2 months ago

Rassenlehre und SS als Vorbild: Rassisten-Netzwerk um AfD-nahen Influencer enthüllt



Undercover nimmt eine NGO geheime Treffen von Rechtsextremisten auf. Das Ziel: Mithilfe eines internationalen Netzwerks pseudowissenschaftliche Rassentheorien populär zu machen. Einer der Köpfe stammt aus dem Umfeld der AfD.

Als der Rechtsextremist Erik Ahrens in einem noblen Athener Restaurant seine Allmachtsfantasien äußert, weiß er nicht, dass er dabei heimlich gefilmt wird. "Meine Vision ist, eines Tages in Deutschland zur Wahl anzutreten - in Trump-Manier", so der AfD-nahe Social-Media-Experte. Er wolle eine "populistische Bewegung rund um eine Person führen." Das habe es in Deutschland "seit 100 Jahren" nicht mehr gegeben, sagte Ahrens und bezieht sich damit offenkundig auf Adolf Hitler, der damals Vorsitzender der NSDAP war. Zur Umsetzung dieses Vorhabens brauche es ein internationales Netzwerk und finanzstarke Geldgeber.

Ahrens wähnte sich an diesem Oktoberabend 2023 in einer vertrauten Runde, mit am Tisch saßen sein britischer Mitstreiter Matthew Frost und ein Mann, der sich als reicher Erbe und möglicher Investor für das Projekt ausgab. Letzterer ist allerdings ein Aktivist der britischen NGO Hope Not Hate, an seinem Hemdknopf ist eine versteckte Kamera installiert. Die Gruppe hat mehrere Geheimtreffen des rechtsextremen Netzwerks mitgeschnitten. Das Material liegt dem britischen "Guardian", dem "Spiegel" und der österreichischen Zeitung "Der Standard" vor.

Die Aussagen des 30-Jährigen lassen sich leicht als größenwahnsinnig abtun, die Recherchen zeigen allerdings, dass der Aufbau des weltweiten Propagandanetzwerks bereits konkretisiert wurde. Ahrens und seine Gesinnungsgenossen propagieren einen an die NS-Ideologie erinnernden Rassismus sowie pseudowissenschaftliche Thesen zu Genetik und Eugenik. Der "Spiegel" spricht in diesem Zusammenhang von einer "Internationale der Rassisten". Unterstützung erhielt das Netzwerk der Recherche zufolge von einem Multimillionär aus den USA.

Stratege hinter Krahs Online-Auftritt

In Deutschland ist Ahrens in rechtsextremen Kreisen bestens vernetzt. Hervorgetan hat sich der 30-Jährige als Kopf hinter dem Social-Media-Auftritt von Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl. Mit Sprüchen wie "Echte Männer sind rechts", Hetze gegen Geflüchtete und Verschwörungserzählungen vom großen Bevölkerungsaustausch erreichte Krah auf Tiktok ein Millionenpublikum, darunter viele junge Menschen. Sein Stratege Ahrens beschrieb dem "Spiegel" zufolge die Vorzüge von Tiktok auf einer Veranstaltung mit dem rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek wie folgt: Über die Plattform könne man in die Gehirne von Millionen Jugendlichen "reinsenden".

Auch in der "Identitären Bewegung" war Ahrens laut dem Spiegel aktiv, leitete dort ein Projekt, durch das rechtsextremes Gedankengut unter Studierenden verbreitet werden sollte. Heutige Mitglieder des AfD-Bundesvorstands waren demnach in dem Projekt involviert. Zudem war Ahrens einer der Teilnehmer des Potsdamer Treffens im November 2023, bei dem unter anderen Politiker der AfD und der Werteunion eine massenhafte "Remigration" aus Deutschland besprachen. Vor wenigen Wochen gingen AfD und "Identitäre Bewegung" auf Abstand zu Ahrens, weil er dazu aufrief, Videos von tanzenden Mädchen mit einem AfD-Song zu unterlegen.

Für den Verfassungsschutz Brandenburg klingen die Distanzierungen jedoch wenig glaubwürdig. Ahrens "war und ist mit Teilen der AfD, der Jungen Alternative, der 'Identitären Bewegung' und weiteren rechtsextremistischen Akteuren persönlich bekannt sowie vernetzt", sagte Landesverfassungsschutzchef Jörg Müller dem Magazin. "Aufgrund seiner hohen Reichweite in den sozialen Netzwerken und seiner erheblichen Selbstradikalisierung schätzen wir die von ihm ausgehende Gefahr - insbesondere mit Blick auf junge Menschen - als überaus hoch ein."

