiten, jetzt auch mit nachrichtendienstlichen Hinweisen und Instrumenten zu arbeiten. "Das wird auch in Rheinland-Pfalz genutzt werden." Bislang wird die Landes-AfD nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.
Wie sich die BfV-Entscheidung auf den Umgang des Hamburger Landesamtes mit dem AfD-Landesverband auswirken wird, sei noch offen, hieß es aus dem Amt. Zunächst wolle man das Gutachten prüfen, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen daraus in Hamburg zu ziehen seien, sagte ein Sprecher. Noch liege das Gutachten dem Landesamt aber nicht vor. Bislang wird die Hamburg-AfD nicht als Verdachtsfall geführt.
Als gesichert rechtsextremistisch wird die AfD derzeit nur in drei Bundesländern geführt: Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.