Ahrens will Rückkehr zur "Rassenkunde"

Auf X gibt Ahrens Einblick in seine zutiefst rassistische Gedankenwelt, fabuliert etwa von einer genetischen Überlegenheit der "Arier" und fordert eine Rückkehr zur "Rassenkunde". Nach Erkenntnissen von Hope Not Hate reichen seine Aktivitäten über Deutschland hinaus. Demnach hat Ahrens gemeinsam mit Mitstreitern ein internationales Netzwerk von "Rassenwissenschafts"-Aktivisten ins Leben gerufen. Die Mitglieder haben sich laut dem "Guardian" zum Ziel gesetzt, mit ihren Ideen zu Rasse und Eugenik die öffentliche Debatte beeinflussen zu wollen. Dafür greifen sie etwa auf Podcasts, Videos sowie ein Online-Magazin zurück und halten exklusive Veranstaltungen ab.

Die Organisation wurde vor zwei Jahren unter dem auf den ersten Blick unverfänglichen Namen Human Diversity Foundation (HDF) gegründet. Registriert ist sie den Recherchen zufolge im US-Bundesstaat Wyoming - dort können Eigentümer ihre Unternehmen anonym gründen. Einen Erfolg konnte die Organisation bei der Suche nach Investoren verbuchen: Der US-amerikanische Multimillionär Andrew Conru aus Seattle, der sein Vermögen unter anderem mit Dating-Plattformen gemacht hat, spendete den Enthüllungen zufolge 1,3 Millionen Dollar an die HDF. Vom "Guardian" mit den Zielen des Netzwerks konfrontiert, erklärte Conru über einen Anwalt, er habe seine Finanzierung eingestellt und die Beziehungen abgebrochen. Die Gruppe sei von ihrer ursprünglichen Mission der "unparteiischen akademischen Forschung" abgewichen.

Die tatsächliche Mission geben Ahrens und sein Mitstreiter Frost, der auch in Athen mit am Tisch saß, bei einem weiteren heimlich aufgezeichneten Gespräch in London preis, ebenfalls aus dem Oktober 2023. Vor 90 zahlenden Zuschauern in einem Segelclubhaus auf der Themse stellte sich Ahrens als "Berater" der AfD vor. In einem der aufgenommenen Gespräche erklärte Ahrens, seine Vision sei die Schaffung einer "Heimstätte" für weiße Menschen, ähnlich wie es Israel für Juden ist. Diese "Heimstätte" könne Deutschland sein.

"Die SS war die Elite"

In mehreren von der NGO mitgeschnittenen Gesprächen erwähnten Ahrens und Frost auch den geplanten Aufbau einer weiteren Organisation, die sich an männliche, ideologisch Gleichgesinnte richtet, die offenbar Kampfsport betreiben und in "privaten Strategiecamps" die Bewegung voranbringen sollen. Dieser Gruppe sollen keine "normalen Leute" beitreten können, sondern nur "die Besten", zitiert der "Spiegel" Ahrens aus dem Videomaterial. Sein Vorbild ist dabei die SS. "Die SS war die Elite", sagte Ahrens demnach.

Zwar ist der Einfluss der HDF laut dem "Guardian" gering, die Gruppierung ist jedoch Teil einer größeren Bewegung, die eine pseudowissenschaftliche Rassenlehre im öffentlichen Diskurs rehabilitieren will. Deren Anhänger versuchen, biologische Unterschiede zwischen Rassen zu beweisen, wie etwa einen höheren IQ oder eine Neigung zu Kriminalität. "Wissenschaftlicher Rassismus wurde genutzt, um gegen jede Politik zu argumentieren, die versucht, Ungleichheiten zwischen Rassengruppen zu verringern", sagte Rebecca Sear dem "Guardian". Er werde auch eingesetzt, um "für eine restriktivere Einwanderungspolitik zu plädieren, etwa für die Reduzierung der Einwanderung aus Bevölkerungsgruppen mit angeblich 'niedrigem IQ'", so die Wissenschaftlerin der Brunel-Universität.

Der Brite Frost distanzierte sich auf Anfrage von der HDF und Ahrens. Dieser wiederum erklärte dem "Spiegel", dass er nie bei der HDF angestellt war. Die Gründung der "Elite-Gruppe" sei inzwischen gescheitert. Nicht bemerkt zu haben, bei Auftritten und Gesprächen heimlich gefilmt worden zu sein, begründete Ahrens auf X mit seinem damaligen Alkoholkonsum. An dem Abend im Athener Restaurant sei er zwar nüchtern gewesen, generell habe er zu dieser Zeit aber noch Bier getrunken. "Das hat meinen Willen und meine Intuition geschwächt. Heute weiß ich: Kein Bier - das macht einen Mann stark. Deswegen trinkt kein Bier, dann fallt ihr auch nicht auf Undercover-Journalisten rein."

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